Das war die Woche in Berlin I: Der Burgfrieden wackelt
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher hat unter mietenpolitischen Initiativen einen guten Ruf. Aber das kann sich ändern.
Selbst der nie umgesetzte Mietenvolksentscheid ist dank der Zehntausenden Unterschriften in Rekordzeit der Beweis: Seit einigen Jahren schon lässt sich mit keinem anderen Thema bewegungspolitisch so viel erreichen wie mit der Forderung nach einem Recht auf Stadt, und keine andere außerparlamentarische Strömung ist stärker.
Seit dem letzten Herbst steht dieser Bewegung ein rot-rot-grüner Senat und insbesondere eine von der Linke-Senatorin Katrin Lompscher geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gegenüber. Eine interessante Koalition, auch ohne Holm: Lompscher hat unter mietenpolitischen Initiativen – zumindest unter jenen, denen Parlamentspolitik nicht ganz egal ist – einen guten Ruf, und die vielen Initiativen, die sich erst in den letzten fünf Jahren unter Rot-Schwarz gegründet haben, sind es gewohnt, gegen SPD und CDU zu schießen, nicht aber gegen die Linke.
Dieser Umstand schützt Lompscher momentan vor außerparlamentarischer Kritik. Egal ob es um die Mieterhöhungen der kommunalen Wohnungsunternehmen oder den in dieser Woche vorgelegten Vorschlag der Stadtentwicklungsverwaltung zur Richtsatzmiete im sozialen Wohnungsbau geht: Statt die Senatorin selbst anzugreifen, richten Initiativen wie Kotti & Co ihre scharfe Kritik gegen die ihr unterstellte Verwaltung, der eine große Nähe zur Berliner SPD nachgesagt wird und die teils auch nachzuweisen ist. Gegen diese Verwaltung müsse Lompscher sich durchsetzen, lautet die Forderung.
Der Linke-Senatorin nicht vorschnell zu schaden ist ein nachvollziehbares Anliegen der Initiativen. Nur: Wenn sich der Eindruck verfestigt, die eigene Verwaltung tanze Lompscher auf der Nase herum, wird sich dieser Schaden dauerhaft nicht aufhalten lassen. Nach dem verpatzten mietenpolitischen Start muss die Senatorin schnell Vorschläge liefern, die den angekündigten Paradigmenwechsel auf dem Gebiet glaubhaft machen – und wenn das mit ihrer Verwaltung nicht zu machen ist, muss sie an dieser Korrekturen vornehmen. Denn die Möglichkeit, rund um das Thema Mieten erneut einen Volksentscheid zu stricken, und die hohe Wahrscheinlichkeit, dass dieser erfolgreich wäre, ist eine Waffe der Initiativen, die auch einiges Drohpotenzial gegenüber dem aktuellen Senat besitzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!