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Debatte Kapitalismus und WachstumIst das schon Kaputtalismus?

Robert Misik
Kommentar von Robert Misik

Der Kapitalismus ist an seine Grenzen geraten, sagen immer mehr Ökonomen. Aber würde es uns glücklich machen, wenn er stirbt?

Endet der Kapitalismus in einer permanenten Quasistagnation? Foto: dima_gerasimov/photocase.de

D ass der westliche Kapitalismus in einer schweren Krise ist, ist heute ein derartiger Gemeinplatz, dass der Formulierung selbst schon etwas Klischeehaftes anhaftet. 2008 wäre das globale Finanzsystem beinahe zusammengebrochen. Die Rettungsmaßnahmen, die die Staaten in Panik setzten, belasten die Volkswirtschaften noch auf Jahre hinaus.

Die eher neokonservativ und wirtschaftsliberal orientierten Ökonomen können zur Deutung dieser Situation nichts beitragen. Mit ihren Modellen ist schlicht nicht erklärbar, warum ein System, das auf deregulierte Marktbeziehungen setzt, überhaupt in die Krise kommen kann – und warum es nicht wieder zur Prosperität findet, wenn der Staat abgebaut und die Märkte entfesselt werden.

Die eher keynesianisch und sozialreformerisch orientierten Ökonomen sind deutlich näher an der Realität: Ihre Kritik würde in etwa lauten, dass eine falsche Politik – die Deregulierung der Märkte, die Entfesselung des Finanzsystems und das skandalöse Wachstum der Ungleichheit die Stabilität des Systems erst untergraben haben. Dass also, knapp gesagt, seit 30 Jahren eine falsche Politik gemacht wird – das System aber stabilisiert werden könnte, wenn nur eine richtige Politik gemacht würde.

Aber gehen wir mit offenen Augen durch die Welt: Sehen wir etwa nach Spanien, mit seinen Bauruinen, Mahnmäler fehlgeleiteter Innovationen, Kilometer um Kilometer an den Stränden entlang. Werfen wir einen Blick in die Solidarkliniken in Griechenland, in denen sich die Menschen ohne Krankenversicherung drängen; in die amerikanische Provinz, wo die Arbeitslosenzahlen nicht zurück gehen wollen; in die Innenstädte in Nordeuropa, wo scheinbar noch alles stabil ist, wir aber doch schnell spüren: So richtig voran geht es nicht mehr, es ist allenfalls Stagnation bei immer härterer Konkurrenz um den Wohlstand, ohne jede Zukunftszuversicht. Kurzum: Die Maschine funktioniert nicht mehr richtig. Die Frage ist also: Was, wenn die keynesianischen Instrumente heute auch nicht mehr greifen?

Gigantische Kreditexplosion

Der amerikanische Ökonom Robert Brenner hat schon vor zwanzig Jahren in seinem Buch „The Economics auf Global Turbulance“ eine solche Entwicklung konstatiert – und eine krisenhafte Zukunft vorausgesagt. Brenner prägte den Begriff der „säkularen Stagnation“, also einer lang andauernden Stagnation.

Brenners Analyse hat Charme: Sie erklärt das Ende des Nachkriegsbooms und den langsamen Abstiegs aus endogenen Tendenzen, also logischen inneren Dynamiken des Kapitalismus. Damit liegt der Schluss nahe: Wenn sie auch nur grob stimmen, dann lassen sich die Krisentendenzen nicht einfach durch eine andere Politik aus der Welt schaffen. Der entwickelte Kapitalismus stößt einfach an Grenzen, die hohe Wachstumsraten und Produktivitätszuwächse nicht mehr zulassen.

taz.am wochenende

Der 2. Januar sei der schlimmste Tag des Jahres, sagen manche. In der taz.am wochenende vom 2./3. Januar 2016 lesen Sie deshalb vom Ende des Feierns, vom Ende des Kapitalismus, vom Ende vergangener Wirklichkeiten. Außerdem geht es um Tod, um Siechtum, um Schopenhauer, Drogen und Alkohol. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Reduziertes Wachstum ist aus vielerlei Gründen ein Systemproblem. Um das zu verstehen, müssen wir einen Blick auf einen entscheidenden Faktor des Kapitalismus werfen. Was ihn so erfolgreich machte, war der Investitionskredit, also die Verschuldung. Unternehmen nehmen Kredite auf, verschulden sich, um zu investieren, aber diese Investitionen rentieren sich nur, wenn es ausreichend Wachstum gibt. Gibt es das nicht, gibt es Pleitewellen.

