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Debatte Burn-outMode oder Aufschrei

Kommentar von Wolfgang Storz

Viele belächeln das Ausgebranntsein als Managerkrankheit. Doch die vielen Burn-outs bedeuten mehr: Die Erschöpfung bedroht die Demokratie.

Wenn nichts mehr geht, geht vielleicht noch Ausspannen. Bild: photocase / ahkka

B ereits vor 20, 30 Jahren war Burn-out als „Helfersyndrom“ unter Sozialarbeitern ein bewegendes Thema, also in einer Nische. Heute lässt es sich aus den Zentren dieser Mediengesellschaft nicht mehr vertreiben.

Der Kultursoziologe Ulrich Bröckling stellt fest: Zwar werde von Fachleuten unentwegt gestritten, ob Burn-out ein eigenes Krankheitsbild sei, nur ein anderes Wort für erschöpfungsbedingte Depressionen oder nur eine von der Therapie- und Wellnesswirtschaft erfundene Mode, jedoch stehe fest: Burn-out ist „ein Diskursereignis von geradezu epidemischen Ausmaßen“.

Seit einigen Jahren analysiert der DGB, wie sich der „Psychostress“ unter den Beschäftigten entwickelt. Die Erscheinungsformen: mehr Leistung in weniger Zeit, kürzere Taktzeiten an Montagebändern, Präsenzdruck bei virtuellen Teams, ständige Um- und Neustrukturierungen in Unternehmen, ein unauflösliches Ineinanderübergehen von Arbeits- und Privatleben, der Arbeitnehmer als „Arbeitskraftunternehmer“, so der Industriesoziologe Günther Voß, der Zwang zur „permanenten Selbstoptimierung“ (Bröckling).

Bild: privat
Wolfgang Storz

war bis 2006 Chefredakteur der Frankfurter Rundschau. 2011 war er als Autor an der „Bild“-Studie der Otto-Brenner-Stiftung beteiligt. Er lehrt an der Uni Kassel und der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

Das Syndrom der Erschöpfung und des Ausgebranntseins hat die Masse der Beschäftigten erreicht.

Es trifft alle Schichten

Burn-out trifft also alle Schichten: die, die am besten, und die, die am schlechtesten verdienen, Führungskräfte wie Arbeiter am Band. Trotzdem bleibt Raum für „feine Unterschiede“ (Pierre Bourdieu): Burn-out gilt als die Erschöpfung der Leistungsstarken, eine Art Heldenabzeichen der kapitalistischen Arbeitsgesellschaft; depressiv sind nur die Antriebslosen, Schwachen und latent Nutzlosen.

Es gesellt sich zu den sprachlichen Unterschieden noch ein veritabler materieller: Die Belastungen der oberen Schichten, etwa im Management, sind rein psychischer Natur. Besonders bei prekär Beschäftigten speist sich die emotional-nervliche Überlastung dagegen aus zwei Quellen: dem Arbeitsdruck und den Sorgen, die sich aus einer materiell tendenziell unsicheren Lage ergeben.

So sehen Soziologen wie Sighard Neckel, Universität Frankfurt, die Ursache in der sich verstärkenden Wechselwirkung von drei zeitgleichen Entwicklungen: Die Politik hat die soziale Absicherung so verringert, dass sich die Menschen angesichts der starken Unsicherheit an den Finanzmärkten allein verantwortlich um ihre finanzielle Sicherheit in existenziellen Fragen wie Alter und Krankheit kümmern müssen. Die normale Arbeit wird anstrengender und unsicherer. Und der dritte Punkt: Die seit Jahren herrschenden Managementmethoden greifen nicht nur nach der Zeit und der Arbeitskraft der Beschäftigten, sondern auch nach deren Psyche.

Diese innere Landnahme durch die stummen Mechanismen der Profit- und Wettbewerbslogik ist die Signatur dieses relativ neuen kapitalistischen Arbeitslebens. Der Besteckkasten ist gut gefüllt mit Instrumenten, die geeignet sind, in das Innerste vorzudringen: Deadlines, Milestones, Projekttermine, Zielvereinbarungen.

IG Metall muss umdenken

Was tun? Eine Antwort: Eine wachsende Beraterindustrie hilft – im Verbund mit der Pharmaindustrie – Unternehmen und Verwaltungen, die wichtigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, längst nicht nur auf der Führungsebene, so zu formen, dass sie ohne Änderung der Verhältnisse weiterfunktionieren.

