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Deadnaming von TranspersonenKeine Beleidigung?

Boris Palmer hat die Transfrau Maike Pfuderer mit ihrem früheren Namen angesprochen. Kein Vergehen, sagt die Justiz. Ein Fall für eine Debatte.

Boris Palmer hat nicht beleidigt, sagt die Staatsanwaltschaft Tübingen Foto: Tom Weller/dpa

Berlin taz | Boris Palmer kann sich freuen. „Es hat sich herausgestellt, dass Sie unschuldig sind“, hat ihm die Staatsanwaltschaft Tübingen mitgeteilt, wie der Tübinger Oberbürgermeister selbst auf Facebook postete. Damit hat der umstrittene Grünen-Politiker keine juristischen Konsequenzen mehr wegen der Strafanzeige seiner Parteifreundin Maike Pfuderer zu befürchten. Die Transaktivistin hatte sich durch ein sogenanntes Deadnaming Palmers beleidigt gefühlt.

Der Begriff „Deadnaming“ bezeichnet es, wenn Menschen mit Transgeschichte bei ihrem früheren Namen und Geschlecht genannt werden. Genau das hatte Palmer in einer Facebook-Debatte gegenüber Pfuderer getan. Die sah darin eine gezielte Provokation. Deswegen sei das Verhalten Palmers aber noch nicht justitiabel, befand nun die Staatsanwaltschaft.

Boris Palmers Äußerungen mögen „taktlos und unhöflich sein“, die Grenze einer strafbaren Handlung erreichten sie jedoch nicht, so die Staatsanwaltschaft. Es sei „höchst fraglich“, ob die bloße Erwähnung des früheren Vornamens bereits eine Missachtung oder Geringschätzung der Person zum Ausdruck bringe, schreibt die Staatsanwaltschaft auf Anfrage der taz.

Dennoch könnte Pfuderers Fall eine juristische und auch politische Debatte anstoßen. Sollte Deadnaming als Beleidigung eingestuft werden?

Unterschiedliche Bewertungen

Martin Heger, Professor für Strafrecht an der Humboldt Universität, hat da seine Zweifel. „Eine Beleidigung muss ehrverletzend sein“, sagt er. Wenn Herr Palmer Frau Pfuderer mit ihrem ehemaligen Vornamen anspreche, lege er damit zwar Frau Pfuderers transsexuelle Geschichte offen. „Jemanden als transsexuell zu bezeichnen wäre jedoch nur beleidigend, wenn Transsexualität als anrüchig verstanden wird“, sagt Heger.

„Wird jemand als ‚schwul‘ bezeichnet, werten Gerichte das heute nicht mehr als Beleidigung“, so Heger – und dies unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Aussage. Jemanden als schwul zu bezeichnen, könne keine Herabsetzung seien, da Homosexualität nichts Minderwertiges an sich habe. Es sei in manchen Fällen zwar eine inkorrekte Bezeichnung, aber keine Beleidigung. Anders verhalte es sich mit dem Schimpfwort „Schwuchtel“. Dieses habe einen klar herabsetzenden Charakter.

Diese Rechtssprechung gelte wohl auch für den Fall Pfuderer. Dass Boris Palmer Maike Pfuderer mit ihrem ehemaligen Vornamen und Geschlecht angesprochen hat, sei zwar nicht korrekt. „Jemanden mit dem falschen Namen anzusprechen, ist jedoch keine Straftat“, sagt Heger. Dafür müsste die falsche Ansprache mit eindeutigem Hohn oder Spott verbunden sein.

Der Hamburger Rechtsanwalt Oliver Tolmein hält es hingegen für möglich, dass Deadnaming auch eine Beleidigung sein kann. Er vertritt mit seiner Kanzlei transidente Menschen. Für die rechtliche Bewertung von Deadnaming komme es auf den Kontext an, sagt er. „Wenn ein Mensch bewusst mit dem ehemals geführten Namen angesprochen wird, kann das eine zielgerichtete Missachtung und Herabwürdigung darstellen.“

Schwierige Beweisführung

Diese Intention nachzuweisen, könne allerdings schwierig sein. Deadnaming sei dann eine Form der Beleidigung, wenn daraus deutlich wird, dass „der Sprecher oder die Sprecherin den betroffenen Menschen prinzipiell nicht als Gegenüber mit gleichen Rechten respektiert“.

„Strafrechtlich ist der Fall für mich abgeschlossen“, sagt Pfuderer. Auf politischer Ebene will sie jedoch aktiv werden. Im Transsexuellengesetz sei ein Offenbarungsverbot zwar verankert. Dieses Verbot, nach dem ehemalige Namen nicht ohne gewichtige Gründe öffentlich gemacht werden dürfen, richtet sich derzeit aber nur an Behörden und ist nicht strafbewehrt. „Damit ist es ein zahnloser Tiger“, sagt Pfuderer der taz. „Es hilft nicht, wenn wir Rechte, aber keinen Rechtsschutz haben.“

Mit der Arbeitsgemeinschaft „QueerGrün“ will Pfuderer auf Bundesebene nun erreichen, dass Deadnaming künftig unter Strafe gestellt wird. Gemeinsam wollen sie dafür kämpfen, dass die Forderung ins Wahlprogramm der Grünen zur Bundestagswahl 2021 einfließt.

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7 Kommentare

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  • 0G
    01349 (Profil gelöscht)

    "Sollte Deadnaming als Beleidigung eingestuft werden?"

    Nö. Man muss den Leuten auch mal die Gelegenheit lassen, sich zu blamieren.

  • Hätte Maike Pfuderer mit ihrem Parteifreund nicht einfach darüber sprechen können? „Boris, so wie du mich ansprichst, möchte ich das in Zukunft aus folgenden Gründen nicht mehr haben ...“. Wäre diese Lösung zu einfach?

  • Der Boris hätte mal Marktschreier werden sollen, wie sein Vater, der aber ein toller Politiker und ein grundanständiger Mensch war. Auf DEN lasse ich nichts kommen. Wieso sein Sohn dermaßen vergraten ist? Hat ihm die Waldorfschule nicht gutgetan?



    Daß die Grünen ihn allerdings immer noch in ihren Reihen dulden, ist eine Schande und ein Makel für die ganze Partei. Oder brauchen sie etwa ihren Rechtsaussen, um auch für AfD-Wähler attraktiv zu sein?

  • Jungejunge, gilt das dann auch für Cassius Clay? Immerhin hat er ja seine Identität geändert, nicht aber sein Geschlecht (das wäre lustig geworden). Übrigens, liebe taz: "strafbewährt" schreibt man "strafbewehrt", also mit einer Strafe als Wehr (Waffe) versehen.

  • Ich nehme mal an, mit dem Hamburger Rechtsanwalt Oliver Tomlin ist der Hamburger Rechtsanwalt Oliver Tolmein gemeint.

    de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Tolmein

    Würde zumindest besser ins Bild passen.

    Und: „Boris Palmers Äußerungen mögen taktlos und unhöflich sein“.

    Damit ist doch der ganze Typ beschrieben.

    • Paula , Moderatorin
      @Jim Hawkins:

      Danke für den Hinweis, wir haben das korrigiert.

    • @Jim Hawkins:

      Hmm, ich sehe da jetzt nicht mehr Unhöflichkeit, als in ihrem verallgemeinernden letzten Satz drin steckt.