Dänische Probe aufs Exempel: Der Klimabürgerrat hat geliefert
In Dänemark hat der Zusammenschluss von 99 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern die ersten Ergebnisse vorgestellt.
taz | Was passiert, wenn man 99 zufällig ausgewählte BürgerInnen, die möglichst repräsentativ für die Bevölkerung sein sollen, umfassend über ein komplexes Problem informiert und sie bittet, sich Lösungsvorschläge zu überlegen? In Dänemark weiß man das jetzt ein ganzes Stück besser. Klima ist das Thema, um das es ging, und nach monatelangen Debatten hat dort in der vergangenen Woche das erste nationale „Borgerting på Klimaområdet“, der aus 99 DänInnen bestehende Klimabürgerrat, der Regierung und der Öffentlichkeit 117 Vorschläge für die künftige Klimapolitik des Landes unterbreitet.
Es ist eine Mischung geworden. Teils bekannte Forderungen, wie die nach Einführung einer CO2-Abgabe, der Elektrifizierung aller öffentlichen Verkehrsmittel oder einer Begrenzung der Fleischproduktion in der Landwirtschaft und einer Renaturierung und Wiederbenässung von landwirtschaftlich genutzten Flächen. Aber auch weniger diskutierte Ideen: Klima als Unterrichtsfach schon in der Volksschule oder ein reformiertes Mülltrennungs- und Recyclingkonzept, das eine laufende Information der Öffentlichkeit über praktische Wirkungsweisen und Effekte umfassen soll.
Gleich ob von ExpertInnen und PolitikerInnen schon länger debattierte Vorschläge oder neue Ansätze, sagt der Kopenhagener Soziologe Anders Blok: Entscheidend sei, dass diese Ideen eine größere Legitimität bekommen könnten, wenn sie erst „den Drucktest in dieser Miniöffentlichkeit durchlaufen“ hätten, die der Bürgerrat sei, und sich damit deren Resonanz in einer breiteren Bevölkerungsgruppe zeige. Was insgesamt auffalle, sei der Appell an die PolitikerInnen: Seid mutiger, lasst euch davon leiten, was notwendig ist, und schielt nicht immer auf die nächsten Wahlen.
Besser ausgebildete Beteiligte sind überpräsentiert
„Beeindruckt von den guten und sorgfältig erarbeitenden Vorschlägen“ zeigte sich Dänemarks sozialdemokratischer Klimaminister Dan Jørgensen, als er den 96-seitigen Vorschlagskatalog entgegennahm. Jørgensen war es auch, der im Sommer 2020 das schon länger diskutierte Projekt eines Klimabürgerrats als Teil des dänischen Klimagesetzes verwirklichte. Hierzu war erst eine zufällige Auswahl von 5.000 Menschen kontaktiert worden. Aus den positiven Rückmeldungen wurden dann 99 Personen ausgesucht, die einen möglichst repräsentativen Ausschnitt der Bevölkerung widerspiegeln sollten. Beim Alter und der regionalen Verteilung klappte das gut, der besser ausgebildete Bevölkerungsteil ist aber mit 24 Prozent doppelt so stark repräsentiert, wie es dem Bevölkerungsdurchschnitt entspräche.
Jetzt muss sich zeigen, was die Politik mit den Empfehlungen anfängt. Minister Jørgensen versprach, die Vorschläge in die Überlegungen zu neuen klimapolitischen Maßnahmen, die Regierung und Parlament im Sommer beschließen wollen, „einfließen zu lassen“.
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