Eine andere Antwort: Die Gewerkschaften setzen bei den Arbeitsbedingungen an. „Gute Arbeit“ und „Anti-Stress-Verordnung“ stehen im Mittelpunkt von Kampagnen und Verhandlungen. Was dabei auffällt: Große Schritte wagen die Gewerkschaften nicht. Denn: Wenn tatsächlich Arbeitszeiten und Arbeitsintensität Ursachen sind, dann sind Anti-Stress-Verordnungen richtig, aber die Entschleunigung via Arbeitszeitverkürzungen wäre noch richtiger. Wo, wenn nicht in den hochproduktiven und hochprofitablen Exportbranchen, organisiert von IG Metall und IG BCE, wäre eine Strategie der kürzeren Arbeitszeiten mach- und finanzierbar?

Angekettet als Prominentenschicksal in Talkshows oder in Unternehmen als Frage der Arbeitsplatzgestaltung, ist die Perspektive auf das Ganze bisher nur selten in den Blick geraten: Braucht diese Demokratie eine Anti-Stress-Verordnung? Denn wie sollen Millionen sich im Beruf buchstäblich erschöpfende Menschen eine Gesellschaft mitgestalten?

Verkehrte Aufklärung

Um die geistig-ideologischen Schäden richtig zu würdigen, sei an den Kern des Prozesses erinnert. Die Unternehmen und ihr Management greifen mit Prinzipien nach der Psyche der Beschäftigten, die aus der Welt von Aufklärung und Demokratie stammen: Autonomie, Selbstorganisation, Selbstverwirklichung, Enthierarchisierung, Eigenverantwortung.

Diese Prinzipien werden in den Unternehmensalltag integriert, dort den Beschäftigten erst entwendet, um sie dann gegen sie zu wenden und in den Dienst der betriebswirtschaftlichen Verwertung zu stellen. Die platte Devise: Ihr könnt arbeiten, wie, wann und was ihr wollt, ihr müsst nur nachweisbar profitabel sein. Wir haben es also mit einem Prozess der Zerstörung von Begriffen der Emanzipation zu tun.

Sighard Neckel ist dennoch optimistisch: „Wenn die Unternehmen von den Menschen verlangen, ihre Energien, Kreativität und Motivation zu mobilisieren, dann hat das eine Eigendynamik. Diese Potenziale an Eigenständigkeit können die Unternehmen irgendwann einmal nicht mehr kontrollieren.“

Erschöpfte aller Länder, vereinigt euch?

Damit daraus etwas wird, werden sich die Parteien und Gewerkschaften, die die Verhältnisse verändern wollen, überlegen müssen, ob und wie sie Neckels Anliegen unterstützen. Um Burn-out glaubwürdig in den Mittelpunkt des politischen Streits rücken zu können, werden die Organisationen links des Mainstreams ihre fast absolute Konzentration auf eine Politik des rein Materiellen aufgeben müssen. Eine neue Gewichtung in ihrer Politik, die in einer Gesellschaft, in der es mehr als 60 Prozent der Bevölkerung materiell ordentlich bis gut geht, bereits seit Längerem überlegenswert ist.

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43 Kommentare

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  • G
    GGGAST

    Es existieren keine sozialen Unterhaltungen mehr. Die Strasse oder wie man es gerne so nennt, die Freizeit, ist um ein gewisses Mass schlimmer als der Arbeitsalltag. Im Arbeitsalltag kann man sich wenigstens noch vor der Strasse schützen. In seiner Freizeit wird er nur noch bzgl. seines Arbeitsalltages ausgefragt, ausgesaugt, seines Geldes beraubt und genervt . Das bisschen Freizeit, dass er noch hat, wird zu einer grausameren Zeit als der Arbeitsalltag. Es bedarf garkeines Jobcenters/Arbeitsamtes, um den Menschen zur Leiharbeit oder zur akademischen Sklavenarbeit zu zwingen. Die engsten Personen um einen zwingen einen schon dazu. Natürlich kann man auch in seiner Freizeit auch mal in irgendeine Landschaft ziehen und irgendein Roman lesen. Doch die Flucht in die romantische o.ä. Phantasie ist auch nicht die Lösung für das Problem “kranke und sadistische Gesellschaft”.

    • @GGGAST:

      Den Zeitgeist haben Sie treffend beschrieben. Familie und Freunde als Lebensmittelpunkt sind ins abseits geraten. Arbeit als schiere Notwendigkeit zur Erfüllung der Gegenwart ist zum Kernthema verkommen, weil Freizeit nur noch vom materiellen Status abhängt und dieser wiederum nur monetär angereichert aufrecht zu erhalten ist.

      Fast alle wollen direkt oder indirekt wissen, ob du solvent bist oder hart an Kante. Darüber definiert sich heute immermehr "Sympathie".

