Das Leben als trans Frau: Keine Akzeptanz erreicht
Unsere Autorin möchte einfach ihren Alltag als Mutter meistern. Doch als trans Frau muss sie ständig ihr Geschlecht beweisen.
Eigentlich möchte ich als trans Frau einfach in Ruhe gelassen werden. Kein Spielball in gesellschaftlichen Debatten über Geschlecht sein, nicht von einem menschenverachtenden Gesetz aus den 1980ern drangsaliert werden, überhaupt: mein Geschlecht nicht anderen Menschen gegenüber beweisen müssen. So wie die meisten anderen Menschen auch. Ich würde gerne einfach den Familienalltag bewältigen, mein Zweijähriges beim Aufwachsen begleiten und durch die Coronapandemie bringen, sowie mein Leben mit etwas weniger Wut auf eine Gesellschaft genießen, die es mir tagtäglich erschwert.
Die steigende gesellschaftliche Sichtbarkeit von trans Personen führt zu einem stärkeren öffentlichen Bewusstsein für uns – im Guten wie im Schlechten. Die Whistleblowerin Chelsea Manning oder Schauspielerinnen wie Laverne Cox („Orange Is The New Black“) bringen Repräsentation für das Thema in die Popkultur. Spätestens seit der Einführung des dritten deutschen Geschlechtseintrags „divers“ müssen sich die Menschen in Deutschland damit auseinandersetzen, dass ihr binäres Verständnis von Geschlecht noch nie der materiellen Realität entsprach und inzwischen auch inkompatibel mit der juristischen ist.
Die Autorin twittert unter @MayaMitKind. Ihr bürgerlicher Name wird in diesem Text aus Schutz vor transfeindlicher Gewalt nicht genannt
Für viele cis Personen – also all diejenigen, deren eigenes Geschlechtsempfinden mit dem übereinstimmt, was ihnen zu Beginn ihres Lebens in ihre Geburtsurkunde eingetragen wurde – bricht diese neue Realität mit ganz fundamentalen falschen Prämissen: damit, dass es eben nur zwei Geschlechter gebe, dass alle Frauen zwei X-Chromosomen hätten oder dass eine Person mit Penis stets ein Mann sei. Das ist unbequem für alteingesessene Weltbilder und sorgt für Widerstände.
Manche nehmen die Herausforderung des Wandels gut an. Und warum auch nicht: Für cis Personen ändert die Akzeptanz von trans Personen eigentlich ähnlich wenig wie die gleichgeschlechtliche Ehe für Heterosexuelle. Menschen mit Respekt zu begegnen, selbst wenn sie von der gesellschaftlichen Norm abweichen, sollte wirklich nicht schwierig sein: Benutze einfach den richtigen Namen, die korrekte Anrede, das richtige Pronomen und stelle uns keine invasiven Fragen über unseren Genitalbereich – wie bei den cis Menschen in deinem Umfeld auch – und schon hast du bei den meisten trans Personen einen Stein im Brett.
Zwangsgeoutet als trans
Besonders freue ich mich, wenn cis Personen ebenfalls empört über das „Transsexuellengesetz“ sind, das seit fast 40 Jahren in Deutschland die Diskriminierung von trans Personen sicherstellt. Für den Sachbearbeiter im Bürgeramt letztens ergab es beispielsweise keinerlei Sinn, dass ich, amtlich eine Frau wie jede andere, in der Geburtsurkunde meines Kindes weiterhin als „Vater“ eingetragen bleibe und zudem mit einem nicht mehr genutzten Namen, der keinem gültigen Ausweisdokument entspricht. Für ihn war es einfach maximal verwirrend – für mich als trans Mutter ist es traurige Realität, dass ich an jeder Stelle, für die die Geburtsurkunde relevant ist, als trans zwangsgeoutet werde. Nicht zuletzt bei Auslandsreisen mit meinem Kind.
Diese Absurdität ist nur ein Aspekt des Gesetzes. Es besagt auch, dass wir für die simple Änderung unseres eingetragenen Namens und Geschlechts vor Gericht mit zwei unabhängigen psychotherapeutischen Gutachten beweisen müssen, dass wir „unter dem Zwang stehen“, in unserem Geschlecht zu leben. Das ist an sich schon eine bemerkenswerte Verdrehung der Tatsachen, denn üblicherweise ist unser Leidensmoment ja gerade der von außen auferlegte Zwang, im uns bei Geburt eingetragenen falschen Geschlecht zu leben. Ob sich Frau Merkel wohl zum Frausein gezwungen fühlt? Wenigstens musste sie nicht wie ich über 1.000 Euro Prozesskosten bezahlen, um es juristisch feststellen zu lassen.
