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Debatte China und NordkoreaPeking weiß nicht mehr weiter

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

Trump gibt China die Schuld für Nordkoreas fortlaufendes Atomwaffenprogramm. Aber Peking hat auf das Regime keinen Einfluss mehr.

Nicht mehr sonderlich zugänglich, aber fröhlich Foto: reuters

E infach war das Verhältnis zwischen China und Nordkorea auch früher nicht. Schon Nordkoreas Staatsgründer Kim Il Sung, der Großvater des heutigen Machthabers, wusste die Feindschaft zwischen China und der damaligen Sowjetunion bestens zu nutzen. Mal kooperierte der alte Kim mit dem einen, mal mit dem anderen – stets zu seinen Gunsten.

Trotzdem konnte Nordkorea auf Chinas schützende Hand setzen. Selbst als sich das Verhältnis unter dem jetzigen Machthaber Kim Jong Un ab 2012 deutlich verschlechterte und der junge Kim begann, unterirdisch mit Atombomben zu zündeln und oberirdisch Mittelstreckenraketen abzuschießen, zeigte sich Peking zwar wenig erfreut. Doch die chinesische Führung versuchte beschwichtigend auf alle anderen Konfliktparteien einzuwirken. Nordkorea konnte sich dabei Chinas Unterstützung sicher sein.

Sosehr sich die beiden Bruderstaaten ideologisch und ökonomisch voneinander entfernt haben – das Regime in Pjöngjang weiß: Als Pufferstaat ist den Chinesen der letzte verbliebene Stalinistenstaat auch weiter wichtig. Denn nichts fürchtet Peking mehr als Tausende von US-Soldaten direkt vor der mehr als 1.000 Kilometer langen koreanisch-chinesischen Grenze.

Doch was sich in den vergangenen Wochen in den Beziehungen zwischen Peking und Pjöngjang abgespielt hat, war denn doch deutlich mehr als die üblichen Unmutsbekundungen, die beide Seiten hinter blumigen Floskeln stets zu verstecken wussten. Nordkoreas Hasstiraden, die sich immer gegen die Erzfeinde Südkorea, Japan und den imperialistischen Oberklassenfeind USA wandten, richten sich nun auch gegen den großen Bruderstaat China.

Permanente Konfrontation

Pekings Vorgehen sei gleichbedeutend mit dem eines feindlichen Staates, „der nach der Pfeife der USA tanzt“, wetterte Nordkoreas amtliche Nachrichtenagentur KCNA vergangene Woche. China hatte kurz zuvor, den UN-Sanktionen folgend, die Einfuhr nordkoreanischer Kohle gestoppt. In dem Artikel wurde China zwar nicht namentlich erwähnt, sondern als „ein benachbartes Land, das sich oft als ein freundlicher Nachbar“ bezeichnet. Doch es ist offensichtlich: Pjöngjang setzt nun auch gegen China klar auf Konfrontation.

Und zwar nicht nur verbal. Eine Reihe namhafter Nordkoreaexperten mutmaßt, der brutale Mord im Februar an Kim Jong Nam, dem Halbbruder des nordkoreanischen Machthabers, habe sich explizit gegen Peking gerichtet. Der Diktator sei schon seit einiger Zeit von der Angst getrieben, China könnte mit dem älteren Halbbruder eine „Marionettenregierung“ installieren.

Es ist offensichtlich: Pjöngjang setzt nun auch gegen China klar auf Konfrontation

Entsprechende Gespräche soll es nach Angaben von nordkoreanischen Exilregierungen gegeben haben. Inwiefern Chinas Führung unmittelbar an diesen Plänen beteiligt war, ist nicht erwiesen. Fakt ist: Der Halbbruder Kim Jong Nam war bis zum Schluss ein gern gesehener Gast in Peking und durfte sich mit seinem Wohnsitz in Macao auf chinesischem Territorium aufhalten.

Sicherlich buhlt der junge Diktator derzeit auch um die Aufmerksamkeit des frisch gewählten US-Präsidenten Donald Trump. Das Ziel des nordkoreanischen Diktators sei es, die USA an den Verhandlungstisch zu bringen, vermutet der Politologe Narushige Michishita vom National Graduate Institute for Policy Studies in Tokio.

Demonstrativer Angriff

Im Wahlkampf hatte Trump diese Hoffnung mehrfach genährt. Davon ist er aber schon wieder abgewichen. Nun versucht Kim, mit Provokationen auf sich aufmerksam zu machen. Das gelingt ihm schon mit dem bloßen Abfeuern einer Rakete – so geschehen, als Japans Premierminister Abe Anfang Februar Trump auf seinem Landsitz in Florida besuchte und Nordkorea mal wieder eine Mittelstreckenrakete in Richtung Japanisches Meer abfeuerte. Kim wusste alles Augenmerk auf sich. Mit dem Giftanschlag auf seinen Halbbruder geht Kim aber noch einen makabren Schritt weiter.