Wenn wir die vergangenen 20 Jahre einigermaßen nüchtern betrachten, müssen wir feststellen, dass es eine schier gigantische Kreditexplosion gab, aber nur relativ geringes Wirtschaftswachstum. Nun würde die allgemeine ökonomische Lehre möglicherweise kritisch anmerken, dass das Wachstum nicht nachhaltig sei, dass es in falsche Kanäle geleitet würde, dass das Kapital nicht an die richtigen Stellen alloziert würde, aber sie würde nicht daran rütteln, dass mit Kreditausweitung dieser Dimension erhebliches Wachstum generiert würde.

Kann man sich also vorstellen, dass der Kapitalismus ein Kaputtalismus ist, also schon das Kainsmal des Niedergangs auf der Stirn trägt?

Große Innovationen sind Geschichte

„Das Bild, das ich vom Ende des Kapitalismus habe – ein Ende, von dem ich glaube, dass wir mitten drin stecken, – ist das von einem Gesellschaftssystem im chronischen Verfall“, formulierte schon vor zwei Jahren der deutsche Sozialwissenschaftler Wolfgang Streeck.

Eine permanente Quasistagnation mit allenfalls Miniwachstumsraten, explodierender Ungleichheit, Privatisierung von allem, endemische Korruption und Plünderung, da realwirtschaftliche Profitmöglichkeiten immer geringer werden, ein daraus folgender moralischer Niedergang, ein schwächer werdender, taumelnder Westen, was Desintegrationsprozesse an der Peripherie, Krisen und Brandherde schürt.

Der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Robert J. Gordon hat untersucht, ob nicht zumindest für die USA „das Wirtschaftswachstum vorbei ist?“ Die Wachstumsraten gewannen 1750 an Dynamik, erreichten ihre rasanteste Phase in der Mitte des 20. Jahrhunderts und gingen anschließend langsam zurück. Große Innovationen, die sowohl Produktivitätsfortschritte als auch Wachstum generieren, seien Geschichte, schreibt Gordon in einem viel diskutierten Papier.

Auch die dritte industrielle Revolution mit Computerisierung und den damit verbundenen Arbeitsersparnissen habe ihre wesentlichen Effekte zwischen 1960 und den späten 1990er-Jahren gezeigt, sei aber seit den 2000er Jahren praktisch zum Stillstand gekommen. Entgegen des oberflächlichen Eindrucks hätten sich Innovationen in den vergangen 15 Jahren „auf Entertainment- und Kommunikationsgadgets konzentriert, die kleiner, smarter und leistungsstärker wurden, die aber die Arbeitsproduktivität nicht mehr fundamental veränderten“.

Das Ende der Normalität

In seinem jüngsten Buch „The End of Normal“ geht der Ökonom James K. Galbraith noch einen Schritt weiter. Die Prosperitätsphase zwischen 1850 und 1970 habe in der ökonomischen Zunft die unausgesprochene Gewissheit verankert, dass stetiges Wachstum die „Normalität“, Stagnation und Krise dagegen die „Ausnahme“ sei. Galbraiths Verdacht lautet nun: „Was unter den Bedingungen der Vergangenheit funktioniert hat, funktioniert aber möglicherweise heute nicht mehr.“

Folgt man Galbraith, tragen heute Innovationen nicht mehr nur zur Prosperität des Kapitalismus als Gesamtsystem bei. Sie haben ambivalente Auswirkungen. Die neuen digitalen Technologien dienen hauptsächlich dazu, Kosten zu reduzieren und neue Märkte auf Kosten älterer Firmen zu erobern. Das hat vor allem zur Folge, dass Arbeitsplätze vernichtet werden, ohne dass neue entstehen. Damit unterscheidet sich die gegenwärtige Innovationsphase von vorherigen: Früher verschwanden durch „schöpferische Zerstörung“ alte und oft schlechte Jobs (etwa in der Landwirtschaft), dafür aber entstanden massenhaft neue und oft auch bessere (etwa in der Autoindustrie).