Auch im medizinischen System verbessert sich bisher wenig – noch immer wird pathologisiert, noch immer verlangen die meisten Krankenkassen zwangsweise eine Psychotherapie, bevor Hormontherapie oder Operation erlaubt werden. Wie bei den obigen Gutachten steht dahinter der Grundgedanke, dass das Geschlechtsempfinden einer Person von außen verifiziert werden könnte. Dabei ist das völlig absurd – abprüfen lassen sich dort höchstens Klischees wie Kleidung und geschlechterstereotypes Verhalten in der Kindheit. Das Geschlecht von Menschen hängt aber doch nicht davon ab, ob sie früher lieber mit Puppen oder mit Autos gespielt haben.
Sich einer fremden Person psychisch zu öffnen, die gleichzeitig über unseren Zugang zu medizinischen Maßnahmen entscheidet, ist ein großes Risiko. Im juristischen Bereich würde niemand es in Ordnung finden, wenn wie hier jemand gleichzeitig die Rolle als Rechtsbeistand und als Richter innehat.
Auch außerhalb des rechten Randes
Neben dieser vom Staat vorgeschriebenen Diskriminierung von trans Personen ist leider auch gesellschaftlich noch lange keine Akzeptanz erreicht. Unter anderem wird das an der öffentlichen Debatte deutlich, die sehr selten die transfeindlichen Zustände kritisiert, aber häufig jeglichen Versuch problematisiert, etwas an ihnen zu ändern.
Die Logik dahinter scheint zu sein, dass jegliche transfreundliche Verbesserung nur dann akzeptabel ist, wenn sich keine einzige cis Person davon gestört fühlt oder sich vielleicht etwas umgewöhnen muss – als wenn trans Personen bloß Menschen zweiter Klasse wären. Anstatt beispielsweise nüchtern die Realität zu betrachten, dass trans Frauen im Profisport keinesfalls das Feld dominieren, wird eifrig eine Debatte darüber geführt, ob ihre Teilnahme nicht eigentlich verboten werden müsste. Ähnlich ist es bei Diskussionen über unseren Zugang zu Frauenhäusern oder Damenumkleiden. Anders als bei cis Frauen wird unser Frausein stets als verhandelbar dargestellt – selbst wenn es um so etwas Banales geht wie die Frage, auf welcher öffentlichen Toilette wir pinkeln.
Wir müssen nicht mal bis zum rechten Rand der Gesellschaft schauen, um Delegitimierung oder glatte Falschinformationen zu finden. Das findet in fast allen Medien statt. So definiert beispielsweise Jan Feddersen in dem Magazin FuturZwei aus dem taz Verlag trans als „Mensch, der seine Identität für flüssig hält, weitgehend dauerhaft“ – völliger Quatsch. Überhaupt ist in der Berichterstattung häufig von „Transfrauen“ statt trans Frauen zu lesen. Doch trans ist ein Attribut, wie „blond“ oder „groß“ – ich bin nicht Teil einer anderen Spezies, sondern einfach eine Frau wie jede andere. Niemand würde „Blondfrau“ oder „Großfrau“ schreiben.
Selbst in der queeren Community existieren einflussreiche Stimmen, die die Legitimität von trans Personen für diskutierbar halten. So hat die Initiative Queer Nations (IQN) vor Kurzem eine transfeindliche Veranstaltung beworben, die im Gebäude der taz hätte stattfinden sollen und in der Trans-Sein als „Irrweg“ und die medizinische Transition von trans Jungen als „Sterilisierung und Verstümmelung der Körper junger Mädchen“ beschrieben wurde. Nach heftiger öffentlicher Kritik wurde die Veranstaltung zwar abgesagt, doch die IQN fand es weiter diskutierbar, welche „Problematik“ sich aus der „Transkultur“ ergeben könne. So was macht mich traurig.
Ich bin fest davon überzeugt, dass eine echte Akzeptanz von trans Personen das gesellschaftliche Verständnis von Geschlecht nur bereichern kann – weg von Stereotypen, hin zu Selbstbestimmung. Es würde gut tun, wenn cis Personen diesem Wandel eine Chance geben könnten, anstatt sich misstrauisch Möglichkeiten herbeizufantasieren, wie er cis Personen schaden könnte. Dann müsste an diese Sache mit dem Geschlecht auch nicht mehr so viel Druckerschwärze verschwendet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste