piwik no script img

Debatte Erneuerbare EnergienEEG abschaffen, CO2-Steuer einführen

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Das Erneuerbare-Energie-Gesetz sollte abgewickelt und stattdessen eine CO2-Steuer beschlossen werden. So könnte die Kohle verdrängt werden.

Sturm macht schön Strom Foto: dpa

G rüne Nostalgiker bringen sich schon in Stellung. Sollte eine neue Bundesregierung tatsächlich die Farben von Jamaika tragen, wird es Forderungen an die Grünen geben, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) als Antreiber der Energiewende wiederzubeleben. Eine Neuauflage also jenes einst so durchschlagenden Gesetzes, mit dem die erste rot-grüne Koalition zur Jahrtausendwende den Grundstein vor allem für den Solarboom legte – ehe das Gesetz nach wiederholten Deformationen als Schatten seiner selbst endete.

Doch so verlockend dies auch erscheinen mag, ein runderneuertes EEG ist der falsche Weg. Zum einen ist das Gesetz – man muss es so hart sagen – nicht mehr reformierbar. Längst ist es viel zu kompliziert: Investoren brauchen immer mehr Beratung, Rechtsunsicherheiten lähmen. Naiv wäre es, zu glauben, eine neue Regierung könnte das juristische Dickicht wieder so weit lichten, dass das Gesetz wieder praktikabel wird. Vergessen wir’s also. Zumal es auch aus einem ganz anderen Grund an der Zeit ist, die Förderung der Energiewende auf völlig neue Beine zu stellen.

Das EEG nämlich ist in einem Punkt ungenügend: Während es seine Aufgabe, Photovoltaikanlagen und Windräder durch Massenfertigung besser und billiger und damit marktfähig zu machen, mit Bravour erledigte, ging die Erzeugung von Kohlestrom in Deutschland kaum zurück. Jährlich steigende und inzwischen ungesunde Exportüberschüsse im hiesigen Strommarkt sind die Folge. Nachbarländer beschweren sich schon, dass sie unseren Überschussstrom abfangen oder zumindest durchleiten müssen.

Es ist daher an der Zeit, sich von der aktiven Förderung der Erneuerbaren radikal zu verabschieden, und das EEG nach siebzehneinhalb Jahren in Ehren abzuwickeln. (Wobei es natürlich für die Altanlagen weiterhin gelten wird, bis diese nach 20 Betriebsjahren automatisch aus der Garantievergütung herausfallen.) Um die Energiewende weiter voranzubringen, muss man nun von der anderen Seite kommen: Die Erzeuger fossiler Energien müssen finanziell dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass sie die Atmosphäre ungeniert als Müllkippe für ihre Abgase missbrauchen. Eine in Stufen ansteigende CO2-Steuer würde – angefangen bei den schmutzigsten Anlagen – die Braunkohlekraftwerke nach und nach aus dem Markt drängen, und so Überkapazitäten abbauen.

Die Erzeuger fossiler Energien müssen finanziell dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass sie die Atmosphäre ungeniert als Müllkippe für ihre Abgase missbrauchen

Endlich eine ökonomische Perspektive

Die willkommene Konsequenz wäre, dass sich die aktuell ruinös niedrigen Preise im Stromgroßhandel wieder auf einem auskömmlichen Niveau stabilisieren. Nicht nur Solar- und Windkraftanlagen würden dann ganz von allein wirtschaftlich, auch modernen Speichersystemen – die es aus technischer Sicht längst gibt – erwüchse ökonomisch endlich eine Perspektive. Aktuell wirkt die Braunkohle noch wie ein Bollwerk gegen eine marktgetriebene Modernisierung der Stromwirtschaft.

Dass solche Überlegungen auch in der Praxis funktionieren, zeigt Großbritannien. Das Land vollzieht gerade den Ausstieg aus der Kohle und fördert diesen durch eine nationale CO2-Steuer. Dadurch ist das Preisniveau im Stromgroßhandel höher als in Deutschland, was dazu führt, dass in der Grafschaft Bedfordshire soeben erstmals eine große Freilandphotovoltaikanlage eingeweiht werden konnte, die ohne Förderung auskommt. Wenn nun schon England Solarstrom wirtschaftlich erzeugen kann, sollte das in Deutschland erst recht möglich sein.

Sinnvoller wäre es, die Marktchancen sauberen Stroms durch Besteuerung des CO2-Ausstoßes zu stärken

Man hätte mit einer CO2-Steuer außerdem die lähmende Debatte über die EEG-Umlage von der Backe. Alljährlich im Oktober, wenn die neue Umlagenhöhe für das nächste Jahr veröffentlicht wird, versuchen Kritiker der Energiewende, diese als Kennziffer für die Kosten der Energiewende heranzuziehen. Dass die Zahl dazu, realistisch betrachtet, nicht taugt, geht allzu oft unter. Weniger anfällig für den kommunikativen Missbrauch wäre eine CO2-Steuer. Denn sie müsste die Bürger in der Summe gar nicht zusätzlich belasten, sofern sie aufkommensneutral angelegt, also durch den Abbau anderer Steuern kompensiert wird. Wirksam wäre sie trotzdem.

