Debatte Reden wie Donald Trump: Nebensätze sind obsolet!
Jetzt, da der Narzissmus regiert, sind Inhalte egal. Was will uns dieser Politikstil sagen? Richtig: Tötet die Sprache und den Inhalt.
D iesenFreitag wird der echte Donald Trump der echte Präsident von Amerika. Schon vorher wurde @realDonaldTrump wie ein Präsident hofiert. Ich und die meisten anderen haben viel gelernt seither. Zum Beispiel: Nebensätze vermeiden. Mit Hauptsätzen wird man weltberühmt. Ab und zu darf man durchdrehen. Wenn man durchdreht, hat man maximal vier Tweets dafür.
Die ganze Welt berichtet unermüdlich über Trump und seine Tweets. Das reinste Naturphänomen. Das ist die Kraft von Trump! „It'sbecause of the power of my movement!!“ Das würde Trump sagen. Es heißt dann: Trump sei ein begnadeter Medienmensch und wisse, wie das mit den Medien gehe. Selten sagt einer: Es liegt an den unbegnadeten Medienmenschen, die nicht wissen, wie das mit Trump geht. Die hängen nämlich nicht an seinen Tasten wie Marionetten. This is journalism NOT. Das würde ich jetzt tweeten, wäre ich Trump. Dann würdet ihr ab jetzt bis mindestens Freitag darüber reden müssen, was Journalismus ist oder nicht ist. Und die Begründung wäre: Er bringt es so einfach rüber, jeder versteht es. Von „White Privilege“ kein Wort.
Diese Welt aus Hauptsätzen macht jetzt schon Kopfschmerzen. Wie will Trump den Eid auf die Verfassung schwören? Er hat dann sicher sein Handy dabei. Vielleicht übernimmt das Siri für ihn. Vielleicht hat er aber gar kein iPhone. Eher ein Blackberry. Frauen werden protestieren. Bei dem Women'sMarch nach Washington am Samstag marschieren aber nicht nur Frauen. Trump und sein Kabinett haben eine Botschaft, mit der viele nicht einverstanden sind: 2017 braucht Erfolg weder Schwarze noch Frauen. Es geht schließlich um das Große Amerika – ganz ohne Diversität. Trump ist der Anti-Trudeau.
Mit der Suche nach dem großen Amerika ist die Narzissmus-Seuche endgültig ausgebrochen. Die Medien machten und machen Trump zu Trump. Das sagt auch Trump. Ich würde sagen: Das sind wirklich schlechte Medien!!! Trump sagt das auch. Aber nur, wenn die Medien ihn kritisieren. Deshalb redet Trump nur mit Qualitätsjournalisten, die ihn als Gottes besten blondierten Sohn erkennen. Zum Beispiel mit einem, der als Karikatur in Übergröße an der Hausfassade der taz hängt. DAS INTERVIEW war eine ganz ganz große Sache!!!! Auch die ganz großen Zeitungen schrieben darüber. Ich bin NICHT stolz auf die Zeitungen! Auch die „Tagesschau“ berichtet fast sieben Minuten über das Interview. NICHT FAIR!!!
Der deutsche Interviewer twittert seitdem über jeden Bericht: ICH habe das Interview geführt. Er sagt, er habe selbst den Termin für das Interview gemacht. Auch das waren wichtige News. Wird er in den Nachberichten nicht genannt, twittert er: Hier steht nicht mein Name oder der meiner Zeitung. Die anderen, die meinen Namen nicht erwähnen, sind alle ganz ganz klein. Das klingt schon wie Trump. Ich könnte dazu jetzt sehr viel mehr sagen. Aber ich möchte verstanden werden. Das geht nur in Hauptsätzen und Großbuchstaben. Ein Thomas Bernhard hätte heute keine Chance. Wegen der langen Sätze. Auch weil er ein aufrechter Nestbeschmutzer war. Kritiker haben heute keine Zeit für Kritik. Sie müssen die Öffentlichkeit nutzen, um sich selbst zu loben. Sonst können sie nicht mit dem Selbstlob der anderen mithalten. Und dann kommen sie nicht in der Zeitung. Oder dürfen nicht mit Trump reden.
Worst Of Trump – Extended
Was will uns dieser Politikstil sagen? Tötet die Sprache! Tötet die Analyse des Inhalts! Es ist alles nur noch Behauptung, Duktus, Macht. Die preisgekrönte CNN-Journalistin Hala Gorani fragte den deutschen Interviewer von Trump: Macho-Stil, alles klar – aber was ist mit den Inhalten? Der deutsche Interviewer antwortete nur: „Trump ist jetzt gewählt!“ Das sind News von gestern, verdammt!!!! This is journalism NOT!!! Der Interviewer kritisiert die Trump-Kritiker. Hinnehmen! Berichten! Den Willen des Volkes akzeptieren! Als Trump würde ich die Nacht darauf so was twittern wie: „Dieser überschätzte Journalist hat mir nicht zu sagen, was ich zu akzeptieren habe!!!“
Ich bin Demokratin. Wie viele andere in den USA, die Trump NICHT gewählt haben. Es haben ihn mehr Wähler NICHT gewählt. Es ist ihr Job als Demokraten, ihre Demokratie zu überwachen. Dazu brauchen Demokraten die Medien als vierte Gewalt. Trump sperrt die vierte Gewalt aus. Und lässt somit die Demokratie vor der Tür stehen. Trump antwortet auf eine unbequeme Frage mit YOU NOT! Wenn es mit Trump nicht kracht, dann, weil man seine Agenda befördert.
This is Verharmlosung!
Fast könnte man in Nebensätze verfallen … Aber das bringt keinen Erfolg. Jeder sagt mir: Trump ist so erfolgreich, weil er klar und kurz redet. Jeder versteht ihn. Nein! Jeder hört und sieht ihn ständig, das ist sein Erfolg. Was Trump sagt, wird endlos wiederholt, als wäre dieses Echo ein Naturgesetz. Als würde jeder, der sich einfach ausdrückt, verstanden und multipliziert. Trump verkauft uns für dumm. Und wir zahlen auf sein Konto ein.
Über Medien sagt er: Ich twittere – und sie schreiben über mich. Er hält nichts von der Presse. Er hält nichts von Gesetzen, die Nepotismus verhindern. Er hält nichts von Demokraten, die nicht für ihn stimmen. Er hält nichts von der Geschichte der Menschheit. Der erste deutsche President-elect-Trump-Interviewer analysiert das in etwa so: Trump legt die Fakten auf den Tisch. Er regiert wie ein Businessman. Ich sage: Er ist ein Businessman, der von modernem Leadership nichts gehört hat. This is Verharmlosung! This is kritischer Journalismus NOT!
Viele, die dagegenhalten wollen, kommen jetzt auf folgende Idee: Machtbewusst MAKE EUROPE GREAT AGAIN rufen! #MEGA statt #MAGA also, kann nur gut sein. Dabei weiß doch jeder, der schon einmal einen Hollywood-Film gesehen hat: Der Gegner siegt, wenn du ihn mit seinen Mitteln schlägst. Du brauchst, wie Karate Kid, einen Mister Myagi, der dir den unerwarteten Dreh zeigt. Auftragen, polieren, mit Geduld, Anmut und Disziplin. Das Prinzip Trump soll nach Europa schwappen. Viele unbedeutende Nachwuchsparteien machen es ihm nach. Doch Europa ist stärker! Mauern sind obsolet!! Die hatten wir schon. End of Tweet.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott