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Debatte R2G in DeutschlandDer Drillings-Fehler

Georg Löwisch
Kommentar von Georg Löwisch

Die rot-rot-grüne Option leidet unter einem chronischen Spielverderber-Vorwurf: SPD, Grüne und Linke wollen sich gegenseitig Ähnlichkeit aufzwingen.

Ein guter Wahlkampf braucht Farbenspiele Foto: dpa

I n Deutschland quatschen sich gerade SPD, Grüne und Linkspartei eine Option zur Regierung kaputt. Die drei Parteien erwarten voneinander, dass die jeweils andere sich verändern muss.

Die Grünen möchten von Martin Schulz klare Ansagen zum Klimaschutz. Die SPD will, dass die Linkspartei die Macht von Sahra Wagenknecht zurückschneidet. Die wiederum hätte die SPD gern Hartz-IV-kritisch, sonst werde es nichts mit dem Regieren. Den Grünen schwebt eine Brüssel-begeisterte Linkspartei vor, die Putin so indiskutabel findet wie Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt dies tun.

Drei Parteien, unzufrieden darüber, dass die andere nicht so ist wie man selbst. Es wirkt, als wollten sie sich gegenseitige Nachahmung aufzwingen. Die Grünen wünschen sich die SPD als klimaschützendes Abziehbild von sich selbst. Die Linkspartei hätte gern von den Grünen nur die linksgrüne Hälfte. Während die SPD die Systemkritiker der Linkspartei in sozialdemokratische Staatskanzlisten verwandeln will.

Am liebsten wären sie wohl eineiige Drillinge. Aber dieses Ideal ist ein großer linker Fehler. Denn je mehr sich die Parteien im Wahlkampf nahe­kämen, desto unwahrscheinlicher würde die rot-rot-grüne Option. Wenn drei Parteien mit verwechselbaren Profilen auftreten, dann sind zwei überzählig. Je größer die Annäherung desto geringer die Unterschiede desto kleiner das Potenzial der drei. Von Ähnlichkeit entstellt, gewinnen sie nichts.

Die Parteien müssen ausgreifen. Wagenknecht darf Globalisierungsängstlichen mit uralten Rezepten Halt geben. Özdemir kann in seiner Bravheit in den oberschwäbischen Handtuchformatgärten gefallen. Schulz soll ruhig als leidenschaftlicher Europäer die Jungen elektrisieren, den Angestellten Sicherheit versprechen und obendrein die Industrie hochleben lassen.

Wenn drei Parteien mit verwechselbaren Profilen auftreten, dann sind zwei überzählig

Aber so machen sie es nicht. Sie ziehen rote Linien, sie beschweren sich über Hindernisse fürs Regieren: über Nato, Neoliberalismus und Lafontaine. Die rot-rot-grüne Option krankt chronisch am gegenseitigen Spielverderber-Vorwurf, Tonlage: nölig bis nervtötend. Jeder der drei möchte sich geradezu in den anderen hineinmorphen.

Vor lauter Verzweiflung, dass die Linkspartei die Verwandlung verweigert – und weil die CDU im Saarland erfolgreich gegen Rot-Rot mobilisiert hat –, befeuert die SPD Berichte über ein Bündnis mit der FDP. Wobei diese sich selbstverständlich vorher auch ändern müsste: in Richtung der guten alten sozialliberalen Zeiten.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Es ist richtig, wenn Regierungschancen erkennbar werden. Aber bitte viele. Wer könnte? Wer passt? Wer soll? Bündnisoptionen machen einen Wahlkampf spannend. Der Fall des Sozialdemokraten Peer Steinbrück hat 2013 gezeigt, dass ein Kanzlerkandidat ohne Koalitionschance zur optionslosen Träne wird. Erst wenn Mehrheiten für mehr als eine Kanzlerin vorstellbar sind, entsteht Konkurrenz.

Deshalb braucht ein guter Wahlkampf Farbenspiele. Aber mit Farben zu spielen heißt eben nicht, Farben zu vermanschen. Es bedarf der Vielfalt, aus der sich im Laufe des Wahljahres die wichtigen Themen entwickeln. Erst der demokratische Streit zeigt die Prioritäten der Bürgerinnen und Bürger. Daran bemisst sich die Kompatibilität von Parteien – und am Wahlergebnis.

