Darchau an der Elbe abgeschnitten: 50 Tage ohne Fähre
Wegen Niedrigwassers, gibt es schon seit 50 Tagen keine Verbindung nach Darchau. Niedersachsen ist bereit, eine geeignetere Fähre mitzufinanzieren.
Jetzt sind die Aussichten gut, dass erstmal eine neue Fähre gebaut wird, die auch mit niedrigen Wasserständen zurecht kommen würde. Vor wenigen Tagen erst habe er die Zusage bekommen, dass das Land Niedersachsen den Neubau zu 75 Prozent aus Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes bezuschussen würde, sagt Neu Darchaus Bürgermeister Klaus-Peter Dehde. Der SPD-Mann setzt sich für eine Fähre ein, damit seiner Gemeinde eine Brücke und der damit verbundene Verkehr erspart bleibt.
Die kleinere Schwestergemeinde Darchau gehört zum Amt Neuhaus, das von Lüneburg aus gesehen komplett auf der anderen Seite der Elbe liegt. Wer hier wohnt, und ins übrige Kreisgebiet will, ist auf die Fähren bei Darchau und Bleckede angewiesen – oder er muss zig Kilometer weite Umwege über die Brücken bei Dömitz oder Lauenburg in Kauf nehmen.
Allerdings fallen die Fähren immer wieder aus: wegen Reparaturen, Hochwassers oder extremem Niedrigwassers – wie jetzt gerade. Die Fähre „Tanja“, die zwischen Darchau und Neu Darchau verkehrt, liegt seit Wochen in einer Werft in Lauenburg, wo sie wegen der vielfachen Grundberührung repariert wurde. „Wir haben versucht, sie zumindest nach Bleckede zu holen“, sagt Andreas Dau, der Leiter des Fährbetriebs. „Wir sind verzweifelt, weil nicht abzusehen ist, wann die Elbe wieder ausreichend Wasser hat“, sagte er der dpa.
Gegner und Befürworter
Die Befürworter und Gegener des Brückenschlags haben sich Bürgerinitiativen organisiert. „Die Elbbrücke fördert die wirtschaftliche, gesellschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung in Südwestmecklenburg und im Nordosten Niedersachsens sowie die Bevölkerungsentwicklung im Amt Neuhaus“, argumentiert der Förderverein Brücken bauen.
Sie biete zuverlässige Wege zur Arbeit, zu Einkaufsmöglichkeiten und Schulen sowie für Rettungskräfte. Zudem ermögliche sie feste Busverbindungen und macht den nächstgelegenen Bahnhof Brahlstorf besser erreichbar.
Die Bürgerinitiative „Ja zur Fähre – Nein zur Brücke“ dagegen bezeichnet die Brücke verkehrspolitisch nicht notwendig und viel zu teuer. Die 20 Minuten, die die Fähre durch das Übersetzen und die Wartezeit Autofahrern abverlange, stünden in keinem Verhältnis zum Aufwand für die Brücke. Mit den jährlichen Unterhaltungskosten überfordere sie die Kreishaushalte. Sie beeinträchtige die Lebensqualität der Anwohner*innen und die Natur im Biospährenreservat Elbtalaue.
Ob der mit mittlerweile mehr als 90 Millionen Euro veranschlagte Bau einer Brücke mit Blick auf ihren Nutzen zu rechtfertigen ist, stellte 2019 der Bund der Steuerzahler in Frage. Eine Drucksache des niedersächsischen Landtages von 1995, also der Anfangszeit der Planungen, veranschlagt das Nutzen-Kosten-Verhältnis auf 1:5.
Plausibel wird das, wenn man sich die Verkehrsströme ansieht, die die Gesellschaft für Verkehrsberatung und Systemplanung (GVS) im im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens prognostiziert hat. Ohne Brücke würden wegen der schrumpfenden Bevölkerung 2030 nur 590 statt heute 690 Autos pro Tag die Elbe passieren – mit Brücke wären es gut 2.500.
87 Prozent des Verkehrs auf der Brücke würde sich zwischen den benachbarten Landkreisen abspielen. Der Lastwagenanteil stiege von sieben auf zehn Prozent. Zum Vergleich: Die 40 Kilometer entfernte Elbbrücke in Dömitz passieren 6.500 Autos am Tag.
Den bescheidenen Zahlen zum Trotz bezeichnet Lüneburgs Landrat Jens Böther (CDU) die Brücke als „eines unserer wichtigsten Projekte im Landkreis und für die ganze Region“. Der Kreis arbeite mit Nachdruck daran, Ende diesen/ Anfang nächsten Jahres den Planfeststellungsbeschluss dafür zu bekommen.
Die rot-grüne Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag 2022 niedergeschrieben, sie favorisiere „ein zukunftsorientiertes Fährkonzept“, zu dem auch eine verbesserte Fährverbindung in Bleckede gehören würde. Ein Brückenbau im Rahmen einer kommunalen Lösung sei damit aber nicht ausgeschlossen, teilt das Wirtschaftsministerium mit.
„Wenn der Landkreis den Eigenanteil an den Brückenkosten aufbringen kann, dann wird auch das Land seinen Teil dazu beitragen“, schreibt das Ministerium. Das könne jedoch mehrere Jahre dauern, während sich die in kürzerer Frist verbessern lasse.
Die Brücke in Bleckede statt in Neu Darchau zu bauen, wie es Neu Darchaus Bürgermeister Dehde anregt, kommt aus Sicht des Landkreises Lüneburg nicht in Frage. „Bereits 1992 empfahl ein Rahmenkonzept für das Biosphärenreservat ‚Flusslandschaft Elbe‘ aus naturschutzrechtlichen Gründen ausdrücklich eine Brücke bei Darchau/Neu Darchau“, teilt der Kreis mit. Dieser Standort ist seit mehr als 30 Jahren sowohl politisch als auch planungsrechtlich verankert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!