Klar: Es ist längst nicht ausgemacht, dass der Kapitalismus sterben wird. Die Geschichte ist voller Zusammenbruchstheorien, die nicht eingetroffen sind. Aber zugleich sollten wir nicht allzu zuversichtlich sein, dass er überleben wird.

Angesichts dieser Symptome, die allesamt Indizien für einen chronischen Niedergang sind, tun wir gut daran, die Frage zu stellen, wie die Gesellschaft von Morgen gestaltet werden sollte, wenn die Krisenpropheten Recht haben.

Womöglich ist ja auch ein langsamer, sukzessiver Übergang vom kapitalistischen Wirtschaftssystem zu einer anderen Wirtschaftsordnung denkbar. Und, ja, vielleicht stecken wir schon in diesem Übergang. Das wäre natürlich die beste Möglichkeit. Indizien dafür gibt es.

Die Miteinander-Ökonomie

Man muss nur mit offenen Augen durch die Welt gehen, schon begegnen einem auf Schritt und Tritt Initiativen, NGOs, Firmen und Kooperativen, die alle zusammen so eine Art Netzwerk bilden, einen Nukleus eines Sozialismus neuer Art. Eine Form von Gemeinwirtschaft, von Miteinander-Ökonomie, die völlig dezentral organisiert ist – ein Sozialismus, der nichts mehr mit dem bürokratischen Moloch früherer Staatswirtschaften gemein hat.

Ihre Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden – ohne sie wäre die Krise praktisch unüberlebbar. „Ich glaube“, schreibt der britische Wirtschaftsautor Paul Mason in seinem Buch „Postcapitalism“, „dass diese Projekte uns eine Rettungsgasse bieten – aber nur, wenn diese Projekte des Micro-Levels gehätschelt werden, wenn wir sie bewerben und wenn sie geschützt werden, indem die Regierungen anders handeln.“

Vielleicht müssen wir nur lernen, die Dinge richtig zu betrachten. Wie bei diesen berühmten Vexierbildern, bei denen man, wenn man sie von der einen Seite betrachtet, etwas völlig Chaotisches, Undefinierbares sieht, und erst, wenn man richtig hinschaut, ein Bild entsteht?

Womöglich ist das mit unserer Wirtschaft nicht anders: Wir glauben, wir leben in einer Ökonomie, in der sich alles nur um Kommerz, Profit, materiellen Reichtum und den daraus resultierenden Status dreht. Alle anderen Formen von Wirtschaften erscheinen uns daher als irgendwie außerökonomisch, als Aktivität irgendwelcher Irrer mit komischen Spleens, als Beschäftigungstherapie für Gutmenschen. Seien es Selbsthilfegruppen, Tauschringe, Kooperativen oder altruistische Hilfsprojekte. Aber vielleicht sehen wir unsere Welt damit ja völlig falsch.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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36 Kommentare

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  • Guter Einstieg in die Diskussion.

    kurz:

    Profitraten können immer weiter stagnieren, deshalb gibt es auch Überakkumulation.

    Der Kapitalismus kommt deshalb aber sicher nicht an Grenzen.

    Soll nur "die Grenzen des Wachstums" oder Kapitalismus als Herrschaftssystem, und Gesellschaftsform diskutiert werden?

  • Alles schoen und gut. Was ist die alternative? Mehrere versuche mit komunismus, sozialismus sind kollabiert bzw. Werden selbst kapitalistisch (china).

    Ein stetes wachstum der weltbevoelkerung bedingt nun mal, dass mehr menschen versorgt werden muessen. Ein verzicht hilft hier temporaer, aber ein stetes wachstum der bevoelkerung bedingt einfach zwingend einen erhoehten bedarf (ackeflaechen, nahrung, kleidung, medizin).

    • @Demokrat:

      "...Mehrere versuche mit komunismus, sozialismus sind kollabiert bzw..."

       

      Und wenn die Chemiker im 19. Jhdt trotz Mißerfolgen bei stets den selben Theorien und Versuchsanordnungen stehen gelieben wären , wüßten wir heute noch nicht Sauerstoff von Stickstoff , Wasserstoff , Kolendioyid zu unterscheiden und entsprechend ihren Eigenschaften zu verwenden .