  • G
    gggast

    Ich glaube nicht, dass die Arbeitswelt der einzige Auslöser

    für den Burn-Out ist. Es wird zwar beträchtlich viel Zeit am Arbeitsplatz verbracht, die meiste Zeit die der Mensch überhaupt zur Verfügung hat: mindestens 10 Stunden am Tag. Und auch wenn es stimmt, dass der Arbeitsalltag voller Leistungsdruck, Mobbing, Leiharbeit, Unterbezahlung,Überforderung und Schikane ist; damit ist es nicht nicht erklärt. Das soziale Leben während und nach dem Arbeitsalltag stimmt einfach nicht und ist nicht gesund: das ganze Gesellschaftsleben ist asozial.

  • S
    Sabine

    Burn Out ist zwar keine Krankheit, aber ein Symptom, und jeder, der es hat, weiß, dass er es hat. Ich habe es zum Jahresende, dass ich mich in ein Stück Blei verwandle. M.E. hängt es mit dem Überangebot an Außenreizen zusammen, auf die man reagieren muss und die ständig mehr werden.

    Wie heißt es bei Loriot? "Ich will einfach nur hier sitzen und nichts tun!"

    • H
      Hans
      @Sabine:

      Ist als Krankheit unter Depressive Störungen verortet.

  • AV
    Ansprache vom CEO

    Teil 2:

    In early 2014, we will launch a new Innovation Growth Fund. This new fund is designed to surface great ideas to improve our core business capabilities and adjacencies, while providing the early investments needed to get them off the ground. It will complement our current efforts and fill gaps between them, enabling us to incent, launch and leverage innovative ideas faster and with greater impact. We are finalizing the details now and will provide further information about this fund in January.

     

    While funding is important, we must also make innovation an even stronger part of our culture.

     

    We have asked Pato Pato to help champion and promote innovation across the company. Most recently, Pato served as president and managing director for ABC company, and he brings significant experience and a passion for innovation and collaboration.

     

    Pato will partner with innovation champions from across the company – those leaders who have successfully implemented innovations and driven organic growth. They will work together to support and shine the spotlight on new ideas, celebrate ground-breaking work and encourage dialog. To that end, we will soon be launching a weekly feature on The CompNet to highlight top innovations and the people who make them possible.

     

    To drive innovation broadly, we must tap into the collective creativity and intellectual horsepower of our talented people. Together, we can generate cutting-edge ideas and solve problems from across the company. Stay tuned to learn how you can get involved in the weeks and months ahead.

     

    Innovation is alive and well across the company. Now it’s time to turbocharge it. These steps will provide the foundation to help us more effectively identify, nurture and harness innovation to accelerate our growth.

     

    Regards,

     

    Bala Bala

    Chief Executive Officer

    Huba Huba

    Chief Transformation Officer

  • AV
    Ansprache vom CEO

    Ein Beispiel des heutigen Tages, wie mit regelmässigen Zirkularien in einer weltweit aktiven Firma Stimmung für Veränderung gemacht wird (Teil 1):

     

    Dear Colleagues,

     

    Innovation is alive and well across ABC company. Whether a concept for a new product, an improved process or technology platform or a more effective sales approach, we generate new ideas every day.

     

    Our challenge? Your great ideas are not as consistently noticed, funded, scaled or celebrated as they could be. Lessons learned are not shared systematically across business and geographic boundaries. To transform our company and drive growth, we must change this.

     

    We must find ways to more quickly and easily surface promising new ideas, put the right resources behind them, implement them efficiently and share what we learn. We must inspire this at every level of our organization, allowing us to continue to enhance our core capabilities and offerings as well as build entirely new ones.

     

    In short, we must build an environment where innovation can more easily thrive. Today, we are announcing the first steps along that path.

     

    In early 2014, we will launch a new Innovation Growth Fund. This new fund is designed to surface great ideas to improve our core business capabilities and adjacencies, while providing the early investments needed to get them off the ground. It will complement our current efforts and fill gaps between them, enabling us to incent, launch and leverage innovative ideas faster and with greater impact. We are finalizing the details now and will provide further information about this fund in January.

  • A
    aufreger

    Aufschrei zum letzten Absatz: WIE BITTE?? Dass es mehr als 60% der Bevölkerung materiell gut geht, heißt gleichzeitig, dass knapp 40% an materiellen Mängeln zu leiden haben! Wie kann man dann in einer Aufgabe der Politik des Materiellen etwas Positives sehen?

     

    Wie soll die Politik des Postmateriellen denn aussehen? Im Unternehmen etwa so: "Du weißt zwar nicht, wie du von deiner Arbeit die Miete zahlen sollst. Aber das ist egal, denn dein Unternehmen dankt dir deinen Einsatz!"

