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Debatte Bundeswehreinsatz in SyrienNicht ohne die UNO

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die Beteiligung der Bundeswehr an Luftschlägen gegen den IS wird falsch begründet. Teil einer Lösung kann dieser Einsatz auch nicht sein.

Noch mehr Militär trägt hier nichts zur Lösung bei: Kriegszerstörungen in Douma nahe Damaskus Foto: dpa

D er „Krieg gegen den Terrorismus“, der seit den Anschlägen vom 11. September 2001 unter Führung der USA und mit militärischer, geheimdienstlicher, logistischer oder politischer Unterstützung fast aller anderen 192 UNO-Staaten betrieben wird, ist restlos gescheitert und war kontraproduktiv. Für jeden seitdem getöteten tatsächlichen Terroristen sind mindestens zehn neue nachgewachsen.

Und der zunächst nur gegen Ziele in Afghanistan geführte Krieg hat inzwischen eine enorme geografische Ausweitung erfahren auf Ziele in Pakistan, Somalia, Jemen, Irak, Syrien, Mali, Libyen, den Gazastreifen und die ägyptische Sinai-Halbinsel. Daher gibt es überhaupt keine begründete Hoffnung, die aktuelle, gegen die Terrormilizen des „Islamischen Staates“ geführte Schlacht dieses Krieges sei zu gewinnen.

„Man kann den IS nicht militärisch besiegen, man kann ihn nur politisch besiegen“, zieht auch der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omnid Nouripour, die richtige Konsequenz aus dem Scheitern der vergangenen 14 Jahre. Um dann aber mit dem Satz: „Man muss den ‚Islamischen Staat‘ auch militärisch bekämpfen“, doch für die Zustimmung seiner Bundestagsfraktion zur Beteiligung von Tornado-Flugzeugen der Bundeswehr am Luftkrieg gegen den IS in Syrien und im Irak zu werben. Ein Krieg, der seit 18 Monaten maßgeblich von den USA und Frankreich betrieben wird mit dem erklärten Ziel, den IS zu „vernichten“ (Obama) oder zu „eliminieren“ (Hollande). Widersprüchlicher und unehrlicher geht es kaum.

Zur zentralen Frage, wie der IS „politisch besiegt“ werden kann, äußert sich Nouripour nicht. Die Behauptung Berliner Regierungs- wie grüner Oppositionspolitiker, die mit modernsten Kameras und Elektronik zur Aufklärung von Bodenzielen ausgerüsteten deutschen Tornado-Kampfjets oder auch Satelliten seien erforderlich oder gar unverzichtbar für eine Verstärkung des Luftkrieges, ist falsch. Die US-Luftwaffe hat bereits seit Frühsommer 2014 Aufklärungsflugzeuge und Satelliten mit ebenso guter Technik im Einsatz.

Ebenso falsch ist die Behauptung, die Entsendung von 650 zusätzlichen Bundeswehrsoldaten nach Mali dienten der Entlastung der französischen Streitkräfte. Paris hat seit den Anschlägen vom 13. November zwar 36 bis dato in Frankreich stationierte Kampfflugzeuge mit dem dazugehörenden Luftwaffenpersonal in den Nahen Osten verlegt, plant aber nicht einen einzigen der über 3.000 Bodensoldaten in Mali abzuziehen.

UN-Resolution ohne Autorisierung eines Militäreinsatzes

Falsch ist schließlich auch die Behauptung von Unionspolitikern, mit der jüngsten Resolution des UNO-Sicherheitsrates zum IS existiere bereits eine völkerrechtliche Grundlage der Beteiligung deutscher Streitkräfte am Luftkrieg. Diese Resolution enthält keine Autorisierung des Einsatzes militärischer Mittel. Frankreich, die USA und Russland, die den Resolutionstext ausgehandelt hatten, hielten eine solche Autorisierung gar nicht für erforderlich, weil sie ihre Luftangriffe auf andere Rechtfertigungen stützen.

Auch heute noch wäre die einzig sinnvolle Militärintervention in Syrien die Entsendung einer vom Sicherheitsrat mandatierten robusten UNO-Truppe, im Idealfall mit Truppen aller fünf Vetomächte. Ihr Auftrag müsste sein, den Bürgerkrieg zu beenden, jeglichen Zustrom weiterer Waffen und Kämpfer, egal an welche Konfliktpartei, zu unterbinden und die humanitäre Versorgung der notleidenden Bevölkerung zu ermöglichen.

Wäre eine solche Truppe im Frühjahr 2012 eingesetzt worden, als die Vermittlungsbemühungen der UNO scheiterten und der ursprüngliche Aufstand politischer Oppositionsgruppen gegen die Assad-Regierung in einen Mehrfrontenkrieg mit immer mehr islamistischen Gewaltakteuren umschlug, hätte das Leben von 200.000 der inzwischen über 250.000 Kriegstoten bewahrt werden und die Ausbreitung des IS auf inzwischen über 50 Prozent des syrischen Territoriums verhindert werden können.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.
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12 Kommentare

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  • "Der „Krieg gegen den Terrorismus“, der seit den Anschlägen vom 11. September 2001 unter Führung der USA und mit militärischer, geheimdienstlicher, logistischer oder politischer Unterstützung fast aller anderen 192 UNO-Staaten betrieben wird, ist restlos gescheitert und war kontraproduktiv. Für jeden seitdem getöteten tatsächlichen Terroristen sind mindestens zehn neue nachgewachsen."