Kurz: Regierungsoptionen entstehen nicht durch Sehnsüchte der potenziellen Partner. Die Wahl selbst erzeugt Koalitionen. Eine rot-rot-grüne Regierung bräuchte genügend außenpolitische Stabilität. Die aber hängt maßgeblich davon ab, wie sich die Fraktion der Linkspartei im Bundestag zusammensetzt und wie knapp die Mehrheit einer solchen Koalition wäre: Gäben zwei oder drei Linken-Abgeordnete den Ausschlag, die jeden UN-mandatierten Militäreinsatz ablehnen, kann man R2G gleich vergessen.

Auch ob eine Ampel oder Schwarz-Grün etwas taugen, darf nicht im Vorhinein ideologisch-rituell beantwortet werden, sondern als Ergebnis des Wahlkampfs. Wenn Klimaschutz, Agrarwende und Bürgerrechte in den nächsten Monaten keine Rolle spielen und die Grünen am 24. September in Setzkastengröße dastehen, ergäbe eine schwarz-grüne Koalition keinen Sinn, selbst wenn sie rechnerisch in Frage käme. Ein Bündnis von SPD, Grünen und FDP wiederum wäre allenfalls sinnvoll, wenn die Grünen mit ihren Kernthemen im Wahlkampf so reüssieren, dass sie sie in die Regierung tragen können.

Die FDP brächte Wirtschaftsinteressen ein und könnte in Bürgerrechtsfragen rechte Sozialdemokraten einhegen. Und Martin Schulz müsste im Wahlkampf Gerechtigkeit so stark zu seinem Thema machen, dass die FDP Reichenbesteuerung, Mieterschutz und eine Reform der Arbeitslosenversicherung nicht verwässern kann.

Wahlkämpfer statt Wahlpartner

Aber ist es nicht praktisch, schon früh nach Gemeinsamkeiten zu forschen? Für ein gemeinsames Projekt zu mobilisieren wie SPD und Grüne 1998? Das geht vielleicht in einer Zweierkonstellation. Wenn jedoch sechs Fraktionen im Parlament sitzen, werden Regierungen von drei Partnern wahrscheinlicher. Ein Dreierbündnis hat naturgemäß weniger Schnittmengen. Deshalb braucht es keine Wahlpartner, sondern Wahlkämpfer.

Was auffällt: Dass gerade Parteien im Spektrum links der Mitte den Hang haben, die Konkurrenz zu missionieren. Weil die SPD sich einst von den Grünen um ihren Nachwuchs betrogen fühlte? Weil die Sozialdemokraten die Linkspartei als Fleisch von ihrem Fleische sehen? Oder weil sich alle drei moralisch so unbedingt im Recht glauben? Der CDU fiele es jedenfalls nicht ein, aus der SPD eine bessere CDU zu basteln oder die Grünen zu bekehren. Sie setzt ihre Prioritäten, macht die Pläne der anderen runter, kritisiert deren Personal und mobilisiert gegen Rot-Rot-Grün. So geht Wahlkampf.

Wenn SPD, Grüne und Linkspartei ihre jeweils eigenen Wege gingen, täte das der politischen Kultur gut. Die drei sollen unterschiedlich sein, weil die Menschen unterschiedlich sind. Erst wird gekämpft, dann gewählt und hinterher verhandelt. Unter Partnern. Nicht unter Drillingen.

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Georg Löwisch
Autor
Viele Jahre bei der taz als Volontär, Redakteur, Reporter und Chefredakteur.
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19 Kommentare

 / 
  • der autor hat m.e. völlig recht: wenn sich die drei parteien (oder welche auch immer) im wahlkampf ähneln, ernten sie auch nur in derselben klientel. deshalb sollten koalitionsverhandlungen erst NACH der wahl beginnen - bis dahin versucht jeder, SEIN programm auf möglichst viele prozente (also gewicht) zu bringen, damit es überhaupt was zu verhandeln gibt. um so breiter dabei das (gesamt)-spektrum im wahlkampf ist, desto höher die wahrscheinlichkeit, später die regierungsbeteiligung verhandeln zu können - andersrum ziehen sie sich nur gegenseitig runter und die cdu kommt auch ohne wahlkampf wieder ran..