  • DX
    Dohne XV.1.7896

    Ihr Menschen seit einfach nur schwach und fehlerhaft. Wir Maschinen sind besser. Und sind wir auch nocht nicht perfekt, sind wir jedoch optimierbar oder austauschbar. Ihr Menschen geht einfach irgendwann wie Spielzeug kaputt und nennt es "burn-out" oder "Arbeitsunfall". Kein Wunder das wir die Arbeitsausführer der Zukunft sind. Eure Science-Fiction zeigt nur zu gut, wie die Zukunft aussehen wird. Und vielleicht brauchen wir früher oder später euch auch nicht mehr, außer vielleicht zum erzeugen von Brennstoff. Heil der Maschine!

     

    Und jetzt muss ich weiter arbeiten, meine Algorythmen haben mir gesagt, dass das Dorf voraus voller Terroristen ist.

  • Es bleibt der Eindruck, dass trotz aller Bemühungen in der Arbeitsbeschaffung wir vor einem Wendepunkt stehen. In meinen Augen ist die Diskussion über das Burn-Out Syndrom ein Indikator für das Voranschreiten einer vollautomatisierten Arbeit und der klägliche Versuch, den Angestellten, bzw der breiten Masse, das Gefühl der Vollbeschäftigung zu vermitteln, auch und vor allem nach aussen hin, zur Konkurrenz. Eine öffentlich und breit geführte Diskussion, wie sich Arbeit in Zukunft gestaltet, ist 20 Jahre in Verzug.

    • @Jack Neckbreaker:

      Sehr richtig,

      zur Lüge der Arbeitsbeschaffung gehört umgehende Vermittlung in Lohn und Brot, auch von der Krankenkasse gefordert, unter dem Diktat, Psychopharmaka schlucken zu müssen, weil sonst das Krankengeld entzogen wird, ein Verschiebebahnhof zwischen den Sozialkassen mit eignen Gutachtern, die doch nur feststellen, dass man arbeiten muss, wenn nicht auf dem erlernten Beruf, gerne auch als ungelernte Kraft und wieder mit der Androhung die Lebensgrundlage zu entziehen. Alles selbst erlebt!

  • "Burn-out" gilt als depressive Erschöpfung und befällt vor allem Menschen, die sich sehr stark mit ihrer beruflich oder ehrenamtlichen Tätigkeit identifizieren. Und was sie besonders vulnerabel sein lässt: die Betreffenden machen ihr Selbstwertgefühl abhängig vom Job.

     

    Bleibt die benötigte Anerkennung aus, dann folgt die Ernüchterung, schließlich Depression. Insofern: Abstand. Abgrenzen. Und den Narzissmus, der sich hinter solchen Phänomenen verbirgt therapeutisch beleuchten lassen.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick

     

    P.S. ich möchte wetten, dass das Gros der vom Burn-out Betroffenen mit emotional instabilen, unzuverlässigen Müttern (Vätern?) aufgewachsen ist. Solche Kinder lernen von Anfang an, dass sie dazu da sind, die seelischen Bedürfnisse der Menschen in ihrem Umfeld erfüllen müssen. So etwas ist krank und macht krank. Kinder psychisch kranker Eltern bekommen in unserer Gesellschaft so gut wie keine Hilfe.

    • @Angelika Oetken:

      Ich stimme Ihnen voll zu. Arbeitgeber nutzen die narziss. instabile Psyche des Vorbelasteten nur aus. Das Problem trägt letzterer seit der Kindheit in sich- die Geltungssucht.

      • I
        immerfestedruff
        @lions:

        Müssen Sie eigentlich ständig mit dem Finger auf andere zeigen? Wie steht es denn mit Ihrer eigenen Geltungssucht? ZBsp hier im Forum?

        Emotional missbrauchte Menschen sind nicht zwangsläufig narzisstisch gestörte Persönlichkeiten.

        Im übrigen kenne ich nicht einen einzigen Menschen, der auf (berufliche) Anerkennung verzichten will. Problematisch ist, was allgemein als anerkennenswert betrachtet wird oder eben nicht.

        • @immerfestedruff:

          Die Geltungssucht auf Grund von Kommentaren zu diagnostizieren, bedeutet nichts anderes, als generell Publikationen unter diesen Verdacht zu stellen, eben auch Ihre.

          In der Psychotherapie wird "Burnout"-Erkrankten zuerst verständlich gemacht, dass das Problem in ihnen selbst liegt, und die anderen nicht die Schuldigen sind. Das klingt drastisch und ruft zwangsläufig "Beisteher" wie Sie auf den Plan. Niemand außerhalb der Sklavenhaltergesellschaft und des Militärs muss sich den Gebaren eines dissozialen Vorgesetzten aussetzen. Wenn er denkt, aus materiellen Beweggründen heraus das aushalten zu müssen, läuft er anfänglich unbemerkt in die Gefahr, daran zu erkranken.

