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Das warFischerhut vor Gericht

Fast drei Monate lang hat Toto auf das schriftliche Urteil gewartet. Jetzt ist es da und seine Anwältin Kristin Pietrzyk hat Berufung eingelegt. Der 31-jährige Kieler war Ende September zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Beim G20-Gipfel in Hamburg soll er eine Flasche auf Polizeibeamt*innen geworfen, sie jedoch verfehlt haben.

Die Strafe fällt so hoch aus, weil Toto zur Zeit des G20-Gipfels wegen eines Betäubungsmittelverfahrens unter Bewährung stand. Trotzdem ist seine Anwältin „vom Glauben abgefallen“, als sie den Richterspruch hörte, sagt Pietrzyk. Totos Schuld ist für sie alles andere als erwiesen. Vielmehr hätten die Polizeizeug*innen im Prozess widersprüchlich ausgesagt und komplett andere Abläufe geschildert als jene, die auf polizeilichen Videoaufnahmen zu sehen gewesen seien.

Ebenfalls ein merkwürdiges Detail: Der Beamte, der Toto festnahm, will ihn anhand eines Fischerhutes identifiziert haben. In den Protokollen, die Polizist*innen nach ihren Einsätzen anfertigen, kommt das 90er-Jahre-Fashion-Accessoire aber gar nicht vor. Dafür taucht es an einer ganz anderen Stelle auf: In einer Dienstbesprechung der Polizei vor dem G20-Einsatz sei vor Menschen mit Fischerhüten gewarnt worden, weil diese Personen besonders gewalttätig seien. Das steht laut Pietrzyk in der Akte eines anderen Verfahrens. Die Anwältin beantragte, die Akte als Beweismittel im Prozess gegen Toto heranzuziehen, doch der Richter lehnte das ab.

Eine Soli-Gruppe, die den Prozess begleitet und Toto unterstützt, erklärte unterdessen den Fischerhut zum Symbol des Widerstands. Er stehe für die Absurdität des Prozesses. Wie auch andere G20-Prozesse sei auch dieses Verfahren ein Mittel der Repression gegen linke Aktivist*innen. Auch Toto glaubt, dass das Urteil ein politisches ist, „ganz klar“, sagt er. Pietrzyk sagt es etwas anders: „Ich glaube, dass alle Urteile mit so hohen Strafen, die bislang zum G20 ergangen sind, unter dem Eindruck des Gipfels gefällt wurden.“ Dass Exempel statuiert werden sollen, liege auf der Hand. Katharina Schipkowski

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