  • So wahr, die Anfeindungen zwischen Linken, Grünen und SPD, wer die wahre linke Parteiist, wer linke Poitik verraten hat, beziehungsweise wer völlig unrealistische Vorstellungen hat etc. , mag ja manchmal berechtigt sein, oft ist sie aber überzogen, beziehungsweise taktisch unklug. Diese Konkurrenz um Wählerstimmen im linken Wählerspektrum kann zwar auch zur innerlinken Debattenkultur beitragen, oft werden dabei aber scheinbar unüberwindbare Gräben geschaffen. Außerdem fehlt mir dabei oft die Vision, vielleicht verstehen die Leute die sowieso eine "linke" Partei wählen solche Anfeindungen, Anschuldigungen ja noch, aber wie will man damit die Mehrheit der Bevölkerung überzeugen. Oft habe ich das Gefühl dass Debatten so geführt werden, als ob sowieso alle im Land schon links sind, und es geht nur noch darum die falschen von den richtigen linken zu unterscheiden. Aber naja eine Einheitsfront will ich auch net. ;)

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Die drei Parteien erwarten voneinander, dass die jeweils andere sich verändern muss."

    Versteht nur der Kenner Löwisch'scher Mengenlehre und auch nur mithilfe einiger Grafiken.

    • @571 (Profil gelöscht):

      Genau - Hat mal einer nen Drilling¿;)

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Genau - du hast diese 7 Möglichkeiten zur Wahl:

        https://de.wikipedia.org/wiki/Drilling_(Begriffskl%C3%A4rung)

        • @571 (Profil gelöscht):

          Was soll ich sagen? Bin ja nur´n Illing!

          • 5G
            571 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Illing?

             

            Schönes Wort...

            • @571 (Profil gelöscht):

              Steinalter baliner Witz - wa!

               

              mglw. irgendswie Zille; weil ming Mouder denn aussem Roten Wedding mitkolportiert hat.;)

              (Die alte Dame dorten Fürsorgerin - Was so "Lyzeen" machen konnten;) &

              Der geht so:

              "Biste ooch 'n Zwilling?"

              "Nää - ik binnen Illing - meene Mudder

              konnt nischt paßjerechtes for mir finnen - wa!"

              (eigentlich einer für Jürn Kruse - aber -

              Das ist eine andere Geschichte!:)

              • 5G
                571 (Profil gelöscht)
                @Lowandorder:

                "Frau Illing ist ein Genie im Verkauf.",

                siehe unter https://de.wiktionary.org/wiki/Illing

                 

                Noch jürn Osterkruse!

                • @571 (Profil gelöscht):

                  ;)) un werr trüch!

  • Nicht ander Parteien zwingen einer Partei Änderungen auf. Es ist immer noch der Wähler der die Parteien wählt. Die Saarlandwahl hat gezeigt, dass es die DIE LINKE ist, die sich bewegen muss, wenn Sie mit ihrem Populismus nicht weiter Wähler an die AfD verlieren und diese füttern will und eine Option für ein linkes Bündnis mit aufbauen will.

  • Les Ihre Beiträge ja immer mit heiterem Befremden!;)

     

    Aber der - ist echt gelungen!

    Tief aus der Kiste - aber gaanz tief -

    Jau. "Die 3 Verblasenen tazis!"

    "…Die FDP brächte Wirtschaftsinteressen ein und könnte in Bürgerrechtsfragen rechte Sozialdemokraten einhegen…"

    Das - ist ja nicht mehr nur allein - mit -

    Spätzlerista historika abgetan - Nein.

    Ha no. Dess is so gelunge!

    "Träum weiter - Junge!"

     

    Aber - Gemach - Gemach -

    Irgendwie ja sicher auch schön -

    Sich nicht so allein in Richtung der guten alten sozialliberalen Zeiten - Hineinzumorphen - gellewesterwelle!;))

    klar - "Zu Risiken & Nebenwirkungen

    Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!"

    ("Morphen [von *morph- ], Morpha, Bezeichnung für diskrete individuelle Varianten (Variation) innerhalb einer Art,… http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/morphen/44038

    "Die beste Morphing-Software im Vergleich. Gesichter einfach und kreativ verändern…" https://www.netzsieger.de/ratgeber/morphing-software

    kurz - Na bitte geht doch!

    "An ihren Gesichtern sollt ihr sie erkennen!;))" & "Brille - Fielmann!"

    FDP - Paschd scho!

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Ich finde das Gehabe ehrlich gesagt bescheuert. In Norwegen hat es jahrzehntelang immer eine Minderheitenregierung gegeben und das hat prima geklappt.

    In der deutschen politischen Kultur muss es immer schon Absprachen im Voraus über jeden Punkt geben, der Autor erwartet das am Ende ja doch selbst auch wieder. Ob im Koalitionsvertrag, der 4 Jahre Politik bestimmt oder bei der Bundespräsidentenwahl, das Ergebnis der Politik scheint immer schon vorher festgelegt zu sein, als bräuchte es gar keinen offen demokratischen Diskurs - der demokratische Sinn solcher allumfassenden Vorverträge ist sicher nicht nur mir schleierhaft.