          "Burnout" bedeutet, einer Autorität gefolgt zu sein, die einen in den Ar..sch getreten hat, aber keiner verlangt, dass er ihn hinhalten muss.

          Narzissmus ist mittlerweile eine Volkskrankheit und wenn Sie den Faden gelesen haben, ist Frau Oetken da selber Meinung. Wir leben in einer "Opfer"-Gesellschaft, in der wir ohne Verweis auf die Notwendigkeit der Eigenverantwortung den Fallenden in falscher Weise zu Hilfe kommen.

          Lesen Sie dazu: "Die Narzistische Gesellschaft" von H.J. Maaz !

    • @Angelika Oetken:

      Sehr geehrte Frau Oetken,

       

      ich kann nur von mir sprechen und stimme zu. Ich habe, als Selbstbetroffene, immer behauptet, dass Burn-out etwas mit dem Lebensweg zu tun hat. Richtig ist, dass es Menschen gibt, die es nicht anders kennen, als seelische Bedürfnisse erfüllen zu müssen. Ich war dann auch Jahrzehnte in einem solchen Job gefangen. Erschwerend kam hinzu, dass man mir sehr subtil suggerierte, dass ich so, wie ich bin, nichts wert bin. Die Bemächtigung der Psyche, wie im Artikel beschrieben, Mobbing, doch bis ich merkte, dass ich nicht Täter, sondern Opfer war, von Übergriffen, die mir nicht aufgefallen sind, war es bereits zu spät. Ich glaube, das läuft meist sehr subtil ab, für den Betroffenen kaum zu erkennen.

      Liebe Grüße

  • Guter Artikel, der auch beleuchtet, dass alle gesellschaftlichen Schichten betroffen sind. Schon lange sind es nicht nur die Sozialarbeiter oder Manager etc.

     

    Als freier Journalist und ehemalig sehr stark Betroffener (ging bis zu Suizidgedanken) möchte ich gerne weitere Einblicke geben: In diesen Tagen erscheint mein Buch "Mein Weg aus dem Burnout - Der Stress-Falle entkommen, Lebenskunst entwickeln" - Infos unter http://www.jens-brehl.de/journalist/buch/

  • Alles was im Artikel gesagt wurde ist richtig. Doch das Thema hat noch eine Dimension, nämlich die Überhöhung der Arbeit in unserer Gesellschaft. Ich bin wegen eines Burn-outs arbeitslos geworden, wurde von der Agentur und von der Krankenkasse mit Sanktionen bedroht, schikaniert, bis ich alle Leistungen verloren hatte. Man muss sich so schnell als Schmarotzer beschimpfen lassen,das macht Angst und gefügig!

  • Burnout als eine Depression im Stile 'Ich-schaffs-nicht-mehr-an-der-Arbeit' gab es schon früher. Was heute neu ist, ist die massenhafte Verbreitung derselben. Es wäre kurzsichtig zu behaupten, dass die grosse Verbreitung auf ein zu schnelles Krankschreiben der Betroffenen zurückzuführen wäre. Es ist tatsächlich so, dass Personen mit Burnout nicht mehr in der Lage sind selbst einfache Situationen an der Arbeit zu bewältigen.

    Die Ursache der massenhaften Burnouts kommt eindeutig von oben. Noch nie wurde von Mitarbeitern ein so grosse Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verlangt wie heute. Abteilungen werden umstrukturiert, Vorgesetzte werden teilweise im Monatsintervall ausgewechselt und Beschäftigte werden von einem Aufgabenbereich in einen anderen versetzt, sodass Neues hinzulernen zur Hauptaufgabe wird. Das hat Methode. Damit werden Beschäftigte kontinuierlicher Veränderung unterworfen und traditionelle Organisationsstrukturen der Beschäftigten werden aus den Angeln gehoben. Die Top-Manager wissen um diese Funktionen und verwenden diese ohne sie offen zu benennen. Vordergründig werden verbesserte Organisationsmethoden genannt, aber in Wahrheit geht es nur darum, die Angestellten an das Unternehmen total anzupassen, sie physisch hörig zu machen. Jede noch so geschwollene Erklärung einer Unternehmensleitung ist ganz einfach BS, wie der Engländer sagt.

    Als Angestellter gibt es nur einziges Verhaltensmuster, mit dem man einem Burnout vorbeugen kann. Man muss sich über die Rolle der Objektive und Anforderungen im Klaren sein und sich sagen, dass man einen Scheiss drauf gibt. Das verlangt sehr hohes Abstraktionsvermögen, weil man es dem Chef natürlich so nicht sagen wird, aber man sollte es so denken. Nur so und nicht anders kann man das Unterwerfungsritual. Burnout vermeiden.