     

    Es muss geforscht werden, warum das so ist. Beim Krieg in Afganistan sind sehr viele Zivilisten durch Bomben und Amokläufe zum Opfer gefallen. Das könnte einer der Gründe dafür sein.

  • Herrn Zumach kann ich in Vielem zustimmen - solch klaren Worte findet man inzwischen leider auch hier nur noch selten. Bis 2012 war es ein Aufstand gegen ein diktatorisches Regime - der von da an in einen Stellvertreterkrieg der Regionalmächte (und der jeweils hinter ihnen stehenden größeren Mächte: USA/NATO bzw. Russland) umfunktioniert wurde. Mächte, die allesamt skrupellos genug waren, den Konflikt religiös aufzuladen (was er anfangs nicht war) und die entsprechenden Gruppen direkt oder indirekt zu finanzieren und aufzurüsten. Was die DWN über türkisch/westliche Förderung bzw. Duldung illegaler Ölverkäufe durch den IS schreiben (http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/08/15/usa-und-tuerkei-dulden-oel-schmuggel-des-islamischen-staats/), läßt die Vermutung aufkommen, daß die westlichen Regierungen den IS nicht konsequent bekämpfen wollen. Sie brauchen ihn als Terrorpopanz, um all jenen zu dienen, die am Krieg verdienen - und um uns in den kommenden Krisen besser in Schach halten zu können. Der Klimagipfel in Paris zeigt das bereits. Das Kalkül ist offenbar aufgegangen - und die sonst protestfreudige französische Bevölkerung läßt sich brav drei Monate Ausnahmezustand gefallen. Was doch eigentlich eine ungeheure Frechheit und Dreistigkeit ihrer Regierung darstellt. - Eben. Deshalb braucht man den IS, ein unmittelbares Produkt der Kriege im Irak und in Syrien.

  • Ist alles richtig, was Andreas Zumach schreibt. Ich gehe hier noch einen Schritt weiter und stelle folgende Behauptung auf: Wenn es tatsächlich möglich wäre, den IS aus der Luft zu zerschlagen, würde der Westen dies doch gar nicht erst versuchen. Wir haben es hier mit rein symbolischen - aber keineswegs harmlosen - Handlungen zu tun, ebenso wie auch das von der Bundesregierung abgegebene Versprechen, "Frankreich im Krieg gegen den IS mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln" zur Seite zu stehen.

    • @Rainer B.:

      Es ist wieder mal nur beschämend, wie sich die Politik hierzu - verbal wie praktisch - äußert.

  • Das gesellschaftspolitische Primat des Profits -- der kapitalistischen Ökonomie im Nuklearzeitalter des 21. Jahrhunderts -- treibt den Krieg im Interesse der Geo- und Rohstoff-Politik, der Energie- und Rüstungsindustrien, deren Vorstände und Lobbyisten, der Anteilseigner und Dividenden-Aktionäre voran.

     

    "Die Wand der Lügenpropaganda zu durchstoßen, hinter der die imperialistischen Kriegsabenteuer dieses Jahrhunderts vorbereitet wurden und werden, die wirklichen Triebkräfte, die Methoden der imperialistischen Aggression und das Geheimnis der Kriegsentstehung aufzudecken, um den Menschen rechtzeitig die Augen zu öffnen -- das gehört heute zu den dringendsten Aufgaben aller Streiter für Frieden ..." Vgl. Albert Norden: So werden Kriege gemacht! Über Hintergründe und Technik der Aggression. Dietz 1968.

  • Hätte, hätte, hätte. Marion von Haaren hat es in ihrem letzten Tagesthemen-Kommentar zu Syrien für ARD-Verhältnisse überraschend deutlich gesagt: So lange Assad nicht entmachtet ist, haben die USA und die Türkei kein Interesse am Kriegsende.

  • Liebe IS-Besiegungsromantiker.

    Fanatiker "politisch" besiegen? Bisschen Sozialpolitik dort Informationsploitik und Sozialpolitik? Verhöhnen Sie durch derlei Weichargumentation nicht auch die IS Opfer, von den Ofern als Geflüchtete bis zu den Terroropfern?

    Nehmen Sie Ihre selbst berichteten Fakten nicht zur Kenntnis?

     

    Es wird Krieg geben!

    Wirtschaftskrieg, Informationskrieg, Medienkrieg, Krieg um jeglich erdenkbare Ressource.....

    Ob und wie militärisch Krieg geführt wird können wir gerne abwägen!