Ziel: Braunkohle verdrängen

Für das politische Ziel, die Braunkohle Schritt für Schritt aus dem Markt zu drängen, sprechen – neben dem Klimaschutz – längst auch systemische Argumente. Denn die Braunkohlekraftwerke agieren im Vergleich zu den Steinkohleblöcken erheblich unflexibler; sie überfluten die Netze selbst dann noch mit ihrem Strom, wenn Wind und Sonne gerade ordentlich produzieren. Zuletzt erkennbar Ende Oktober, als Sturmtief „Herwart“ die Netze mit Windstrom flutete, die Kraftwerke auf Basis von Braunkohle aber immer noch viele Tausend Megawatt erzeugten, während der Steinkohlestrom sich rar machte. Das Beispiel zeigte einmal mehr, dass die trägen Braunkohleblöcke angesichts steigender Erzeugungsmengen aus fluktuierenden Quellen schlicht nicht mehr systemkompatibel sind.

Welch glückliche Fügung zudem: Auch die Topologie der deutschen Stromwirtschaft kommt einem Ausstieg aus der Braunkohle entgegen. Denn diese Kraftwerke stehen allesamt in jenen Re­gio­nen, die Strom exportieren, speziell in Nordrhein-Westfalen und Ostdeutschland. Südlich des Mains, wo der Strom schon mal knapp werden kann, werden statt dessen Steinkohle und Erdgas eingesetzt. ­Somit spricht nichts gegen einen radikalen Abschied von der Braunkohle als ersten Schritt in Richtung einer kohlenstofffreien Stromerzeugung.

Kohleausstieg in der Regierungsbildung

Was heißt das alles nun für die Regierungsbildung? Die Grünen sollten über einen (Braun-)Kohleausstieg als ihr Kernthema mit Leidenschaft verhandeln und hart bleiben. Denn zumindest in der Theorie hat die Jamaika-Variante besonderen Charme: Es sind genug Themen für alle da. Jede Partei könnte auf ihrem Kerngebiet beachtliche Erfolge einfahren, wenn sie zugleich bereit wäre, den anderen Partnern bei deren Herzensanliegen ebensolche einzuräumen.

Für die Grünen ist der Klimaschutz das Kerngebiet schlechthin. Für sie sollte das Hauptziel der Koalitionsverhandlungen daher eine wirkungsvolle CO2-Steuer sein – auch wenn die Partei dafür viel Pragmatismus, und das heißt Entgegenkommen bei anderen Themen, wird zeigen müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Ich ärgere mich bei dem Thema schwarz! Die Kohlekraftwerke schaden der Umwelt unmittelbar. Dennoch haben die hirnigen Schreihälse als erstes die Atomkraft wegdemonstriert. Das halte ich zwar ansich für ein ehrenwertes Anliegen aber man hätte das mal besser hinter der Abschaltung der Kohlekraftwerke angestellt.

    Ohne Atomkraftwerke sparen wir uns sicher den einen oder anderen Unfall und einige Tote aber davon hat die Menschheit auch nicht mehr viel, wenn sie dafür in 200 Jahren vom Antlitz dieser Welt verschwunden ist.

    • @disenchanted:

      Es scheint so, als ob die Erkenntnisse bspw. des Club of Rome zum Teil erst kürzlich den Leuten vermehrt auf die Füße fällt... leider.

      Andererseits waren die 80er auch sehr vom Kalten Krieg und die Angst vor Nuklearkrieg/GAU (Tschernobyl) geprägt...

      Wer weiß, vielleicht hätte es ohne die bereits erfolgten Außerbetriebnahmen von deutschen AKWs noch einen GAU gegeben...

      Naja, und meiner Ansicht nach reicht ein Kohleausstieg nicht aus, um Klimawandel, Gesundheitsgefährdung von Mensch und Tier und Umweltzerstörung aufzuhalten. Aber versuchen Sie doch mal Ihre nächsten Mitmenschen von quasi veganer Ernährung, Urlaub ohne Flugzeug, Autoverkauf, Degrowth, Abschaffung des Kapitalismus ... zu überzeugen. Damit will ich nicht sagen, dass dies alles unwichtig ist, sondern aufzeigen, wie schwer es ist, Menschen zu Einstellungs/Verhaltensänderungen und politischem Engagement zu bewegen.

  • Wichtig am EEG war auch und besonders die Abnahmegarantie: Die Netzbetreiber durften sich nicht weigern, den Strom anzunehmen und zu bezahlen.

