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DB-Cargo-Chefin gefeuertSigrid Nikutta muss aussteigen

Glücklos bei der Sanierung der Gütersparte bei der Bahn: DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta muss ihren Posten räumen. Ihre Nachfolge steht noch nicht fest.

Notbremsung: Sigrid Nikutta muss zum 30. Oktober ihren Chefinnenposten bei DB Cargo räumen Foto: dpa

Anfangs galt Sigrid Nikutta als erste Anwärterin für die Nachfolge des inzwischen abgesetzten Bahnchefs Richard Lutz. Doch nun muss Nikutta mangels messbarer Sanierungserfolge bei der ihr unterstehenden Güterverkehrssparte selbst das Feld räumen. Das bestätigten Konzernkreise der taz. Formal muss der Aufsichtsrat der Ablösung noch zustimmen. Das Gremium tagt erst am 30. Oktober.

Nikutta habe ein 3,1-Milliarden-Euro-Verlustgeschäft bei der Gütersparte zu verantworten, kritisierte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in der vergangenen Woche und forderte die Ablösung Nikuttas. Ein kurz darauf bei der Bahn eingegangenes Gutachten der Beratungsfirma Oliver Wyman über ihr Sanierungskonzept brachte das Fass zum Überlaufen. Es sei „verheerend“ ausgefallen, sagt ein damit Vertrauter, „das Rezept des Managements taugt nichts“.

Dabei war Nikutta 2019 mit vielen Vorschusslorbeeren zur Bahn gekommen. Die promovierte Psychologin leitete zuvor neun Jahre lang die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), das größte deutsche Nahverkehrsunternehmen. Auch die BVG steckte anfangs noch tief in den Miesen. Doch hier schaffte es Nikutta tatsächlich, die BVG mit Bussen und U-Bahnen wieder in die Gewinnzone zurückzubringen. Sich selbst bringt sie auch gerne ins Gespräch, etwa durch viel Präsenz in sozialen Netzwerken. Mal koppelte sie per Hand gemeinsam mit dem damaligen grünen Verkehrspolitiker Anton Hofreiter Güterwaggons zusammen, mal pries sie medienwirksam neue modulare Waggonmodelle.

Mit vielen Ideen wollte sie auch die Gütersparte der Bahn wieder flottmachen. Doch das misslang bisher. Private Güterbahnen durchleben derzeit zwar auch schwierige Zeiten. Doch arbeiten sie in der Regel profitabel. Ein Grund für das Verlustgeschäft bei DB Cargo ist auch der sogenannte Einzelwagenverkehr: Dabei werden Waggons von Einzelkunden zu Zügen zusammengestellt. Ein komplexer Vorgang, der, kurz gesagt, mehr Lkw-Verkehr auf die Schiene bringen und so CO₂ sparen soll. Umweltpolitisch ist das gewünscht – allerdings ist das Konzept bisher kaum wirtschaftlich zu betreiben und Subventionen fehlen.

Im vergangenen Jahr wagte Nikutta dann einen größeren Schritt. Sie wollte den lukrativen Kombinierten Verkehr, wobei Überseecontainer zunächst per Schiene und dann per Lkw zum Kunden transportiert werden, auf kleine Tochterunternehmen verlagern. Damit brachte sie allerdings die Gewerkschaften gegen sich auf, die um ihre Mitbestimmungsrechte fürchteten. Zeitweilig sprachen beide Seiten gar nicht mehr miteinander.

„Ein kopfloses Abwickeln“

Nikuttas Vorgehen zielte zwar auf eine schnelle Verbesserung der wirtschaftlichen Kennzahlen ab. Doch das geht laut EVG auf Kosten der langfristigen Entwicklung der Sparte. „Was sie ‚Transformation‘ nennt, ist in Wahrheit ein kopfloses Abwickeln“, urteilt die stellvertretende EVG-Chefin Cosima Ingenschay. Züge wurden verkauft und zurückgemietet, tausende Stellen abgebaut.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt in anderen Worten auch die vom Konzernvorstand beauftragte Beraterfirma. Es würden zwar durch einmalige Effekte schwarze Zahlen erreicht, doch keine nachhaltige Profitabilität. Auch seien die Annahmen für die Geschäftsentwicklung wahrscheinlich nicht erreichbar, heißt es in der Stellungnahme. Wer die Güterverkehrssparte künftig leiten wird, ist noch nicht bekannt.

Ein überzeugenderes Sanierungsprogramm ist nun bitter nötig, denn DB Cargo läuft die Zeit davon. Bis Ende 2026 muss die Sparte wieder in die Gewinnzone zurückkehren. Danach darf der Bahnkonzern die Verluste im Güterverkehr auf Geheiß der EU nicht mehr ausgleichen.

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