Wenn es ihm „nur“ darum gegangen wäre, seinen Halbbruder umzubringen, hätten ihn Auftragskiller in eine dunkle Gasse locken und erschießen können. Stattdessen hat sich das Regime offenbar dafür entschieden, eines der gefährlichsten und daher weltweit geächteten Gifte einzusetzen – und das auch noch an einem Ort wie dem internationalen Flughafen der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur. Auch nordkoreanischen Agenten dürfte nicht entgangen sein, dass auf einem so modernen Flughafen jeder Winkel von einer Kamera überwacht wird und diese Bilder – wie dann auch geschehen – um die ganze Welt gehen.

Nicht nur der Brudermord an sich, sondern auch die Art und Weise, wie er ausgeführt wurde, ist eine Botschaft – gerichtet an den Rest der Welt, dass das Regime keine Hemmungen hat, weltweit geächtete Chemiewaffen einzusetzen. Eine Botschaft aber auch an Peking, sich ja nicht an einem Re­gime­wechsel in Pjöngjang zu beteiligen.

Kein direkter Draht zum Regime

Der Konflikt um Nordkoreas fortschreitendes Atomwaffenprogramm ist nicht erst seit dem Amtsantritt von Donald Trump komplizierter und damit auch auswegloser für die Weltgemeinschaft geworden. Wenn Trump in seiner vereinfachenden Denkweise nun meint, er müsse bloß den Druck auf die chinesische Führung verstärken, damit diese das brutale Kim-Regime bändigt, dann irrt er. Peking hat diesen Einfluss auf Pjöngjang gar nicht mehr. Spätestens seit der junge Kim 2012 auch seinen Onkel erhängen ließ, die damalige Nummer zwei im Arbeiterstaat, hat China keinen direkten Draht mehr zum Regime. Sehr wahrscheinlich waren es eben diese guten Kontakte des Onkels nach Peking, die ihm zum Verhängnis wurden.

Doch wenn auch Peking als Vermittler ausfällt – wer könnte dann noch auf das international isolierte Regime einwirken? Trump selbst. Er sollte tatsächlich, wie im Wahlkampf angekündigt, das Gespräch mit dem Jungdiktator suchen. Genau darauf hofft Kim. Sosehr das bitter aufstößt, weil es als Zugeständnis an den brutalen Diktator verstanden werden könnte: Bei einem Gegner, der ansonsten schon bald Atomwaffen einzusetzen bereit ist, dürfen solche Befindlichkeiten auch mal keine ganz so große Rolle spielen.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Chinas Regierungsnachrichten aus Beijing im Wortlaut:

     

    Nordkorea: Südkorea und die USA wollen Staatssystem Nordkoreas stürzen

     

    »Die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA hat am Mittwoch in einem Artikel Südkorea und die USA kritisiert, durch den Mord an Kim Chol in Malaysia Nordkorea in Verruf zu bringen und das Staatssystem des Landes umstürzen zu wollen.

     

    Die Behauptung Südkoreas und der USA, dass der Nordkoreaner Kim Chol durch VX-Nervengas und von Nordkorea ermordet worden sei, sei wissenschaftlich und logistisch absurd. Rettungsleute und Polizisten seien schließlich auch nicht vergiftet worden. Der Flughafen Kuala Lumpur sei auch nicht wegen des Vorfalls gesperrt worden, hieß es im Artikel.

     

    Laut Vorschriften der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) seien Analysen von zwei verschiedenen Fachlaboren notwendig, um das endgültige Ergebnis festzustellen. Malaysia hätte ohne Analyse Nervengas als Todesursache festgelegt. Dieses Vorgehen sei unwissenschaftlich, bekräftigte die KCNA.

     

    Südkorea habe behauptet, dass die Täter nordkoreanische Spioninnen seien und Nordkorea Chemiewaffen verwendet hätte. Diese Behauptungen seien identisch mit den Behauptungen rund um den Irak-Krieg. Das Ziel der beiden Länder sei, Nordkorea zu unterdrücken und Krieg gegen Nordkorea zu führen. Sollten Südkorea und die USA ihre politischen Aktionen fortsetzen, werde Nordkorea stärkere Selbstverteidigungsmaßnahmen ergreifen, um die Souveränität und die Würde des Landes zu wahren, so der KCNA-Artikel weiter.«

     

    Quelle: China Internet Information Center (CIIC, Beijing) am 02.03.2017

  • Bricht Nordkorea zusammen, hat Südkorea ein Problem, das weit heftiger sein wird, als der Zusammenbruch der DDR.

    • @Jürgen Matoni:

      Deshalb hat es daran auch kaum ein Interesse. Aber eine weniger "verrückte" Führung wäre wohl für alle angenehm.

  • "China könnte mit dem älteren Halbbruder eine „Marionettenregierung“ installieren."

     

    China wird einen Weg finden, Kim zu beseitigen. Im Extremfall eskaliert die Situation so weit, dass die Welt einen Einmarsch begrüßt. Kim hat im Land eine Atmosphäre geschaffen, die auch den hohen Militärs keine Sicherheit mehr bietet. Im Erstfall werden sie dem Geldkoffer aus Peking gehorchen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ein skurilles Szenario:

      Wenn China militärisch in Nordkorea eingreift müsste es ja eigentlich sanktioniert werden. Es würde sich immerhin um einen Bruch des Völkerrechts handeln. Und nichts ist der internationalen Gemeinschaft heiliger. Also zu mindestens seit der Krim-Annektion.