     

    Das erst hat eine Dezentralisierung der Erzeugung ermöglicht.

  • Dass man hier in einem so entscheidenden Augenblick für den Klimaschutz, eine so unfundierte Meinung publiziert, ist sehr beunruhigend (Hallo, ist das die TAZ?). Das EEG sollte natürlich wieder vereinfacht werden, keine Frage! Warum sollte das denn nicht gehen, man hat es ja auch mutwillig verkompliziert?? Hier fehlt jegliche rationale Begründung: Warum soll man ein effektives Ausbaugesetz, welches man umgebaut hat, um den Ausbau faktisch zu torpedieren, nicht im Sinne der Klimaschutzziele neufassen?

    Vor allem wird vom Autor der ökonomische Wirkmechanismus des EEG vollständig verkannt: Das EEG ermöglicht es, mit der Verbrennung von fossilen Energieträger verbundenen Zahlungsströme durch Anlageninvestitionen in seriell erstellte Güter (im Wesentlichen Einmalinvestitionen) zu ersetzen, welche 30 Jahre treibstofflos und emissionsfrei Energie zur Verfügung stellen (können). Der staatlich garantierte Mindestabnahmepreis (obwohl unter dem realen Marktwert bei einem Direktverkauf) ist somit der entscheidende Faktor, um die Investition auszulösen, da ein einzelner privater Abnehmer in der vergleichsweise langen, zur Refinanzierung der Investition notwendigen Zeit ausfallen könnte. Ohne EEG als Ausfallversicherung (Minimalpreisgarantie im Falle Wegfall des einzelnen Energieverbrauchers/privaten Vertragpartners), werden nur Energieversorger mit anlagenunabhängigem Kundenstamm das mit langfristigen PPAs/Stromabnahmevereinbarungen verbundene Risiko in relevantem Maßstab beherrschen können. So wird aber ein für den Klimaschutz ausreichender (=kleinteiliger dezentraler Ausbau) nicht stattfinden, da klassische Energieversorger hier mit ihren Renditeerwartungen und pyramidalen Organisationsmodellen keine entscheidende Rolle spielen werden können.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Klimaschutz ist kein 'Thema' nur für Grüne.

    Der Autor spricht von sog. Kerngebieten, und vergisst, wir befinden uns im Jahr 2017.

    Umwelt, Wirtschaft oder Landwirtschaft etc., alles greift ineinander und kann nicht auseinanderdividiert werden.

    So gesehen hat die "Jamaika-Variante" für mich keinen besonderen Charme, auch nicht in der Theorie.

  • 2G
    21272 (Profil gelöscht)

    Wenn das Preisniveau im Stromgrosshandel kuenstlich angehoben wird, werden natuerlich auch die Preise fuer den Vebraucher steigen, die hierzulande jetzt schon weltweit mit die hoechsten sind. Wer das will, soll weiter gruen wahlen.

  • Super Idee! Mit einer CO2 Steuer kann man dann von jeder Öl/Gas Heizung schön kassieren und der Privathaushalt zahlt die Zeche wie zuvor.

    • @Günter Witte:

      Fragt sich, wie das im Detail aussehen soll.

      Eine generelle CO2-Besteuerung wäre zumindest ein Schritt innerhalb dieses Systems. Konsequenterweise sollten generell fossile Energieträger besteuert werden: Benzin, Diesel, Schweröl, Kerosin... neben bereits genannter Kohle.

      Ihre Befürchtung kann ich aufgrund der bisherigen Praxis, der Ausklammerung der Industrie bei dem Einbezug von Steuern, nachvollziehen.

      Privathaushalte mit geringem Einkommen müssten entsprechend berücksichtigt werden. Es gibt ja durchaus noch einige, die mit Kohle heizen. Das sind sicherlich nicht Reiche.

      In Bezug auf Öl-Heizung - bei gleichzeitiger finanzieller Förderung von Modernisierung wie Kraft-Wärmekopplung könnten die Belastungen bspw. minimiert werden.

       

      Letztlich müssten Veränderungen tiefgreifender sein - Systemfrage stellen anstatt sich über Konzerne aufzuregen und versuchen diese mit geringen, verzögerten Effekten zu reglementieren und kontrollieren.

  • Eine CO2-Steuer wuerde das EEG nicht ueberfluessig machen: zu kurz gedacht.

    Mit der CO2-Steuer wuerden dann schlagartig alle neuen Energieinvestitionen die billigste Form der nachhaltigen Energieerzeugung fliessen, alle anderen Erneuerbaren wuerden nur ein Nischendasein fristen.

    So eine einseitige Energieerzeugung kann aber keine Basis sein: deshalb muessten andere erneuerbaren Energien weiterhin gefoerdert werden, allerdings auf einem viel niedrigeren Niveau als heute.