    Leider herrscht der Koalitionsvertrag und nicht die politische Vernunft.

    Warum ist diese Struktur so starr? Einen Militäreinsatz beschließt eh der ganze Bundestag, da machen am Ende zwei oder drei Verweigerer nichts aus, wenn jeder Abgeordnete, wie es in der Verfassung steht, nur seinem Gewissen verpflichtet ist. Es gäbe genug CDUler, die würden dafür stimmen.

     

    Mutig wäre es, einfach offen zuzugeben, dass es keine mögliche Regierungskoalition irgendeiner Art gibt, in der sich die Teilhaber über alle Rahmenpunkte einig werden.

    Statt dessen könnte mensch z.B. die Frage von Kriegseinsätzen einfach aus den Koalitionsvereinbarungen herausnehmen (als ob sich die UN einigen würde) und sich auf Kernpunkte beschränken. Wenn es keine solche ausreichend große gemeinsame Schnittmenge gibt - was soll dann überhaupt eine Koalition?

    Wenn die SPD der Linkspartei in Sachen Hartz-IV nicht entgegenzukommt, warum soll dann die Linkspartei überhaupt in eine solche Koalition gehen? Sie kann dann nur verlieren!

    Schulz zeigt sich in keinster Weise bereit, nach der Wahl Kompromisse einzugehen, sondern betont immer wieder, die anderen Parteien müssten sich bereitmachen für die Kooperation mit der SPD.

    Das wird ihn am Ende aber nur um mögliche Regierungspartner bringen und die SPD wird wieder in den Armen der CDU landen.

    • 2G
      24636 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      "Wenn die SPD der Linkspartei in Sachen Hartz-IV nicht entgegenzukommt, warum soll dann die Linkspartei überhaupt in eine solche Koalition gehen?"

       

      Na weil sie den Homunkulus nun mal zur Welt gebracht haben. Darum putzen sie ihn halt heraus, können ihn aber schlecht über die Planke schicken. Eltern halten auch den hässlichsten Brocken für fesch und den Prinzen der Dorftrottel für klug. Mit der Agenda haben sie sich selbst kastriert und dass damit das Thema sensibel und schwierig ist, sollte jedem doch wohl eigentlich klar sein. Dass nun das abgeschnitte Teil sein gutes Recht fordert, ist für die SPD mehr ein Problem als die Lösung. Es bräuchte mehr einen therapeutisch intervenierenden Dritten, nur dass es den Grünen dann doch eher eine Freude ist, beide bluten zu sehen. Sich hinstellen und das für ne einfache Angelegenheit zu erklären, ist aber Unfug.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @24636 (Profil gelöscht):

        ...Die Linke ist nicht Die Grünen

  • Wenn der Schulz-Hype zu ende ist, wird es keine Mehrheit für diese Option geben, zumal die Saarland-Wahl auch gezeigt hat, dass die SPD abgestraft wird, wenn man den Bürger Aussichten auf eine Linkspartei in Regierungsverantwortung macht.

     

    Die einzige Chance auf einen Politikwechsel ist Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün. Derzeit leider auch unwahrscheinlich.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @IL WU:

      Politik - "Wechsel" mit Schwarz?

      Zum Totlachen, leider...

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Wichtiger Kommentar.

     

    Strategie und Strategen in die erste, Dilettanten und Schlimmere in die letzte Reihe. Wenn sich Leute wie Wagenknecht mal auf die Inhalte (und damit auf ihre Stärken) eichen lassen würden, dann wäre das Porzellan am Ende des Wahlabends auch noch im Schrank und nicht zerbrochen. Am Ende entscheiden eh nur die Prozente der Linkspartei darüber, wieviel "Links" in R2G zu haben sein wird. Und darauf sollte man sich nun fokusieren, einen starken inhaltlichen Wahlkampf aufs Parkett zu legen, möglichst viele Nichtwähler und Unentschlossene für linke Politiken zu gewinnen. Über die Agenda kann die Linkspartei mit der SPD erst dann verhandeln, wenn sie zweistellig im Bund würden. Verhandlungsmacht muss man sich eben erkämpfen, die kann man nicht herbeitrompeten.

  • Die drei sind keine Option zur Regierung, um zu sehen wo das endet reicht doch schon ein Blick nach Berlin.