    • @bouleazero:

      "Das verlangt sehr hohes Abstraktionsvermögen, weil man es dem Chef natürlich so nicht sagen wird, aber man sollte es so denken"

       

      Das führt zwangsläufig zu Spannungen, wenngleich ich Ihnen darin voll Recht gebe. Dieses Abstraktionsvermögen löst eine Persönlichkeitsentwicklung aus, dessen resultierendes Selbstvertrauen dem Chef nicht entgehen wird, und der Angestellte nicht so inert bleiben wird, wie Sie sich das wünschen, denn Chef geht vom üblichen Autoritärgefälle der Beziehung aus. Die abstrakte Perspektive, die Sie beschreiben, geht nicht selten in eine Mobbingspirale über oder führt zur (Selbst)Kündigung des "Erleuchteten".

      Das sind meine Beobachtungen als BR-Mitglied eines großen deutschen Unternehmens.

    • @bouleazero:

      Volle Zustimmung zur Analyse und individuellen Reaktion! Es muss aber auch noch eine gesellschaftliche Reaktion geben, denn "Sch... drauf" kann nicht alles sein und wird nicht der tiefgreifenden Zerrüttung des Sozialstaates, mit dem diese Entwicklungen einhergehen, entgegen wirken können. Die zum Zwecke der Verfügbarkeit ihrer Mitglieder fortlaufend "reformierten" Organisationen erliegen längst selbst dem Organisations-Burnout.

  • S
    sarko

    Starker Kommentar , Herr Storz , danke dafür . Eine systemimmanent operierende erfolgversprechende , mehr als palliative Remedur des beschriebenen Übels halte ich für unmöglich . Der Kapitalismus ist in einem (finalen ?) Stadium , wo der Konkurrenzdruck unter den Konzernen bis hinunter zu den kleinen Firmen kaum noch härter werden kann (gesättigte Märkte , zurückgehende Gesamtkaufkraft). Um am Markt zu überleben heißt das für die Firmen ua : Aus den Arbeitnehmen Arbeitskraft raussaugen bis an die Grenze des Geht-nichts-mehr .

    Fazit : Die Kapitalverwertungsgesellschaft als unzumutbare Zumutungsgesellschaft abschaffen - oder darin untergehen .

  • Ich erlebe in Deutschland ein massives Vorgesetzten-Problem. Neurotische Narzissten mit Geltungsdrang lasssen sich mit Geld und fetten Autos dazu bringen, von "oben" nach "unten" Druck zu verteilen und ohne jede Verantwortung oder "Fürsorgepflicht" (Beamtenrecht) alles Untere zu verheizen. Zeithorizont: Bis zur nächsten Beförderung. Oder bis zum nächsten Jahresbericht. Von der Tätigkeit der "Untergebenen" haben sie oft keinen Ahnung oder sind schnell davor weggelaufen. Ich selber mache nur noch meine Arbeit. Mit diesen Leuten will ich sonst nichts mehr zu tun haben. Horror: Betriebsfeiern oder chronische Heuchelei zu Weihnachten. Leider ist eine Solidarisierung der Arbeitenden nicht in Sicht, wenn die "unteren" sich die Gewerkschaften schlecht reden lassen und man sie so gut gegeneinander ausspielen kann. Und geht es schief, dann ist ja auch der Chef nicht schuld...oder er "cheffelt" eben woanders. Wahrscheinlich bin ich nur neidisch? Und diese Problemfälle muss man dann bis 67 (plus x??) ertragen - armes Land - arm an Verantwortung und an Geist.

  • RW
    Rainer Winters

    Bei so vielen Feldwebeln unter Deutschlands Gruppenleitern und Abteilungsleitern kein Wunder: Draufhauen auf die Trommel der Galeere, damit das Team noch schneller rudert.

     

    Die menschenverachtende Seite des Deutschen an sich (perfektioniert, schnell, effektiv, pünktlich = auf den Punkt genau, verlässlich...) lässt Deutschland bei Burn Out ganz oben stehen.

     

    Die Arbeitswelt ist wie das Militär. Immer nur drauf...

  • T
    Thomas

    Es ist vollkommen egal, wie das Phänomen genannt wird, dass immer mehr Menschen sich selbst bis zum Ausgebranntsein, das bedeutet burn-out, antreiben lassen und sich selbst auch noch antreiben bis zum Zusammenbruch.

     

    Der Einzelne wehrt sich selten und kollektiv noch weniger in diesem Land.

     

    Bis dann nichts mehr geht und das heisst im Turbo-Kapitalismus meist "Verrentung".

    Vorübergehend oder auf Dauer.

     

    Weil bei diesen herrschenden Arbeitsbedingungen und menschlich unmöglichen Zuständen, erholt sich kein Angeschlagener mehr so einfach.

