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Debatte Rot-Rot-Grün in BerlinNo risk, no fun!

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Erst in Berlin, dann im Bund: Die rot-rot-grüne Koalition sollte das Signal sein für einen gemeinsamen Lagerwahlkampf linker Parteien.

Rot-rot-grün: Interessant? Lecker? Wacklig? Foto: dpa

R ot-Rot-Grün regiert in Berlin – das zeigt, was möglich ist, wenn alle es wollen. Neben Thüringen setzt nun das zweite Bündnis dieser Art Maßstäbe. Die bundespolitische Signalwirkung ist dabei ungleich größer: Was sich in der Hauptstadt tut, wird schärfer unter die Lupe genommen. In Berlin führt, anders als in Thüringen, die SPD die Koalition, was im Bund die einzige Option ist. Auch der Startzeitpunkt der Berliner, neun Monate vor der nächsten Bundestagswahl, gibt der linken Bündnisidee Schwung.

Jetzt ist die Chance da, diesen Schwung zu nutzen. Auch auf Bundesebene treffen sich bereits VertreterInnen von SPD, Linkspartei und Grünen, die sich lange mit Misstrauen beäugten, und fordern zum Teil offen ein solches R2G genanntes Projekt. Für eine sozial gerechtere, ökologischere und solidarischere Politik im Bund müssen jetzt gemeinsame Inhalte folgen – und ein öffentliches Bekenntnis aller drei Parteien zu einer anderen Politik.

Ein Signal für ein gemeinsames Bündnis bedeutet auch eine selbstbewusste Absage an Schwarz-Grün oder eine Große Koalition. Damit klar wird, dass R2G das Ziel ist – nicht nur ein aus der Not geborener Ersatz. Und weil bis Herbst 2017 so viel Zeit nicht mehr ist, braucht es jetzt: einen offensiven linken Lagerwahlkampf.

Konsenstümelei in der Mitte

Als der Begriff in den 1980er Jahren aufkam, ging es vor allem der CDU darum, WählerInnen der Mitte für sich zu gewinnen. Erst später wurde damit das Trennende der Lager benannt. Darum muss es auch jetzt gehen: Seit den Erfolgen der AfD und der Wahl von Donald Trump ist klar, dass die Konsenstümelei in der Mitte, das Sich-ununterscheidbar-Machen nur den Rechtspopulisten nützt.

Es braucht deshalb ein Politikangebot, das erkennbar für einen Wechsel steht. Die Parteien links von der Union, vor allem SPD und Grüne, wollen das noch nicht wahrhaben, aus Angst, WählerInnen zu verschrecken. Auch manche PolitikerInnen der Linkspartei blinken etwa in Asylrechtsfragen gerne mal rechts, um dort zu fischen.

Rechts der Mitte hat man den Nutzen des Lagerwahlkampfs längst erkannt. Horst Seehofer etwa schwört seine Partei schon darauf ein: Wofür er steht und was mit ihm 2017 auf keinen Fall zu machen ist, ist klar. Dass sich die CSU hin zum rot-grünen Lager orientieren könnte, liegt jenseits des Vorstellungsvermögens. Und auch die AfD macht ganz selbstverständlich ihr Ding.

Glaubt man Seehofer, steht mit R2G der Untergang des Abendlandes bevor

Gleichzeitig weisen die Rechten den Linken ihre Position zu: Seehofer etwa macht Stimmung gegen eine rot-rot-grüne „Linksfront“. Glaubt man ihm, steht mit R2G der Untergang des Abendlandes bevor. Das kann und muss man lesen als Bestätigung des Potenzials dieses Projekts. Viel Feind, viel Ehr.

Koalitionsoptionen in alle Richtungen

Für SPD, Linkspartei und Grüne bedeutet das keineswegs, für ein klar artikuliertes Linksbündnis die Grenzen verwischen zu müssen – im Gegenteil. Als Fundament für die Zusammenarbeit müssten sich die drei sogar auf ihre jeweiligen Kernanliegen besinnen und ihre Konturen schärfen: die Grünen als ökologisch orientierte Partei mit gesellschaftspolitischer Utopie. Die Linkspartei, die mit einer undogmatisch-emanzipatorischen Politik prekarisierte und pazifistisch orientierte WählerInnen anspricht. Und die SPD, die sich zur traditionellen Arbeiterschaft bekennt. Bei diesem Dreiklang wissen die WählerInnen, worauf sie sich einlassen: auf eine bestimmte Partei – und auf ein konkretes Bündnis.

