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Das BMI äußert sich zur GrenzschließungAsyl in Viruszeiten

Das Bundesinnenministerium betont nach einem Medienbericht, am Asylverfahren habe sich nichts geändert. Die Linke widerspricht.

Deutsche Bundespolizisten kontrollieren den Einreiseverkehr aus der Schweiz Foto: Patrick Seeger/dpa

Berlin taz | Das Bundesinnenministerium (BMI) dementiert einen Bericht des Focus, wonach die Einreisebeschränkungen nach Deutschland im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nun auch auf Asylsuchende ausgeweitet worden seien. „Am bisherigen Asylverfahren hat sich keine Änderung ergeben“, betonte eine Sprecherin des Ministeriums auf taz-Nachfrage. Auch in der Regierungspressekonferenz betonte ein Sprecher des Ministeriums, es gebe keinen Erlass und keine Anweisung an die Bundespolizei, Asylbewerber an der Grenze grundsätzlich abzuweisen.

Zuvor hatte der Focus unter Berufung auf Regierungs- und Koalitionskreise berichtet, Asylbewerber*innen müssten damit rechnen, „ab sofort an der Bundesgrenze abgewiesen zu werden“. Bisher seien sie von den Einreisebeschränkungen ausgenommen gewesen und hätten ins Land gedurft.

Über einen entsprechenden Erlass hätten die Parlamentarischen Staatssekretäre des BMI den Innenausschuss bereits am Montag informiert. Das Magazin zitierte die Ausschussvorsitzende, Andrea Lindholz (CSU), mit den Worten, Zurückweisungen an der Grenze seien „aus Gründen des Gesundheitsschutzes geboten und rechtlich zulässig“.

Die Linken-Politikerin Ulla Jelpke widersprach der Darstellung des BMI: „Ich kann bestätigen, dass Vertreter des Bundesinnenministeriums in einer Telefonkonferenz mit dem Innenausschuss am Montag von einer Anweisung an die Bundespolizei berichtet haben, wonach Asylsuchende an den EU-Binnengrenzen zurückgewiesen werden sollen“, sagte sie der taz.

Scharfe Kritik von Linken und Grünen

Die Zurückweisung von Asylsuchenden mit der Begründung, „dass diese pauschal eine Bedrohung für die ‚öffentliche Gesundheit‘“ darstellte, sei aus ihrer Sicht rechtswidrig, so Jelpke. „Das Grundrecht auf Asyl kann in Zeiten der Corona-Pandemie nicht einfach außer Kraft gesetzt werden.“

Auch die Grünen-Politikerin Luise Amtsberg kritisierte einen solchen etwaigen Beschluss. Es gebe „reichlich Möglichkeiten, die Ansteckungsgefahr zu minimieren ohne die Möglichkeit, Asylanträge zu stellen, vollständig auszuschließen“, sagte Amtsberg der taz. So könnten Schutzsuchenden an der Grenze in Quarantäne genommen und auf eine Coronainfektion getestet werden, bevor sie auf die Länder weiterverteilt werden. „Die Bundesregierung muss transparent machen, warum diese Maßnahmen aus ihrer Sicht nicht genügen.“

Ein Erlass wie der Focus ihn beschreibt sei „den Mitgliedern des Innenausschusses nach meinem Kenntnisstand noch nicht zugegangen“, sagte Lars Castellucci, migrationspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der taz. „Wir müssen aber alle gerade mit Einschränkungen in unsere Grundrechte leben, und davon wird sicher auch das Asylsystem nicht unberührt bleiben.“

Im Moment sei das Wichtigste für die Verbesserung der Situation von Asylsuchenden die gemeinsame Aktion mehrerer Staaten zur Entlastung Griechenlands. „Die muss umgehend umgesetzt werden und kann helfen, das europäische Asylsystem wieder in Gang zu bringen, wenn die Coronakrise wieder vorbei ist“, so Castellucci.

Flächendeckende Tests

Das BMI erklärte, Asylsuchende würden flächendeckend bei der „ohnehin erfolgenden medizinischen Untersuchung unverzüglich auch daraufhin in Augenschein genommen“, ob Anhaltspunkte für eine Corona-Infektion erkennbar seien und auf die Lungenkrankheit Covid-19 getestet.

Die Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte, Bund und Länder hätten „entschieden, dass die Verteilung der Asylsuchenden weiterhin erfolgen kann, wenn Gesundheitsuntersuchung und Corona-Test am Anfang des Asylprozesses durchgeführt oder nachgewiesen eine 14-tägige Separierung ohne Erkrankung der Asylsuchenden erfolgt ist.“ Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe zudem seine bisherige Verfahrensweise umgestellt: In dem kommenden Wochen sollen demnach Asylanträge primär in schriftlicher Form gestellt werden.

Pro Asyl kritisierte Grenzschließungen für Geflüchtete am Freitag scharf und bezeichnete diese als „Skandal“. Es werde „eins der elementarsten Menschenrechte außer Kraft“ gesetzt, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Organisation. „Die Genfer Flüchtlingskonvention sowie das völkerrechtliche Abschiebungsverbot gelten auch in Krisenzeiten und dürfen nicht einfach ausgesetzt werden.“

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Toll- wir können uns alle drauf verlassen, dass das BMI die Wahrheits´ sagt, Bundespolizisten jede Zurückweisung sofort melden wüden und keinesfalls illegal handeln würde. Und das Asylverfahren ist, die in Moria verrecken zu lassen. Aber das ist ja alles keine Schuld des BMI- "Wir würden ja gerne, aber.... Sie wissen schon...die Griechen..."