      Kollabiert ist bisher nur eine historisch , unter vergangenen historischen Bedingungen nach ungeeignetem Drehbuch durchgeführte Versuchsanordnung von Sozialismus .

      • @APOKALYPTIKER:

        Wenn sie hunderte von millionen menschen als Versuchskaninchen sehen haben sie natuerlich absolut recht. Ich sehe die welt halt nicht als drehbuch.

        • @Demokrat:

          Die "Versuchskaninchen" haben dann ja das Glück gehabt , frei zu kommen , ins Warenparadies des Kapitalismus , in die "blühenden Landschaften" . Sieht derzeit aber verdächtig eher danach aus wie "Vom Regen in die Traufe" .

  • Wenn man genau hinsieht ist es sogar logisch dass der Kapitalismus eines tages genauso implodiert wie der einstige Kommunismus. Im Kommunismus haben von Anfang an wenige alles kontrolliert bis es nichts mehr gab das es Wert war zu kontrollieren. Im Kapitalismus werden es über die Zeit immer weniger die immer mehr kontrollieren bis es nichts mehr gibt das es Wert ist zu kontrollieren. Das Ende ist das gleiche.

     

    Das Problem ist in beiden Fällen gleich: Solange es keine Trennung zwischen Kapital und Staat gibt, wird der Staat das Kontrollelement eines gesunden economischen Flusses. Steuert ein Staat die lebenswichtige Grundfrunktionen wie Infrastruktur, Basisversorgung (Wasser, Energie, Kommunikation, Gesundheit, Bildung...) und überlässt es dem Bürger ob er einen Konzern errichten möchte (Kapitalist) oder eine non profit organisation (Kommunist) könnten sogar beide in dem selben Staat funktionieren und der Markt (Bevölkerung) entscheidet über den ökonomischen Ausgang.

     

    In einem solchen System könnte ein Staat in frühem Wachstumsstadium unter Bevorzugung der kapitalistischen Ausrichtung schnell wachsen und zu einem späteren Zeitpunkt - wann immer es sich ganz natürlich ergibt - entwickeln sich Kommunen orientierte Betriebe.

     

    Voraussetzung ist:

    - Trennung von Staat und Kapital

    - Hervorragende politische und wirtschaftliche Bildung der Bevölkerung inklusive der Arbeiterklasse

    - Motivation zur politischem engagement ähnlich der 'Direkt Demokratie' wie sie in der Schweiz praktiziert wird.

     

    @AxelS

    • @AxelS:

      Und was, wenn die Mehrheit sich entscheidet, dass der Erfolg einer Firma nicht von der akkumulierten Masse an Einkommen abhängen sollte, die sie unterstützt, sondern von der Entscheidung der Mehrheit der Leute?

       

      Also sowas wie Demokratische Wirtschaft will?

    • @AxelS:

      Kapitalismus ist das Spielsystem, die Innovations-Leistung von Erfindern, Wissenschaftlern und Bürgern ist die wirkliche Veränderung-Kraft der Menschheit.

      So lange, wie es keine Kontrolle durch die Bürger in der Industrie, den Banken und bei der Aufstellung der Macht über das Kapital gibt, wird sich die Erde von dieser Infektion (mit allen Nebenwirkungen) befreien…

      Heilmittel: Demokratie überall, Freiheit für Alle und Kontrolle, d.h. Antikörper entwickeln

    • @AxelS:

      Axel , bleib' besser bei deinen Leisten .

      Und bei den Bürgern (Kaüitalisten) , die "Konzerne errichten möchte(n) ..."

      lol

  • @ANTON WAGNER

     

    Die Ressourcen sind erschöpft, und die Erde ist voller Krempel, den sich keiner mehr kaufen kann, weil die Löhne so niedrig geworden sind, daß sich kaum jemand das Produkt kaufen kann, welches er selber herstellt. Das sieht jeder. Das ist die Krise.

     

    Verzicht ja, gut und schön; aber wem wollen Sie ihn predigen? Den weltweit Lohnabhängigen, denen das Wasser schon bis zum Halse steht?

     

    Ich könnte da aus dem Nähkästchen plaudern und Ihnen erklären, daß mein finanzieller Spielraum seit ca. zehn Jahren immer kleiner wird, und daß dieser vor zehn Jahren schon unter dem Existenzminimum lag?