Denn sie wollen wissen, was die gewählte Partei in der Partnerschaft mit anderen vorhat. Wählen sie die Grünen, wenn sie damit rechnen müssen, dass die sich an die Union verkaufen und dann als höchstens noch gefühlte Kulturlinke die besserverdienende obere Mittelschicht bedienen? Wählen sie die Linkspartei, wenn sie wissen, dass die roten Linien, für die die Partei jahrelang stand, überschritten werden, um sich in eine weitere Partei der Mitte zu verwandeln? Und wählen sie die SPD, wenn sie fürchten, dass sie mit der CDU Steuererhöhungen für Reiche ablehnt und weiter den Austeritätskurs in Europa mitträgt?

Patricia Hecht

Jahrgang 1979, ist Redakteurin bei taz.eins, dem aktuellen Politikressort der taz.

Ihre Gewohnheit, sich Koalitionsoptionen in alle Richtungen offen zu halten, kostet die Parteien nicht nur Profil und Glaubwürdigkeit. Sie führt auch zu Enttäuschung, Resignation und mangelndem Vertrauen bei den WählerInnen. Die Unberechenbarkeit und die Sorge, dass die gewählte Partei letztlich gegen die eigenen Interessen und gewählten Inhalte handelt, müssen zugunsten verlässlicher Programme und klarer Koalitionsansagen verschwinden. Wer mit allen koalieren kann, steht für nichts. WählerInnen aber müssen von Parteien bekommen, was draufsteht.

SPD ohne Profil

Die Ziele des Dreierbündnisses müssen deshalb so bald wie möglich öffentlich klar werden – und dafür muss sich vor allem die SPD bewegen, die in den vergangenen Jahrzehnten so sehr an Profil verloren hat, dass sie schon fast scheintot ist. Agenda 2010, Ceta, Rüstungsexporte in Länder, in denen Menschenrechte nichts zählen – in all diesen Punkten unterscheidet sich die SPD so wenig von der CDU, dass sich die Frage aufdrängt: Kann man R2G mit so einer SPD überhaupt noch machen?

Die Antwort ist: Wenn die Partei nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden will, ist ein klares Bekenntnis zu einer linken Politik sogar ihre einzige Chance. Denn damit wüchsen die Chancen auf Mobilisierung im Wahlkampf nicht nur auf parteipolitischer, sondern auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene: Sofern NGOs, außerparlamentarische Gruppen und Gewerkschaften wissen, welche Bündnispolitik sie mit dem Werben für eine der drei Parteien unterstützen, lassen sie sich viel eher in derlei Prozesse einbinden. Und zumindest Teile der zuletzt 30 Prozent der Bevölkerung, die bei der letzten Bundestagswahl nicht wählen gingen, würden über solche Gruppen besser, weil ausdifferenzierter erreicht.

Und wenn dieses Dreierbündnis in der Bundestagswahl untergeht? Dann passiert das wenigstens mit Haltung. Verlieren ist auch eine Option in einer Demokratie. Sie darf nur nicht dazu führen, Politik nur auf machtstrategischen Überlegungen aufzubauen. Was im Fall einer Niederlage anstünde, wäre eine gemeinsame linke Oppositionsarbeit – das Bündnis dafür steht schon.

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8 Kommentare

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  • Mal völlig unabhängig davon, ob RRG politische wünschenswert wäre oder nicht, übersieht die Autorin IMO, dass nach der Bundestageswahl mit großer Wahrscheinlichkeit eine Situation entstehen könnte, wo - durch die AFD - weder RRG noch Schwarz-Gelb eine Mehrheit haben werden. Und dann?

     

    Wenn dann - dank Lagerwahlkampf - alle Optionen, jenseits der Wunschkoalition von allen Beteiligten ausgeschlossen wurden, wie soll es dann weitergehen?