  • aus epidemologischer Sicht ist der Ausschluss von Asylsuchenden vollkommen unsinnig. Zielführend wære zu Beginn der ersten Faelle eine Quarantæne aller Menschen bei Rùckkehr oder Einreise aus einer betroffenen Region gewesenJetzt nach dem Europa das Epizentrum ist spielt es keine Rolle mehr wenn vereinzelt weitere Infizierte einreisen. Und das sind bislang keine Geflùchteten. Corona kam sehr wahrscheinlich ùber Geschæftsreisende nach Europa. Das Maerchen dass Geflùchtete Krankheiten stärker als andere haben und übertragen ist eine rassistische rechtsideologische Mær.

  • 0G
    01767 (Profil gelöscht)

    Bis die aktuelle Krise einigermaßen unter Kontrolle ist, sollten keine zusätzlichen Migranten in Deutschland mehr aufgenommen werden. Es handelt sich hier um eine Notlage - eine Seuche. Nur ein funktionierendes Land kann in ein paar Monaten in der Lage sein, wieder eine kleine Anzahl von asylberechtigten Menschen aufzunehmen.

  • "Es ist natürlich hanebüchener Unsinn, der von pro asyl und Frau Jelpke verbreitet wird"

    Jetzt wischen Sie sich mal den Schaum vom Mund -- das erleichtert den Duchblick.

    Die Rede ist sicher nicht von den Asylsuchenden, die nach "Dublin" sowieso nicht nach Deutschland dürfen -- sondern von denen (sehr wenigen) zu deren Aufnahme sich DE gnädigerweise bereiterklärt hat.

    Dass das immer noch zu wenig ist, dass "Dublin" die EU destabilisiert und in Italien und Griechenland Rechtsextremisten auf den Plan ruft, dass wir, Deutschland uns hinter Formalien verstecken, um unserer solidarischen Pflicht zu entkommen (dafür ist Ihr Text ein trauriges Beispiel!) -- geschenkt.

    Das wird uns noch teuer zu stehen bekommen. Und dann werden Leute wie sie sagen "wir haben nicht gewusst...".

    Hatten wir schon alles.

    • @tomás zerolo:

      Ich schäume keineswegs, sondern betrachte das alles als beruflich mit der Thematik befasste Juristin. Es ist von Einreisen über die Binnengrenze, mithin die deutsche Landgrenze, im Artikel die Rede und nicht von der freiwilligen Aufnahme von Kontingentflüchtlingen im Rahmen von Vereinbarungen z. B. mit dem UNHCR. Natürlich ist gar niemand mehr Flüchtling oder schutzbedürftig, der seine Flucht bereits in einem anderen EU-Staat faktisch deshalb beendet hat, weil er von dort aus keine Abschiebung in einen Verfolgerstaat befürchten muss und Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung nicht nur beantragen kann, sondern nach den Dublin-III-Regelungen auch beantragen muss. Die Zurückweisung dieser Personen an der deutschen Grenze ist nach bundesdeutscher Rechtslage zwingend erforderlich. Tun wir dieses nicht, dann gibt es in der Tat ein böses Erwachen, weil sich viele von einem Staat abwenden (und womöglich die politische Rechte stärken) werden, der das eigene Recht ignoriert.

      Zudem geht der Seuchenschutz, mithin der Schutz von Leben und Gesundheit der hier lebenden Menschen - unveräußerliche Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 1 Grundgesetz - dem Grundrecht aus Artikel 16a Abs. 1 GG (Asylrecht) bei einer Abwägung vor.

  • Es ist natürlich hanebüchener Unsinn, der von pro asyl und Frau Jelpke verbreitet wird. Asyl- und menschenrechtlich wird kein einziges Grundrecht außer Kraft gesetzt; vielmehr wird geltendes Recht angewandt. Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet lediglich die Zurückweisung von Personen, die unmittelbar aus einem Verfolgerstaat einreisen. Da keines der Länder, mit denen Deutschland eine Landgrenze teilt, ein solcher ist, vielmehr in allen EU-Staaten und der Schweiz Asylanträge gestellt werden können, ist eine Zurückweisung möglich, legal und legitim. Sowohl der Schengener Grenzkodex (Art. 25 Abs. 1 Satz 1: "Erfordert die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit eines Mitgliedstaats ein sofortiges Handeln, so kann der betreffende Mitgliedstaat ausnahmsweise an den Binnengrenzen unverzüglich Grenzkontrollen wieder einführen.") als auch die Dublin-III-Verordnung (Art. 3 Abs. 3 der DÜ-VO betont, dass jeder Staat das Recht behält, Ausländer in sichere Drittstaaten zurückzuweisen) lassen EU-Binnengrenzenkontrollen zu, wenn der Schutz der EU-Außengrenzen nicht funktioniert. Genau dies ist angesichts der nach wie vor sehr hohen Zahl der illegalen Einreisen in die EU der Fall. Art. 16a Abs. 2 Satz 1 schließt Ausländer, die illegal ins Bundesgebiet über einen sicheren (EU-)Drittstaat einreisen, vom Asylverfahren aus.



    Das Bundesverfassungsgericht hat dazu mit Urteil vom 14.05.1996 (- 2 BvR 1938/93 - und - 2 BvR 2315/93 -) festgestellt:



    "Art. 16a Abs. 2 GG beschränkt den persönlichen Geltungsbereich des in Art. 16a Abs. 1 GG nach wie vor gewährleisteten Grundrechts auf Asyl. Wer aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG anreist, bedarf des Schutzes der grundrechtlichen Gewährleistung des Absatzes 1 in der Bundesrepublik Deutschland nicht, weil er in dem Drittstaat Schutz vor politischer Verfolgung hätte finden können." Eine Einreise auf dem Landweg ohne dafür notwendige Einreisepapiere ist ein Verstoß gegen § 15 (1) AufenthG.