Das AEG-Gelände in Nürnberg: Vom Schauwert einer alten Marke
Wo die AEG einst ihre Geräte produzierte, gibt es in Nürnberg heute einen Showroom. Dieses „Home of AEG“ ist aber nicht für alle offen.
Vom Streik ist nicht die Rede
46 Tage lang kämpfte damals die Belegschaft streikend für den Standort, an dem zeitweise über 5.000 Menschen tätig waren. Davon aber steht kein Wort im Showroom, den Electrolux – die von Nürnberg aus weiter Produkte der Marke AEG vertreibt – vergangenes Jahr aufpolieren ließ. „Home of AEG“ lautet das Motto der Selbstinszenierung mit großzügigen Nischen, in denen aktuelle Hightechgeräte fürs Waschen, Kochen oder Kühlen neben langen Konferenztischen samt noblem Sitzmobiliar präsentiert werden.
Bei der Eröffnung sprach das Unternehmen von einem „bedeutenden Meilenstein“. Nicht zu überhören war, dass Electrolux verstanden hatte, dass es nicht so klug war, die AEG kleinzumachen. Von einer „Premiummarke“ war die Rede, der neue AEG-Showroom solle eine „Plattform“ sein: „für den intensiven Austausch mit Partner:innen als auch eine einzigartige Gelegenheit für Besucher:innen, in die AEG-Welt einzutauchen.“
Die Besonderheit
Wo bis 2007 Massenprodukte von AEG hergestellt wurden, hat sich ein Städtchen aus Forschungslaboren, Start-ups, Gastronomie, Kultur, Geschäften und Ablegern von Global Playern entwickelt. Und in einem Eckchen gibt es mit dem „Home of AEG“ eben noch die Inszenierung eines Stücks deutscher Industriegeschichte.
Das Zielpublikum
Das AEG-Gelände ist weitläufig und offen für alle. Hinter den Betonzweckbauten der 1960er Jahre winken Einblicke und Entdeckungen in die Kunst der Transformation von Industriebrachen.
Hindernisse auf dem Weg
Dass der „Home of AEG“-Showroom samt seiner Espressobar bisher nicht zugänglich für Normalbürger:innen ist, ist doch ein Manko, das behoben werden sollte.
Wer diese Worte allerdings als Einladung versteht und erwartungsvoll durch die gläserne Drehtür geht, wird schnell vom Portier gestoppt. Die kunstvoll drapierten Waschmaschinenreihen dürfen nur ausgewählte Gäste inspizieren, die eine Einladung oder einen Firmenausweis mitbringen. Auch die schicke Espressobar darf man nur aus der Ferne bewundern, ein Heißgetränk kriegt man nicht einmal serviert, wenn man es bezahlen würde.
Der Besuch der neuen AEG-Heimat ist eine Enttäuschung. Eine etwas freundlicher gestimmte Dame am Empfang gewährt immerhin einen Blick auf zwei PR-Tafeln mit einer kleinen Chronik über die Nachhaltigkeit der AEG-Produkte vom ersten Lavamat mit Energiesparprogramm anno 1976 bis zur EcoLine 2023. Da die Electrolux-Zentrale auf taz-Anfragen nicht reagiert, bleibt am Ende nur der Blick durch die Schaufenster – an Erwartungen gescheitert, könnte man sagen.
Im früheren Werksgebäude 31, wo neben Produktion, Logistik und Büros auch die Endkontrolle angesiedelt war, hatte Electrolux ein Jahr nach dem Aus der Produktion in Nürnberg die Deutschlandzentrale eingerichtet – untergebracht auf einem Bruchteil des insgesamt 168.000 Quadratmeter großen Industriegeländes. Dort stößt man dann neben dem Showroom auf viel neues Leben, das sich nach dem Verkauf des Geländes an einen Immobilienentwickler ab 2008 schrittweise ansiedelte.
Am Anfang bekamen Künstler:innen billige Ateliers, mit Ausstellungen durften sie leerstehende Hallen füllen. Ein paar Skulpturen sind aus dieser Zeit geblieben, die meisten Kreativen mussten aber weiterziehen, als Unternehmen wie Siemens und Adidas, diverse Start-ups und Hochschulen auf dem Gelände einzogen. Tagsüber riecht es nach asiatischem Essen und frischen Espressobohnen. Durch viele Fenster sieht man in Labore, wo nach Wegen für eine effizientere Erzeugung und Nutzung von Energie gesucht wird. Nach Feierabend wird indoor gesportelt, in der „Kulturwerkstatt Auf AEG“ erklingen Instrumente der kommunalen Musikschule.
Ein Masterplan für die Zukunft
Während das südliche AEG-Areal quasi komplett vermietet ist und bereits weiterverkauft wurde, steht der Wandel im Norden noch bevor. Das Büro der Gehl Architects aus Kopenhagen hat einen Masterplan für ein zukunftsweisendes Wohnviertel entworfen – die Erdarbeiten laufen, 2025 soll gebaut werden. Bagger bevölkern schon heute die noch halbherzig gestaltete Fahrradstraße.
Alles genau im Blick hat Christian Keimel, der als einer der ersten Mieter bei der zentralen Zufahrt an der Muggenhofer Straße das Café Pforte eröffnete. Die weißen Regale sind ebenso geblieben wie der gläserne Rahmen, den über hundert Lampen kunstvoll erleuchten. Die „Pforte“ ist eine Institution geworden, was vielleicht auch daran liegt, dass Kuchen und Mittagessen auf Originaltellern mit rotem AEG-Signet serviert werden.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Hinter der Theke erinnert ein Aufkleber mit den Worten „Statt Zerschlagung: AEG muss bleiben“ an den großen Streik von 2006. Und an der Fassade der Pforte findet man ein rotes Quadrat mit der altbekannten AEG-Botschaft: Aus Erfahrung gut.
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