     

    Frohes neues Jahr wünsche ich noch!

    • 7G
      774 (Profil gelöscht)
      @mischka75:

      Es versteht sich wohl von selbst, daß nicht die Armen verzichten müssen. Hierzulande gibt es trotz großem Niedriglohnsektor noch genügend Gutverdiener, die Verzicht üben können.

  • "Man muss nur mit offenen Augen durch die Welt gehen, schon begegnen einem auf Schritt und Tritt Initiativen, NGOs, Firmen und Kooperativen, die alle zusammen so eine Art Netzwerk bilden, einen Nukleus eines Sozialismus neuer Art. Eine Form von Gemeinwirtschaft, von Miteinander-Ökonomie, die völlig dezentral organisiert ist – ein Sozialismus, der nichts mehr mit dem bürokratischen Moloch früherer Staatswirtschaften gemein hat." ...

    "Seien es Selbsthilfegruppen, Tauschringe, Kooperativen oder altruistische Hilfsprojekte. "

     

    Ja doch , Herr Misik , "Aber..." ganz ganz sicher "...sehen wir(?) unsere Welt damit völlig falsch !"

    Weil - würden solche Bedingungen im Großen realisiert und an die Stelle der erreichten hochkomplexen ,weit gefächerten , ineinander greifenden Teilung von Funktionen treten , müßte ein großer Teil der heutigen Menschheit verhungern . Diese Projekte der "Miteinander-Ökonomie" (Tauschringe et al) sind deshalb praktisch auch völlig irrelevant . Sie stellen nur eine "Wohlfühl"-Ideologie von Linken dar , die sich am Krisenkapitalismus vorbeimogeln wollen .

    Ein Sozialismus , der die erreichte arbeitsteilige hochkomplexe gesellschaftliche Produktionsmaschine weiterführen müßte , ohne ein Staatskapitalismus zu sein , d.h. ohne einen systemischen Zwang zur Kapitalverwertung , - das bliebe die Perspektive . Bei dem heutigen Stand der Technik der elektronischen Kommunikation und Vernetzung dürfte das auch vielfach leichter möglich sein als zu Zeiten des Staats(Kapitalismus)Sozialismus in den Ländern des Ostblocks .

    • @APOKALYPTIKER:

      Jetzt haste'n Vorschlag gemacht! :) :) :)

  • Kapitalismus am Ende?

    Vielleicht in der intellektuellen Leserschaft eines der reichsten Länder der Welt.

    In den meisten anderen Ländern wären die gerne da wo wir sind.

     

    Die wichtigste Systemkrise die ich derzeit sehe ist der zunehmende Glaube an die Möglichkeiten der Politik und der Glaube dass eine übergeordnete allwissende Macht regulierend alles zum Besten wenden könnte. So gesehen ist der Keynesianismus grandios gescheitert.

     

    Der Glaube die Wirtschaft oder eine wirtschaftliche Entwicklung so perfekt einschätzen zu können und regulativ zum Vorteil aller einzugreifen ist unmöglich.

     

    Ein Blick in die Arbeiten von Hayek und dem Wissen einer sich spontan einstellenden Ordnung mag hier wichtige Denkanstöße geben, auch wenn diese Visionen in in einer 1:1 Umsetzung unrealistisch erscheinen.

     

    Was wir brauchen ist Scheitern zuzulassen, bei Staaten genau wie bei große Unternehmen und nicht zu glauben alles im bestehenden übergeordneten System retten können. Hier braucht es Mut und einen optimistischen Blick in die Selbstheilungsfähigkeiuten nach Fehlentscheidungen. Da kann man ggf. sogar am meisten draus lernen.

     

    Einzig limitierende Faktoren sind nicht Innovationen oder erlahmende Erfindungen sondern eine limitierte Umwelt. Hier extermst aufzupassen auf Klima und Ressourcenschonung ist letzlich der Hauptkampfpunkt für die Zukunft.

    • @Tom Farmer:

      Hayek: Ich glaube an die Dings, äh, die ordnende Hand oder so ähnlich und das die, die, die ordnende Hand schon alles richten wird und zwar weitaus besser als der Wüstendämon mit Namen Jahwe, der in den 2000 Jahren vorher sein Unwesen getrieben hat. Aber - was hat das mit Wissenschaft zu tun?

