piwik no script img

Datenweitergabe an die PolizeiVerfassungsschützer teilen ungern

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Verfassungsschutz dürfte sich über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts freuen. Er teilt Informationen ohnehin lieber weniger als mehr.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Chorweiler Foto: Christoph hardt/Future Image/imago

D ie Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist keine deutliche Rüge für den Geheimdienst, wie die Linken-Abgeordnete Martina Renner glaubt. Das Karlsruher Gericht hat nicht die Praxis der Verfassungsschutzbehörden kritisiert, sondern den Bundestag als Gesetzgeber. Das Gesetz sehe eine unverhältnismäßig weitgehende Übermittlungspflicht von Verfassungsschutzdaten an die Polizei vor, so der Karlsruher Beschluss. Ob und wie der Verfassungsschutz (VS) diese Übermittlungspflicht umgesetzt hat, war nicht Gegenstand des Verfahrens.

Karlsruhe hat nun nicht mehr verlangt als die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Bei der Übermittlung von heimlich gewonnenen VS-Daten an die Polizei muss eine konkrete Gefahr bestehen oder ein konkreter Verdacht auf eine bereits begangene schwere Staatsschutz-Straftat.

Beim Verfassungsschutz werden die Richter damit wohl offene Türen einrennen. Geheimdienstler teilen ihre Informationen eh nicht gerne und verstecken sich dabei nur zu bereitwillig hinter dem Datenschutz und verfassungsgerichtlichen Vorgaben.

So war auch das Versagen der Sicherheitsbehörden gegen den NSU-Terror kein Ausdruck heimlicher Kumpanei mit den Nazis, sondern eher Folge von mangelhafter Auswertung und Weitergabe vorhandener Erkenntnisse. Oft war der Schutz der Vertraulichkeit von Spitzeln wichtiger als die Nutzung der gelieferten Informationen.

Dies zeigt: Der Datenaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei ist im Prinzip nichts Anrüchiges. Wer für die organisatorische Trennung von Polizei und Geheimdienst ist, muss auch sicherstellen, dass Informationen fließen können. Im Interesse der potenziellen Terroropfer muss die Zusammenarbeit zwischen Sicherheits­organen sogar eher noch verbessert als erschwert werden.

Dass die bisherige Praxis nicht unbedingt exzessiv ist, zeigte auch der Fall des Klägers im Karlsruher Verfahren. Entgegen seiner Vermutung war der ehemalige NSU-Helfer Carsten S. gar nicht in der 2012 eingerichteten Rechtsextremismusdatei gespeichert – weil er schon 2001 aus der Szene ausgestiegen war.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!