      Aber es ginge noch schräger: Die USA und Südkorea unterstützen Nordkorea gegen China.

      • @Victa:

        "Wenn China militärisch in Nordkorea eingreift müsste es ja eigentlich sanktioniert werden."

         

        Wenn die Situation richtig gefährlich wird, könnte der Weltsicherheitsrat ein Mandat erteilen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Hoffentlich denkt die chinesische Regierung genauer nach!!!

       

      Bei einem Einmarsch würde die chinesische Regierung Raketenangriffe auf chin. Städte riskieren. Shanghai, Hongkong, Macau und Beijing sind Ziele, die für die nordkoreanischen Raketen erreichbar sind.

       

      Der Regierung und der Bevölkerung Chinas ist das sehr bewusst. Denen ist auch bewusst, dass die nordkoreanische Führung Giftgas, spaltbares Material und Atombomben besitzt und keine Skrupel davor hat, es auch einzusetzen, wenn es um das Überleben der Führungsspitze geht.

      • @Martin74:

        Als Notbremse.

         

        Ohne entsprechende Vorbereitung geht so etwas natürlich nicht. Zum einen gehe ich davon aus, dass Kim in der politischen Kaste nicht sehr beliebt ist. Noch viel schlimmer als unter seinen Vorgängern kann sich niemand mehr seines Lebens sicher sein. Dazu kommt, dass ein Bruch mit China die Quelle versiegen lässt, die der Führung ein wesentlich besseres Leben als der Bevölkerung erlaubt. Allein hat die Oberschicht in Nordkorea auf Grund des Terrors kaum eine Chance, Kim loszuwerden. Im Falle eines Eingriffs Chinas werden aber viele die Möglichkeit nutzen, die Seiten zu wechseln. Besonders, wenn noch viele Koffer mit Geld im Spiel sind. Es ist also sehr fraglich, ob die Befehle Kims zum Kampf überhaupt ausgeführt werden.

         

        Zum anderen werden die Fähigkeiten Nordkoreas häufig überschätzt. Es kann zwar Atomexplosionen auslösen, aber das heißt noch lange nicht, dass es auch wirklich eine einsatzfähige Bombe hat. Auch die Raketen sind nicht so toll, wie Kim es der Welt gern weismachen will. Trotz der Fortschritte, die das Regime macht. Die meisten Raketen fallen vorzeitig ins Meer. Kim ist noch ein ganzes Stück davon entfernt, die Fähigkeiten anderer Atommächte zu erreichen. Um wirklich effektiv angreifen zu können, muss er Raketen großer Reichweite haben, die entweder verbunkert oder mobil sind. Beides hat er nicht.

         

        Zusätzlich verstärkt China (und auch Russland) die eigene Raketenabwehr in der Region. Richtig geplant und vorbereitet ist eine solche Aktion also mit einem überschaubaren Risiko behaftet. Besonders wenn die Gefahr besteht, dass Kim seine Waffen tatsächlich einsatzbereit bekommt und völlig unberechenbar wird.

         

        Alles in Allem keine gute Sache aber einen vielleicht notwendige Notbremse.

  • Kein Einfluss auf Nordkorea? Nicht nachvollziehbar! Fakt ist doch, dass Nordkorea ohne die Chinesen schon längst nicht mehr existieren würde. Nur mit massiver politischer und ökonomischer Unterstützung durch die Chinesen ist dieses Regime überhaupt lebensfähig. Würde China endlich den Stöpsel ziehen, wäre Nordkorea am Emde.

    In Wahrheit aber ist es so, dass die Chinesen Nordkorea weiter stützen und protegieren, alleine schon deshalb, um mittels dieses Regimes den "Westen" zu provozieren und auch von eigenen Umtrieben abzulenken.

    • @Georg Dallmann:

      Ganz so einfach ist die Welt nun auch wieder nicht. Nur weil Nordkorea grundsätzlich von China abhängig ist, kann China in Nordkorea noch lange nicht schalten und walten wie es will. Kim weiß das. Und er nutzt seine Freiräume. Ich gehe aber davon aus, dass er den Bogen überspannt hat. Mit seinen ständigen Raketenabschüssen und Drohungen hat er für die USA einen Vorwand geschaffen, vor Chinas Haustür ein Raketenabwehrsystem zu installieren, dass natürlich auch die chinesischen Möglichkeiten einschränkt. Ich gehe also davon aus, dass man in Peking nach Möglichkeiten sucht, Kim durch etwas zeitgemäßeres zu ersetzen. Leicht ist das nicht. Kim übt einen enormen Terror aus, um an der Macht zu bleiben. Und natürlich hat China auch kein Interesse daran, dass ein Sturz Kims zu einem einigen Korea führt, das mit den USA verbündet ist.