    • @Tom Farmer:

      Hm.... und warum hat man dann die letzten 25 Jahre massiv dereguliert, wenn sich die Dinge auch von alleine hätten einrenken können? Und warum kam die Finanzkrise gerade jetzt, wo man doch alle Weichen in Richtung besser, schneller, reicher gestellt hat?

       

      Scheitern zulassen - soziale Verwerfungen und Krieg inklusive? Wohl dem, dem keine Kugeln um die Ohren pfeifen. Kommen kann das auch bei uns hier aber auch noch. Warten Sie mal noch zehn Jahre ab.

    • @Tom Farmer:

      Die Gesamtwirtschaft ist zu komplex, um sie einzelnen Ökonomen zu überlassen. Dieser Hayek ist tot und kann daher zur aktuellen Diskussion keinen Beitrag mehr leisten. Der Keynesianismus konnte gar nicht scheitern, da zwar immer und von fast jedem davon gesprochen wurde, doch nie wurde er auch nur ansatzweise angewandt. Hayek kämpft gegen den falschen Gegner. Schon Trotzki wusste, dass Stalin das Ende des Sozialismus bedeutet. Leider wurde nahezu jedes Land weltweit von diesem Gift verseucht. Eine allwissende Macht kann keine Lösung sein, doch ebenso wenig ein sich selbst überlassener Markt. Der findet zwar zuverlässig eine spontane Ordnung. Diese ist jedoch seltensten Fällen die beste Ordnung oder überhaupt eine Lösung. Mit dem Mechanismen-Entwurf geht es ohne Informationen. Mit wenigen einfachen Regeln werden aus immanent Instabilen Märkten stabile Systeme. Dieser Ordo-Liberalismus vereint das Beste zweier Welten. Statt maximaler Kontrolle reicht es am richtigen Rädchen zu drehen. Zufällig irgendwo intervenieren war gestern.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Tom Farmer:

      "Ein Blick in die Arbeiten von Hayek und dem Wissen einer sich spontan einstellenden Ordnung..."

       

      Den gleichen Glauben hatte Alan Greenspan beim Markt für Derivate. Musste dann vorm Kongress kleinlaut zugeben, dass seine Lebensphilosophie falsch war.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        ;)

         

        Mensch Farmer - so olle Kamellen -

        In echt getz mal;!¡)

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Der Artikel strotzt vor unbewiesenen Behauptungen. Ich jedenfalls kann nicht erkennen, dass der Kapitalismus dem Untergang geweiht ist. Es gibt natürlich Probleme, aber könnten die von einem anderen Wirtschaftssystem gelöst werden? Welches Wirtschaftssystem wäre in der Lage, einfach mal so 1 Million Flüchtlinge aufzunehmen?

  • Ich seh das Problem an anderer Stelle. Der heutige Kapitalismus lebt von Schulden, das ganze Geldsystem ist auf Schulden aufgebaut und genau hier muss eine Änderung stattfinden.

    ISLAND

    verurteilte 26 Topmanager und Banker zu insgesamt 74ren Haft wegen der Manipulation der heimischen Märkte und ihrer Mitschuld an der Finanzkrise im Jahr 2008.

    Im Gegensatz zu den EU-Staaten ließ Island die Zockerbanken einfach Pleite gehen, rettete sie nicht mit Steuergeldern.

    Island widerruft 2015 freiwillig seinen Beitragswunsch zur EU, trotz laufender Eingliederung. Das Land erholte sich bereits nur wenige Jahre nach der Kreis spürbar und genießt heute einen souveränen Status.

    Ist das nicht seltsam, dass es auch ohne die Rettung „systemrelevanter“ Banken funktioniert?

    Dises ist nur ein Teil der erforderlichen Umstrukturierung,

    Das Buch "Vollgeld" und der "Plan B" aus der "http://www.wissensmanufaktur.de" zeigen weitere mögliche Wege.