     

    Wenn die CDU dann nicht mit der AFD koaliert (was ich mir zum Glück beim besten Willen nicht vorstellen kann) bleiben dann am Ende doch wieder nur Neuwahlen, was die Populisten dann nochmal stärken könnte.

  • Für ein Linksbündnis braucht es aber auch linke Parteien. Die Grünen und die SPD gehören für mich zum Lager der bürgerlichen Mitte genau wie die CDU

    Es macht keinen Sinn mit diesen Parteien so etwas wie ein Linksbündnis zu versuchen.

    Das einzige was passiert ist das die einzige Opposition zur Regierung nun eine Rechte wäre.

    Wenn sich also die Linke mit der aktuellen Elite zusammen tut um dann wie zu erwarten ist nichts zu erreichen feiert vor allem die Afd, sie kann gegen eine uneffektive Regierung rechtspopulistischen Wahlkampf machen

  • Ein Problem für R2G dürfte nach wie vor sein, dass SPD und Grüne lieber auf ihre Macht verzichten als auf Krieg. Zumindest in diesem Punkt sind sie ihren Prinzipien treu. Krieg muss sein.

  • Dieses Bündnis könnte mit den richtigen Aussagen zur Sozialpolitik und Steuerpolitik Erfolg haben.

    Das wichtigste wäre endlich zu erkennen, dass bei aller Globalisierung der wichtigste Teil der Bundesbürger, die Rentner, Kinder und die gesamte Untere - und Untere Mittelschicht auf dem Weg zum Erfolg mitgenommen wird!

    Der Gewinn der Industrie und des Handels aus der Globalisierung muss nun endlich auch alle erreichen!

    R2G muss klar Darstellen, das die Menschen, die den Gewinn der Wirtschaft generieren auch wirklich angemessen dafür Bezahlt werden und nicht die erwirtschafteten Gelder für einige Wenige sondern für Alle einen merklichen Anstieg der Erträge bringt!

    Vor allem müssen auch die mitgenommen werden die durch die Globalisierung Langzeitarbeitslos geworden sind und die Rentner, die durch eben diese ihr Leben mit prekären Jobs fristen mussten, somit wenig Beiträge einfahren konnten.

     

    Eben so wichtig ist es endlich für eine ausgewogene Zahlung aller in die Sozialkassen zu gewährleisten damit diese auch gerechter Leistungen bringen können.

    Eine Bürgerversicherung, in der Anteilmäßig sowohl für die Rente als auch für die Krankenkasse eingezahlt werden muss, von jedem der Einkommen jedweder Art erzielt!!!

    • @urbuerger:

      Alles richtig, ich befürchte nur, dass SPD und Teile der Grünen nicht den Mut haben. Die SPD kann sich dann mit ihren hehren Forderungen weiterhin hinter der CDU verstecken. Thema, ist mit der CDU nicht zu machen.

  • "Auch manche PolitikerInnen der Linkspartei blinken etwa in Asylrechtsfragen gerne mal rechts, um dort zu fischen."

    Warum wird in diesem Zusammenhang eigtl. nur die Linkspartei erwähnt? Die SPD hat als Koalitionspartner der CDU auf Bundesebene allen Asylverschärfungen zugestimmt und der Ökoreaktionär Kretschmann von den Grünen ebenfalls.

  • Das müsste aber ganz flott geschehen. die letzte verpasste Chance dafür war die Nominierung Steinmeiers, mit der die SPD sich klar für eine Fortsetzung der GroKo ausspricht. Dabei wird immer wieder vergesssen, dass jetzt immer noch und vielleicht nicht wieder es eine Mehrheit im Bundestag für R2G gibt.

    • @Eigensinn:

      Interessanterweise hat Gabriel, doch Steinmeier genau einen Tag nach dem Treffen von SPD, Grünen und Linken Bundestagsabgeordneten präsentiert. Besser hätte der Genosse der Bosse eine rot rot grüne Koalition im Bund nicht ausbremsen können, als mit diesem Zeichen des Weiterso. Wahrscheinlich hat die CDU Steinmeier auch nur deshalb so schnell akzeptiert, weil sie darin für sich das kleinere Über sah.