Das Ende von Chinas „Null-Covid“-Politik: Schmerzhafter Exit-Plan für China
Die Volksrepublik probt schrittweise Lockerungen für ein „Leben mit Covid“. Doch die Impfraten unter den Älteren sind zu niedrig.
Praktisch drei Jahre nachdem der erste Coronapatient in Wuhan identifiziert wurde, hat Chinas Staatsführung nun also zur pandemischen Kurskorrektur angesetzt. Ob die „Null Covid“-Politik nun vollkommen verabschiedet oder nur flexibler umgesetzt wird, wie es im offiziellen Narrativ heißt, wird sich wohl zeigen. Doch es scheint mehr als offensichtlich, dass die Volksrepublik ihre Bevölkerung mental auf das „Leben mit dem Virus“ vorbereiten möchte.
Der Propagandaapparat stellt dafür bereits die Weichen. „Chinesische Wissenschaftler haben bewiesen, dass die Pathogenität von Omikron im Vergleich zu früheren Varianten deutlich abgenommen hat!“, lautet etwa eine Schlagzeile der Parteizeitung Global Times. Was für den Rest der Welt keine Neuigkeit ist, muss in China als „Eilmeldung“ präsentiert werden, damit niemand der 1,4 Milliarden auf die Idee kommt, dass Xi Jinpings Prestigeprojekt „Null Covid“ möglicherweise gescheitert sei.
Die nun eingeleitete Öffnung erfolgt dabei weniger aus innerer Überzeugung denn auf äußeren Druck: Die Protestbewegung der letzten Wochen hat Peking vor Augen geführt, dass die Geduld der Leute nach über zweieinhalb Jahren „Null Covid“ am Ende ist. In den nächsten Wochen steht die Bevölkerung vor großen Herausforderungen. Denn die Lokalregierungen haben seit zwei Jahren ihre Gelder vor allem für die täglichen Massentests oder den Bau von Quarantänezentren ausgegeben und dadurch wurden die Investitionen in Notfallbetten vernachlässigt.
Der nur langsame Ausbau des Gesundheitssystems dürfte sich nun rächen: Es kursieren mehrere Prognosen, wie viele Menschenleben ein unkontrollierter Virusausbruch kosten könne. Allesamt sind sie ernüchternd: Das in London ansässige Unternehmen „Airfinity“ geht zwischen 1,3 und 2,1 Millionen Toten aus. In einer aktuellen Studie der Infektionsschutzbehörde im südostchinesischen Guangxi wird von mehr als zwei Millionen Toten und bis zu 233 Millionen Infizierten ausgegangen. Eine ähnliche Öffnung wurde bereits zuvor in Hongkong durchgeführt.
Keine Zulassung für ausländische Vakzine
Gemindert werden könnte der gesundheitspolitische Schaden nur durch eine höhere Impfrate. Doch diese ist ausgerechnet bei den älteren Generationen viel zu niedrig: Nach wie vor haben lediglich 40 Prozent der über 80-Jährigen bislang eine Booster-Impfung erhalten. Das Ziel ist jetzt laut dem Magazin Caixin, in dieser Altersgruppe bis Ende Januar eine Booster-Rate von 90 Prozent zu erzielen. Wie dies erreicht werden soll, ist allerdings noch völlig offen.
Die niedrige Impfrate hat vor allem mit der verbreiteten Wissenschaftsskepsis der Senioren zu tun, die lieber der traditionellen chinesischen Medizin vertrauen. Zudem hat der Staat im Vergleich zu anderen Generationen weniger Hebel, um sozialen Druck auszuüben. Die Impfkampagne lief schließlich vor allem über Parteiinstitutionen, Arbeitgeber und Schulen. Vor einem Impfzwang hat Peking bislang zumindest zurückgeschreckt.
Ein wenig Abhilfe schaffen könnten zudem die Mrna-Impfstoffe von Biontech und Moderna, die in ihrer Wirksamkeit den chinesischen Totimpfstoffen überlegen sind. Aber der chinesische Staatspräsident Xi Jinping ist auf absehbare Zeit nicht bereit, westliche Impfstoffe zu akzeptierten.
Keine ausländischen Vakzine wurde bis heute in China zugelassen. Erklärt wird dies gemeinhin mit nationalistischem Stolz. Doch „es ist auch der paranoide Glaube, dass es ein nationales Sicherheitsrisiko darstellt, sich auf westliche Impfstoffe zu verlassen“, kommentiert auf Twitter Tong Zhao, der derzeit an der US-Princeton-Universität recherchiert.
Ein Erfolg bleibt den Chinesen unbenommen: Im Vergleich zu den meisten anderen Ländern hat man die tödliche Welle der Delta-Variante nahezu ohne Virustote überstanden.
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