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Das war die Woche in Berlin IIEin Monat Ruhe für den Dompteur

Michael Müller kann starten: Mit 88 Stimmen aus dem Lager von SPD, Linken und Grünen wird der bisherige auch zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt.

Der neue (alte) Regierende Bürgermeister Michael Müller (2. v. re.) mit den neuen SenatorInnen Foto: DPA

Am Donnerstag um 10.42 Uhr ist Michael Müller das, was er nie werden wollte: Chef einer Koalition aus drei Parteien. Mit 88 Stimmen aus dem Lager von SPD, Linken und Grünen im Abgeordnetenhaus wird der bisherige auch zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt. Nicht alle rot-rot-grünen Parlamentarier votieren für ihn, mindestens vier Stimmen fehlen. Doch es genügt, um Müller sichtlich zu entspannen.

Die Wochen und Tage zuvor waren hart gewesen, der SPD-Chef hatte auf Kritik erstaunlich dünnhäutig reagiert, er wirkte abgekämpft. Müde klang auch die Pressemitteilung, die Müller nach der Vereidigung des Senats am Donnerstagnachmittag verschicken ließ: „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Wir wollen gemeinsam etwas für Berlin erreichen, damit die Stadt den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.“

Stellt sich die Frage, ob Müller den Herausforderungen seines Dompteurdaseins gewachsen sein wird. Ein immenser Druck lastet auf dieser Koalition, noch bevor sie richtig zu arbeiten begonnen hat. Der Reformstau – scheußliches Wort, aber hier passt es –, in Berlin ist riesig: seien es Schulen, Verkehr oder die Verwaltung. Die eigene Klientel drängt auf politische Zeichen; die Opposition aus CDU, AfD und FDP lauert nur auf Fehler. Dazu kommt die Vorbildfunktion von Rot-Rot-Grün für den Bund, die viele Linke dem Bündnis gerne zuschreiben. Und dazu sind es eben nicht zwei, sondern drei Parteien, die miteinander klar kommen müssen, die sich aber auch profilieren wollen und sollen.

Kein Wunder also, dass SPD-Strippenzieher und -Fraktionschef Raed Saleh am Rande der Müller-Wahl „Stabilität“ als erstes Ziel ausgab. Er meinte das nicht nur in Abgrenzung zur Vorgängerregierung, die in ihren fünf Jahren mehrfach auf der Kippe gestanden hatte.

Tatsächlich wird es erst einmal darauf ankommen, dass diese Regierung ihren Rhythmus findet, dass sie kurz rauskommt aus der Hochgeschwindigkeitseuphorie, die der eigene Koalitionsvertrag geweckt hat. Dafür hat sie jetzt einen Monat Zeit. Am 9. Januar ist die erste Klausur angesetzt, erst danach soll das 100-Tage-Progamm kommen. Ab dann zählt’s.

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1 Kommentar

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  • „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Wir wollen gemeinsam etwas für Berlin erreichen, damit die Stadt den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist.“

     

    Das größte Problem in Berlin sind die hohen und steigenden Mieten. Das weiss die Koalition. Schon bei diesem Thema gibt es Herausforderungen. Zum Beispiel sehr viele Eigentümer/Immobilienbesitzer halten die gesetzlichen Regelungen betreffend Mietpreisbremse nicht ein. Mieter allein können nicht viel dagegen machen. Da muss der Senat reagieren z.B. mit Strafen und Sanktionen.

     

    Hier muss es einfach mal wieder gesagt werden: "In unserem Land werden leider die einzelnen Menschen viel stärker sanktioniert als Unternehmen und Immobilienbesitzer."

     

    Noch gibt es etwas Brennzliches bei diesem Thema, was zwingend geändert werden muss. Stichwort "Modernisierungsverlierer", - also Mieter. Die Modernisiereung wird sehr oft von Vermietern dazu ausgenutzt, allein die Miete zu erhöhen. Die gesetzliche Regelung zur Modernisierung ist ein Instrument der Mieterhöhung geworden.

     

    Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Löhne in Berlin im Vergleich zu den anderen Großstädten sehr niedrig sind und wir etwa 10.000 Obdachlose Menschen nicht von ungefähr haben. Also nach Abzug der Miete bleibt sehr wenig zum Leben, zumindest bei etwa der Hälfte der Berliner.