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DDR-Jugendradio DT 64Power aus der Zone

Die Öffentlich-Rechtlichen wollen sich nun endlich auch um die jungen Menschen kümmern. Gute Beispiele dafür gab es schon in der DDR.

Katarina Witt beim Jugendsender DT64 auf dem Nationalen Jugendfestival der DDR, 1984 Foto: Günter Gueffroy/imago

D a haben sich die Öffentlich-Rechtlichen aber gefreut. Der neue Medienstaatsvertrag, der 2023 in Kraft treten soll, ermöglicht ihnen nochmal deutlich mehr im Netz. Online only heißt der neue Schlachtruf. Online ist ja wichtig, um junge Menschen zu erreichen. Denn sie sind ARD, ZDF und Deutschlandradio abgesehen von Inseln wie KIKA und funk ja ein wenig abhanden gekommen.

Denn junge Menschen standen bei ihnen nie im Fokus. Das war im Osten anders. Hier gab es mit dem ehemaligen DDR-Jugendradio DT 64 einen Sender, der mit der friedlichen Revolution für viele zur Radioheimat wurde. Unter dem Motto „Power von der Eastside“ gingen hier demokratischer Wandel, Techno und modernes, publikumnahes Radio Hand in Hand.

Die politisch Rundfunkverantwortlichen (West) und vor allem der CDU/CSU sahen DT 64 daher mit genau so viel Skepsis wie zuvor ein gewisser Erich Honecker. Der DDR-Staats- und Parteichef hatte auch immer mal wieder kritisiert, dass bei DT 64 zu viel Beatmusik laufe. Und die Verantwortlichen im Westen waren Helmut Kohl (Kanzler) und Rudolf Mühfenzel (DDR-Rundfunkabwickler von der CSU)

Mühlfenzl war Jahrgang 1919, also damals schon 70 und voll Zielgruppe. Für den klassischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk versteht sich, nicht für ein Jugendradio. Ab 1991 wurde DT 64 deshalb schleichend abgewickelt. Auch mit Unterstützung der ARD-Anstalten, die gegen eine bundesweite Ausstrahlung waren. Es kam zu massiven Protesten und jeder Menge. Unterstützungs-Aktionen wie gesungenen Nachrichten, Privatsender-Parodien und dem von Udo Lindenberg persönlich abgefertigten Sonderzug nach Pankow. Genützt hat’s nichts.

Der Geist ist noch da

Zunächst bot der neugegründete MDR DT 64 noch Unterschlupf. Doch vor so ziemlich genau zwanzig Jahren beschloss der Sender, DT 64 von UKW auf die Mittelwelle zu verbannen. 1993 war dann auch hier endgültig Schluss mit DT 64, und was noch übrig blieb, wurde Sputnik. Auch da hatte die CDU ihre Finger im Spiel, der Name war Vorschlag des damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (damals 63).

„Also die coolen Leute von damals machen auch noch heute coole Sachen. Und manche von ihnen sogar im öffentlichen rechtlichen Rundfunk“, sagt die Mitbewohnerin und meint radioeins. Denn viele DT 64er blieben in Berlin und sind heute beim rbb.

Sputnik gibt es beim MDR immer noch. Doch mit dem Geist von DT 64 hat das nichts zu tun. Der ist anders wach, zumindest in einer Hälfte von Deutschland. In vielen Städten – aktuell im KUB und der nato in Leipzig – gibt Aktionen und Ausstellungen. Im Herbst sollen Greifswald und Rostock folgen.

Die Markenrechte von DT 64 hatte sich der MDR schützen lassen, aber nie genutzt. Offenbar sind die Rechte also zu haben – anders als bei Sputnik, wo der MDR ja immer noch Stress mit den Russen hat. Also ran die Rechte, Crowdfunding gab es 1992 noch nicht und das digitale Netz macht’s möglich. Holen wir uns die Power von der Eastside für die neue Jugend zurück.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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4 Kommentare

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  • Danke für diesen Beitrag.Die Abschaltung von DT 64 ist schon länger her, als im Beitrag genannt wurde.Mittlerweile 30 Jahre(!).Wie auch immer, in der jetzigen Radiolandschaft fehlt dieses Format völlig.Dieses Opfer (Abschaltung/Frequenzverlagerung) brachte man vermutlich ohne Absicht ;-).Man muss auch vergessen können.Einseitigkeit statt Einigkeit (Wiedervereinigung) in vielen Bereichen des übernommenen Staates DDR.Das Wort „Verlierer“ trifft es im Kern nicht.Tendenziell schon.Eine bunte Radiolandschaft ist in den 1990 iger Jahren entstanden.Leider trifft das nur auf die Äußerlichkeiten zu.Was im Inneren passiert hat marktwirtschaftliche Gründe.Nur in der DDR war es möglich DT 64 SO(!) zu betreiben.Mir war damals nicht klar, was eine Rettungsaktion von DT 64 nichts bringt.Das Statement „Power from the Eastside“ klang gut.“Power from the Westside“ setzte sich halt durch.

  • Aus der positiven Meinung, die der Autor über das „Jugendradio DT 64“ äußert, entnehme ich, dass er dieses frühestens gegen Ende der DDR kennengelernt hat, als auch die anderen DDR-Medien von den Vorgaben von der Staatspartei SED abrückten.



    Aber DT64 gab es schon früher, seit dem „Deutschland-Treffen der Jugend“ 1964 in Ost-Berlin. Die Verantwortlichen in Partei und Staat hatten wohl eingesehen, dass die DDR-Jugend zunehmend dem „Klassenfeind“ aus dem Westen Deutschlands Gehör schenkte. Also ging man den Kompromiss ein, die von der SED vorgegebenen Inhalte wenigstens in jugendliche Sprache und Musik zu verpacken. Wer es merkte, war verstimmt. Alle anderen erfreuten sich wenigstens an der Musik.



    Erst Ende 1989 rückte DT64 auch inhaltlich von der Staatstreue ab und begann auch Kritik an den von der SED zu verantwortenden Zuständen in der DDR zu üben.

  • DT64 Song



    www.youtube.com/watch?v=q1EJMPB_usM



    ..Mühlfenzl war Jahrgang 1919, also damals schon 70 und voll Zielgruppe. ..



    Grööhl!



    ..Denn viele DT 64er blieben in Berlin und sind heute beim rbb...



    Na logo, wo denn sonst!(Also zuerst Berlin...)



    www.ddr-museum.de/de/objects/1016452



    Wenn-LIFT



    www.youtube.com/watch?v=EK5FILULa9c



    .....DT64 hab ich auch im Westen gehört. Inselsberg 102.2MHz..Die Musik war meistens cool und es gab damals die Rubrik "Musik für den Recorder". Konnte man immer aktuelle Sachen mitschneiden, bei unserem Heimat Sender HR3 haben da immer die Moderatoren (absichtlich) rein gequatscht, es sollten ja Tonträger verkauft werden.....



    Sag ick doch!



    Wir haben zu tiefsten OZ, punktuell gehört. Mitternachtsblues,Jazz!



    Am Abend mancher Tage



    www.youtube.com/watch?v=cTgJpbZdYsc



    ...Holen wir uns die Power von der Eastside für die neue Jugend zurück...



    Raus mit die Jeist auß'e Flasche!



    ----------------------------------



    DT64: Der Sprung über die Abschaltung



    www.youtube.com/watch?v=atzjPHdVlgs



    Bert, Beert, Hallo Bert Lehwald...



    Null Uhr(Schön!)- Scheiße, gibt et denn keen Redakteur mehr....

    • @Ringelnatz1:

      Cool1:



      Supi Mitbewohnerin!