     

    Beim Thema TTIP wird Wirtschaftskrieg in den Mund genommen und jetzt beim IS von Politischer Lösung / Besiegung geredet!

     

    Warum geht es oft darum sich linksmoralisch von den aktuellen Geschehnissen abzugrenzen, einzelne Worte dogmatisch abzulehnen nur um einen Gegensatz zur aktuellen Diskussion zu dokumentieren?

     

    Nennt es Krieg (und differenziert die Schlachtfelder) und lehnt Militär trotzdem ab. Wo ist das Problem?

    • @Tom Farmer:

      Bemerkenswert. Leute wie Sie scheinen sich überhaupt nicht zu schämen dafür, dass sie mit Hilfe neuester Technologien vorsintflutliche "Überzeugungen" verbreiten - genau wie der IS.

       

      Klar wird es "Krieg geben", wenn alle ihn für unausweichlich halten. Umso schneller, je sehnsüchtiger er erwartet wird von Leuten, die ihn für das einzig wirksame Mittel gegen jede Art von Ärger halten. In Deutschland hatten wir diese Erwartungshaltung bereits zwei Mal in den letzten 100 Jahren. Beide Male ist unser Krieg zu uns zurückgekehrt. Er wird es sicherlich auch diesmal tun. Ich wüsste gern, ob Sie dann immer das große Maul haben.

       

      Nein, Krieg löst keine Probleme. Er verlagert sie nur in die Zukunft. Wobei die Probleme umso größer werden, je weiter man sie in die Zukunft schiebt. Leider sind die meisten Menschen kurzsichtig. Sie können morgen nicht mehr sehen, womit sie sich gestern ihre Probleme verdient haben. Leute wie Omnid Nouripour, die ein noch kürzeres Gedächtnishaben, tun dann ein Übriges.

       

      "Romantiker"? Niemals! Das sind Leute, die Angst vor der eigenen Courage haben. Dass sie die Geld- und Waffenströme des IS unterbrechen und ihre Rekrutierungsstrategien unterlaufen müssten, ist ihnen völlig klar. Sie wissen nur, dass sie sich selber schaden können, wenn sie es tatsächlich versuchen. Lieber schicken sie dumme Soldaten in den Krieg, die ihnen Zeit verschaffen sollen, als die Karriere zu riskieren.

       

      Krieg ist KEIN Naturzustand des Menschen. Er ist eine Geisteskrankheit, die vor allem Menschen männlichen Geschlechts befällt, die nicht vernünftig erzogen und ausgebildet worden sind. Die Erkrankten so zu behandeln, dass sie keine Gefahr darstellen für die übrige Bevölkerung, ist neben der Klimarettung die große Aufgabe der nächsten Jahrzehnte. Scheitern wir, wird die Menschheit das vermutlich nicht überleben. Sie ist technisch einfach schon zu "hoch entwickelt".

  • Grundsätzlich stimme ich zu. Die Frage ist doch.....sollen wir die Schraube anziehen oder----wie auch immer--- eine aktive Friedenspolitik betreiben? Das gewisse Kreise in Deutschland ihre Tornados fliegen sehen wollen, ist doch der reinste Schwachsinn. Alles was die Sache verschlimmert ist falsch. Es befriedigt nur die Hardliner.

    Sonst wird nichts dadurch erreicht.

    Hans-Ulrich Grefe

  • 1G
    19412 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich kann ich Ihren Argumenten folgen, bis auf den Einsatz von Bodentruppen. Alle wirklichen Mitärexperten warnen davor. Genug Kriege haben gezeigt, dass "wir" gegen Partisanen, verdeckte Kämpfer und Terroristen im Bodenkampf absolut unterlegen sind. Provokativ gefragt: Möchten Sie Ihren eigenen Sohn dort sehen oder würden Sie sich dann nicht Sorgen machen ???

    Der polnische Aussenminister Witold Waszczykowski wurde in der dt. Presse zerrissen, als er eine "Heimatarmee" aus jungen Flüchtlingen (Männern) vorschlug, die von "uns" entsprechend ausgerüstet werden könnten. Der Mann ist doch nicht blöd !!! Dieser Voschlag ist doch absolut überlegenswert unter dem Gesichtspunkt, dass der größte Teil der Flüchtlinge nicht wirkliches Asyl sondern "Bleiberecht" bekommen wird.

    Wenn die bisherigen Maßnahmen in Syrien etc. nicht greifen, muss man auch mal über andere Vorschläge diskutieren und solche "Querdenker" nicht gleich als bescheuert hinstellen. Hierbei ist "Querdenker" ausdrücklich positiv und nicht als "Quertreiber" gemeint.

    Aber alle Aussagen und Neuigkeiten aus Polen werden zur Zeit verteufelt und z.T. sogar falsch dargestellt...

    • @19412 (Profil gelöscht):

      Der polnische Außenminister ist an Zynismus nicht zu überbieten, Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, in den Krieg zurückzuschicken.