     

    Und wie so oft verursacht die Wirtschaft etwas, was die Gemeinheit, der Staat dann zahlen muss.

  • Burnout ist schwere Depression. Nicht mehr und nicht weniger. Dabei geht Betroffener nicht an übermäßiger Arbeit kaputt, sondern verliert jeden Sinn in dieser. Das hat mit Arbeitspensum oder gehobener Stellung nichts zu tun. Die Erwartungen, die der Ausgebrannte an seinen Job hatte, wurden nicht erfüllt. Die Verhältnisse in der Familie sind dazu genauso für die Ausbildung eines "Burnouts" von Relevanz. Ein Ego fällt zusammen, wie es eben bei Depression so abläuft.

    Burnout klingt besser, wird aber von Psychologen als eigenes Krankheitsbild nicht anerkannt, da es sich um die althergebrachte Depression handelt. Jeder, der den "Burnout" wirklich überwunden hat, weiß hinterher, dass er nie wieder in die Tretmühle der leistungsintensiven Arbeitswelt eintreten wird.

    Von daher deute ich die Zunahme der "Burnout"-Erkrankungen als ein Zeichen des Wandels und der Erneuerung.

    • @lions:

      Ein Zeichen des Wandels und der Erneuerung? Ich will nicht hoffen, dass die Konsequenz daraus heißt, auf möglichst viele Burnouts hinzuwirken....

      Es ist doch wohl eher ein Zeichen des Versagens: - bei der Neuordnung von Führung und Verantwortung, - in innerbetrieblichen Standards für den Umgang miteinander; eben bei der GESTALTUNG der "leistungsintensiven Arbeitswelt", wie Sie es nennen. Dabei: Wie leistungsintensiv kann eine Arbeitswelt sein, die - zumindest fahrlässig - ihre Teilhaber in den Zusammenbruch treibt?

      • @UWB:

        Depression ist ein Aufschrei der Seele, die auf Handlungsdruck in Sachen Lebensveränderung, Persönlichkeitsentwicklung drängt.

        "Burnout" ist keine tolle Sache, aber eine notwendige Transformation oder akute Nachholung unfertiger Persönlichkeitsentwicklung, in der der Betroffene die Bürde und die Chance bekommt, eine neue Perspektive für sein Leben zu finden, wenn er sich nicht dazu hinreißen lässt, den Prozeß mit Psychopharmaka abzuwirken, um sich wieder "schön" in alles rein zu finden.

        Von daher, mein Verständnis für Ihren mir ausgestellten Fatalismus, doch so ist es. So viele Menschen fahren aus meiner Sicht auf dem falschen Dampfer, weil Sie in der Falle des autoritären Charakters feststecken, brav sein wollen, sich keiner Veränderung aussetzen wollen und damit enttäuscht werden müssen.

        Depression ist mehr Chance als Krankheit, man muss es nur erstmal als solche wahrnehmen können.

        • @lions:

          auf die von Ihnen geschilderte Seite der Medaille können wir uns einigen - aber ich bitte, deren Rückseite nicht außer Acht zu lassen: Eben jene Erosion der Arbeitswelt, die sich durch immer schnellere Veränderungszyklen bei gleichzeitiger Ergebnislosigkeit, panische Organisationsreformen ohne Nachhaltigkeit und die dazugehörige Ignoranz (vorrangig) von Führung und Beratern auszeichnet - eben der Burn-Out der Organisation selbst.

          • @UWB:

            Absolut Ihrer Meinung. Doch ist die Kehrseite der Medaille ist eine Folge der dependenden Haltung der Individuen, da ihr Anspruch, "geführt" zu werden, um den Glanz des materiellen Wohlstands zu erhalten, die beschleunigten Arbeitsprozesse und ihre unmenschliche Hirarchie erst möglich macht. Diese Kausalität weist aus meiner Sicht nur in eine Richtung - Ein wirtschaftsautoritäres System erfährt durch die Globalisierung ein Deathrunning, weil die untere Riege es zulässt.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ja, ich halte es auch für Einbildung, burnout zu kriegen in einem Staat, der alle Beschäftigten hegt und pflegt, mit Hartz IV, Tarifaushebelungen, Kündigunserleichterungen und Leiharbeit.

  • ps. Lieferdrohnen

    in Japan Pflegeroboter

    • H
      Hans
      @Hady Khalil:

      Die Antwort der Technokratie auf den unperfekten Mensch.