    Nur müssen sie auch gegangen werden. Aber dafür sind "unsere" Polititkomiker die Falschen

  • Totgesagte leben bekanntlich länger. Doch wollen wir weiter im Kapitalismus leben? Im Artikel ist von chronischem Niedergang und Krisenpropheten die Rede. Kapitalismus heißt Herrschaft des Geldes. Ist Geld ein guter Regent? Oder vertrauen wir wie im Stalinismus einer theoretischen Idee? Schauen wir auf die Karibik. Dort gilt Cuba als Diktatur und Symbol für Rückständigkeit. Doch im Vergleich mit Haiti, Jamaika und der Dominikanischen Republik kann sowohl das BIP pro Kopf als auch der allgemeine Lebensstandard mithalten, Bildungs- und Gesundheits-system gelten allgemein als überlegen. Und das nach Jahrzehnten verschärftem Embargos, wo Haiti Subventionen erhält. In der Geschichte mit Feudalismus, Merkantilismus und Manchester gab es wie beim Pendel Staatsnähe und Staatsferne Wirtschaftsformen. Nachdem nun fast alles privatisiert wurde, muss das Pendel zurück kommen und die Wirtschaft wieder stärker von der Politik gelenkt werden. Dieses Naturgesetz lässt sich auch mit Gewalt nicht bremsen. Vielmehr gilt es das Ende des Kapitalismus sowohl zu begrüßen als auch zu gestalten.

  • Genau, W I R sehen die Welt völlig falsch, wenn wir die Kreisläufe nicht wirklich verstehen:

    Das macht die Natur vor, sie lässt das Wachstum zu und gibt den anderen Lebewesen, auch Pflanzen und Mikroorganismen, die Möglichkeit, neue biologische Formen entstehen zu lassen. Diese Kreisläufe haben andere Zeitstrukturen, als die menschliche Zivilisation. Auf die Natur bezogen, wäre der Mensch das Wesen, das den Naturkreislauf zerstört und deswegen durch selbstverschuldete Katastrophen ausgelöscht oder zumindest reduziert werden muss.

    Das hiesse, wir befinden uns noch in der Naturphase. Die Zivilisation, der "Geist", die Erkenntnisfähigkeit hat unsere Gesellschaft auf eine neue, aber brüchige Basis gestellt. Die Historie gibt dafür zahlose Beispiele. Immer wenn eine Revolution ausbricht, kommt eine neue Phase. Ob sie zum Rückschritt oder zu einer höheren Stufe führt, zeigt erst die Geschichte - oder der wissenschaftliche Fortschritt .

    Daher ist mein Meinung: Der Historische Materialismus = Kapitalismus-Total ist an seiner Grenze angelangt. Was jetzt kommt, ist der "Historische Spiritualismus" - eine Ebene, die über der materialistischen Welt-Perspektive steht - und die neue Wissenschaft nach der Quantentheorie entwickelt:

    Bewusstseinsforschung! Ken Wilber et cetera.

  • Guter Artikel!

     

    Mit Globalisierung / Freihandel / Internet werden Entfernungen nebensächlich. Dies hat dazu geführt, dass sich alle Länder an den "turbokapitalistischsten" orientieren (müssen?)...

     

    Diese Vorgänge können allerdings kaum rückgängig gemacht werden und zeigen auch nur noch schonungsloser auf, woran das System krankt:

    Die Ungleichheit, sowohl im globalen, als auch im lokaen Maßstab. Dies wird dadurch verstärkt, dass an der Illusion Vollbeschäftigung festgehalten wird. Es gibt ein großes Überangebot an Arbeitskräften was die Löhne auf widersinnige Niveus absenkt.

     

    Die Lösung: Ein bedingungsloses, existenzsicherndes Grundeinkommen. Ende!

    Diese Idee muss sich nach und nach weltweit friedlich durchsetzen. Ansonsten gibts irgendwann den großen Knall...

    • @Co-Bold:

      Nö, das bedingungsloses, existenzsicherndes Grundeinkommen als Trostpflaster wäre das Schlimmste, was wir uns denken können. Wie im alten Rom als Patrizier herrschten, macht es heute der Geldadel. Ein Götz Werner braucht Kunden, mehr nicht. Brot und Spiele für die Massen. Das kann es nicht sein. Vielmehr müssen alle an den Errungenschaften moderner Technik partizipieren.

