Das Ende des Coffee-to-go-Pappbechers: Friede seiner Asche
Hunderte Millionen Einwegbecher verursachen jede Menge Müll. Aus diesem Grund trägt eine Initiative die Becher jetzt symbolisch zu Grabe.
In den fernen Südstaaten der USA ist es durchaus üblich, dass eine Brass Band den Verstorbenen auf seinem letzten Gang zum Friedhof mit Swingmusik begleitet. Haben sich die Angehörigen zum letzten Mal vom Toten verabschiedet, wird die Musik ausgelassen und tanzbar. In Deutschland verbindet man mit einer Beerdigung dagegen eher traurige Reden und trockenen Kuchen. Insofern war es eine für Berliner Verhältnisse eher ungewöhnliche Begräbniszeremonie, die da am Montagmorgen um halb neun in der Friedrichstraße für Aufmerksamkeit sorgte: Mit Jazzmusik trug die Initiative Better World Cup den Coffee-to-go-Becher symbolisch zu Grabe.
Da transportieren also Sargträger auf den Schultern einen riesigen Einweg-Kaffeebecher in einem offenen Sarg. Vorweg marschieren Musiker mit Trompete, Posaune, Tuba und Banjo. Alle mit schwarzem Frack, farbigen Westen und Zylindern bekleidet. Unwillkürlich wippt man mit. Eine junge Frau eskortiert den Zug und hebt ein Protestschild im Takt auf und ab. Die roten Pailletten ihrer Weste glitzern in der Sonne. Der Zugführer wiederholt mit dem Megafon die Worte des Schildes: „Berlin, gib den Becher ab!“
Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, die Berliner Stadtreinigung (BSR) und verschiedene Wirtschafts- und Umweltverbände wollen mit dieser Aktion auf die immense Ressourcenverschwendung sowie die ungeheure Müllmenge aufmerksam machen, die durch die Einwegbecher anfallen: 20.000 Einwegbecher pro Stunde fallen allein in Berlin an, das sind etwa 170 Millionen Becher im Jahr.
Seit einem Jahr wirbt die Initiative Better World Cup für den Umstieg auf den Mehrwegbecher. Mittlerweile haben sich mehr als 750 Kaffeeverkäufer bereit erklärt, mitgebrachte Becher zu befüllen. Kund*innen erhalten dann bis zu 30 Cent Rabatt.
Nicht recycelbarer Müll
Das sei noch viel zu wenig, findet Anne-Kathrin Kahrs von der Stiftung Naturschutz, denn: „Der Kunststoffbecher soll aus dem Stadtbild verschwinden.“ Die Bezeichnung „Pappbecher“ verleite zu der Annahme, man könne die Einwegbecher einfach in der Papiertonne entsorgen. Viele Menschen wüssten nicht, dass das Papier mit Folie überzogen und nicht recycelbar sei.
In der Friedrichstraße haben sich Schaulustige um den Trauermarsch versammelt: „Bravo“-Rufe, als eine Passantin ihren Pappbecher gegen einen Mehrwegbecher tauscht. Die getragene Musik ändert ihr Tempo, wird schneller, fröhlicher. Mit einem Schwung wird der Pappbecher in den Sarg befördert. Mögen ihm noch viele dorthin folgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Klimaschützer zu Wahlprogrammen
CDU/CSU und SPD fallen durch, Grüne punkten nur wenig