Das Rennen um Boris Johnsons Nachfolge: Auf Nummer sicher
Großbritanniens Tories vermeiden das Risiko. Für Boris Johnsons Nachfolge schicken die Abgeordnete zwei erfahrene Regierungsmitglieder ins Rennen.
D ie Aufregung ist vorbei, jetzt geht es um Sachfragen. Nachdem die Parlamentsfraktion der regierenden Konservativen in Großbritannien ihren Premierminister Boris Johnson spektakulär zum Rücktritt gezwungen hat, geht sie bei der Nachfolge auf Nummer Sicher. Zur Wahl stehen die zwei wichtigsten Minister der Johnson-Regierung bis zu ihrer Implosion Anfang Juli: Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss.
Dieses Rennen wurde schon lange erwartet, wenn auch nicht schon jetzt in diesem Sommer 2022, sondern einfach für die Zeit, wenn die Ära Johnson irgendwann zu Ende gehen würde. Die bühnenreife Art, wie die Tories in aller Öffentlichkeit Johnson absägten, sein flamboyanter Rücktritt und die bunte Riege von Möchtegern-Nachfolgern, die sich daraufhin präsentierte – all das ist jetzt Geschichte. Die Abgeordneten haben sich gerade noch rechtzeitig darauf besonnen, so wenig Risiko wie möglich einzugehen.
Viel wird in die Rivalität Sunak-Truss hineininterpretiert, wahrscheinlich zu viel: Rishi Sunak als Kandidat des technokratischen Establishments, Liz Truss als Wahrerin der populistischen Brexit-Flamme. Dieses Framing nützt sicher auch beiden im kommenden parteinternen Wahlkampf.
Aber zugleich kommt Liz Truss aus einer linken Aktivistenfamilie und war beim EU-Referendum 2016 gegen den Brexit; ihre politische Wendigkeit ist legendär. Rishi Sunak entstammt einer indischstämmigen Migrantenfamilie aus Ostafrika; dass der Exfinanzminister in den eigenen Reihen mal als Sozialist und mal als Minister der Reichen verunglimpft wird, spricht gegen eine schnelle Kategorisierung.
Bevor sich internationale Beobachter und auch die konservative Parteibasis festlegen, wen sie präferieren und warum, müssen jetzt einfach mal alle abwarten, was die beiden nun tatsächlich im parteiinternen Wahlkampf sagen und wen sie jeweils um sich scharen. Beide haben schillernde und vielseitige persönliche und politische Biographien – genau das qualifiziert sie ja schließlich für den wohl undankbarsten Job in der britischen Politik.
Sunak und Truss haben viel Erfahrung nicht nur in zwei Schlüsselministerien, sondern auch in der eigenen Partei, deren Innenleben eher einem wilden Haifischbecken als einer gesitteten politischen Vereinigung gleicht. Sie wissen beide genau, wie man Kampagnen fährt und auch wieder beendet, wie man Machtstreben und Amtsführung trennt und wann es opportun ist, das politische Klima anzuheizen oder abzukühlen. Großbritannien hat jetzt eine ungewohnte und stellenweise etwas durchgedrehte politische Hitzeperiode hinter sich. Jetzt ist die Zeit für einen typisch britischen kühlen Sommer gekommen.
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