  • Träumen Sie mal nicht. Kapitalismus hin oder her: So lange Geld und Besitztum gleich Macht sind, so lange werden sich daraus weltweit ähnliche gesellschaftliche, politische, ökologische und wirtschaftliche Folgen ergeben. Nicht der Kapitalismus - er ist ein Abstraktum - wird zusammenbrechen, sondern die Gesellschaften. Wir erleben seit 1990 in vielen Teilen der Welt eine Entsolidarisierung, eine Remilitarisierung, eine Refaschisierung und eine Renationalisierung. Krieg ist längst wieder Alltag, Armut auch in Europa wieder normal.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Die Stagnation wäre per se nichts Schlimmes. Problematisch ist nur, dass eine ökonomisch-politisch dominierende Schicht auch dann auf den angemessenen Wachstum ihres Anteils nicht verzichten will (z.B. http://qpress.de/wp-content/uploads/2014/02/Diaeten-Abgeordnetenentschaedigung-2002-bis-2015-gemessen-an-Reallohn-und-Verbraucherpreisen-qpress.png).

    Da es sich um Mitglieder einer medial unterstützten Entscheidungskaste handelt, die dazu noch über jegliche legitimierte Form der Entscheidungs-/Ordnungsdurchsetzung verfügt, wird jeglicher Versuch der gravierenden Änderung, der an diesen Wohlstandsanteilen anzusetzen versucht, scheitern müssen.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      ;) - sorry zu früh am Morgen ~>

       

      Roberts feines Teil &

      Ihrs hier - als +

      Aber - ohne ~>

       

      "…wird jeglicher Versuch der gravierenden Änderung, der an diesen Wohlstandsanteilen anzusetzen versucht, scheitern müssen."

       

      "Woher willste wissen?"

      Rabbi Katz.

      kurz - Immer besser Scheitern!

      So geht das.

  • Das ist wahr....:

    „Was unter den Bedingungen der Vergangenheit funktioniert hat, funktioniert aber möglicherweise heute nicht mehr.“

    Bei Systemen ist es so: ein System zu entwickeln, zum Fliegen zu kriegen ist eine Herausforderung; das ist die eine Sache. Es entwickelt sich in die eine oder andere Richtung. Ein System zu erhalten ist eine andere Sache, aber viel schwieriger. Denn man muß auf den vorhandenen Grundlagen, die da sind aufbauen . Wir sind in der Situation, ein System erhalten zu müssen. Man macht aber den Fehler, die Dynamik innerhalb eines Systems zu übersehen. Man hält krampfhaft an den alten Strukturen, wie in der Aufbauphase nach dem Krieg fest, und übersieht ,daß alles ein Eigenleben hat.Das heißt: man reagiert mit den Mittel aus der Nachkriegszeit ( Aufbauphase ) heute auf das Eigenleben in einer Erhaltungsphase. Kann nicht gut gehen.

    Ob das vorhandene System das richtige ist, ist diskussionsfähig. Aber es ist da! Langfristig wird sich dieses System selbst zerstören, wenn die Entscheidungen so getroffen werden wie bisher. Denn dieses System ist fest betoniert und die Entscheidungsträger denken in alten Strukturen und denken nur an Machterhaltung und Festigung ihrer Positionen. Und Forschung und Wissenschaft haben bisher keinen Lösungsansatz gezeigt. Sie vernebeln nur das Grundproblem.

    Hans-Ulrich Grefe

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Egal, was es für postkapitalistische Theorien gibt: Das Zauberwort lautet: Verzicht. Wir können es uns aussuchen: Weiterhin unsere Glückseligkeit in sinnlosem Über-Konsum zu suchen oder uns darauf besinnen, was wirklich wichtig ist. Und ich denke, da gibt es eine ganze Menge Dinge, die wichtiger sind, als Prasserei und Völlerei.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Hört sich vernünftig an, leider ist der Mensch so aber nicht strukturiert.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Ihr Wort in Gottes Ohr!

      • @Markus Müller:

        Gehen sie mal mit guten Beispiel voran.

        Da wäre ihre Klospülung - in Afrika verdursten Menschen und sie spülen ihre Scheiße mit dem Tagesbedarf von 3 Erwachsenen runter.

        Nur für den "Luxus", dass es nicht stickt.

         

        Oder verzichten wir doch auf dem Luxus unsere private Meinung mit der ganzen Welt teilen zu können.