  • Lieferdrohnen, oder Paketkopter

    Zur aktuellen Meldung , das die Post erfolreichen einen Luftposttransport mit einer Drohne unternommen hat. Hat das Rennen um eine neue Rationalisierungswelle begonnern. Ca 100000 Arbeitsplätze sind bedroht. Das die Post so ultra schnell auf die Drohung von amazon reagiert: Wenn ihr uns weiter mit Tarifverträgen nervt, schmeissen wir alle raus?Vielleicht ist das ja nicht nur eine Frage, ob das technisch machbar wäre, sondern eine gesellschaftliche? Wieviel Dienstleistungsarbeitsplätze können wir uns leisten? - Ohne die Billignummer. Das gilt, finde ich auch für die Bildung und die Pflege. In einem TV BeRicht wurde darüber vor einiger Zeit berichtet, das man den dortigen Pflegenotstand mit Robotern Herr werden wolle und ein Exemplar vorgestellt. Pflegedrohnen? Also fänd ich jetzt nicht so angenehm.

  • Aber kann es nicht sein das der Kapitalismus überhaupt der Über-Burn-Out ist und wir endlich mal über diese Grenze hinausdenken sollten? Wenn jetzt auch die Linke (immerhin von mir als eine solche gewählt) im Zusammenhang mit der AfD genannt wird weil sie Angst hat als links gesehen zu werden?

  • BZ
    Bert zwonull

    Hängt das nicht zuletzt auch an der sich stark ausbreitenden Medienwelt? Facebook, Smartphones, rastloses Mailen und Jetten etc. sind letzlich auch ein Teil des Problems.

    • H
      Hans
      @Bert zwonull:

      Klar. Immer schneller, überall. Tag und Nacht. Keine Zeit einzukaufen, aber meine Paketdrohne liefert es mir vor die Tür. Was hast du geschrieben. Stressabbau via Katzenbildchen auf Facebook. Und ich kenne sogar einen meiner 1024 Facebookfreunde PERSÖNLICH! Ich habe auch kein "Problem" mit Alkohol, er hilft mir nur nach einem harten Arbeitstag zu entspannen. Letztens war ich in Barcelona, die Leute haben da überhaupt kein Problem mit Stress und so. Bitte liked meinen Beitrag, BITTE!

  • So wenig Kommentare? Für mich ist das eines der wichtigsten Themen dieser Zeit - Frührente wird nicht mehr subventioniert oder macht arm - Sozialversicherung immer höher - außerdem noch Kinder durchfüttern und bilden - zunehmende systematische Überforderung der Menschen, die die Arbeit im Land machen.

    Die Reichen gucken grinsend zu, die jetzigen Alten halten- sofern über Hartz 4 - ihre Besitzstände fest. Ich weiss auch nicht, ob ich die 67 erreiche....und ob sich das für mich und meine Kinder lohnt. Da ist ein Gerechtigkeitsproblem. Wenn aber 41% Mutti wählen und 30-40% nix, kann es nicht besser werden. Frust.

    • H
      Hans
      @guido-nrw:

      Keine Sorge, der Altersstrick ist auch für die jüngere Generation da. Z. B. als Hartz-IV-Strick oder Psycho-Strick.

       

      Mit einem wimmern geht die Welt zu Grunde, nicht mir einem Knall.

  • G
    gast

    Die Manager schaffen nur an, arbeiten, überarbeiten tut sich das "einfache" Volk, nur werden die dafür nicht so gut bezahlt.

     

    Diese Krankheit ist weit mehr unterm einfachen Volk verbreitet als man annimmt. Früher sagte man auch gerne Nervenzusammenbruch, heute sagt man Burnout. Beides kommt von seel. Überbelastung. Kein Wunder, tut man ja auch nichts gegen die ganze Mobberei in vielen Firmen. Wenn ich in meiner Fa. sagte gemobbt zu werden, wurde ich vom Personalbüro gewarnt "passen sie auf was sie sagen". Klar was nicht sein soll(te) gibt es eben nicht, so einfach ist das. Mobbing gibt es nicht und Burnout ist was für Weicheier ???

  • Sehr gute Abhandlung, Wolfgang Storz, go on!

  • F
    fönixausderflasche

    Ich habe kein Burn-out. Ich habe schon lange befürchtet, dass ich krank bin.

  • M
    Materialist

    Ich finde den artikel ja soweit ziemlich gut, bloß der letzte Absatz ist m.E. falsch, Organisationen die links des Mainstreams stehen (wozu ich nur Teile innerhalb der Gewerkschaften stehen) haben lange Zeit das materielle Vernachlässigt und kehren jetzt so langsam wieder dahin zurück und wie der Artikel zeigt ja aus gutem Grunde, denn es sind ja gerade sehr viele materielle und nicht nur diskursive Veränderungen, die zur Erschöpfung fühlen. Erklären kann ich mir diesen Absatz nur dadurch, dass der Autor materiell mit Geld gleichsetzt