Cyberangriffe und Manipulation: Wie Iran im US-Wahlkampf mitmischt
Die iranische Führung will durch Hacks Unsicherheit in die USA-Wahlen bringen. Die Cyberangriffe richten sich kalkuliert gegen beide Parteien.
Ein hohes Gebot der internationalen Diplomatie ist die Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten. Insofern überrascht es nicht, dass die Vertretung der Islamischen Republik Iran bei den Vereinten Nationen jegliche Vorwürfe strikt zurückweist. „Die Anschuldigungen sind vollkommen unbegründet und völlig unzulässig“, hieß es Mittwoch vergangener Woche in einem offiziellen Statement. Die Vertretung des iranischen Regimes betont, dass Iran „weder die Absicht noch ein Motiv“ habe, „in die US-Präsidentschaftswahl einzugreifen“. Wie bei den meisten offiziellen Verlautbarungen des iranischen Regimes kann man davon ausgehen, dass genau das Gegenteil zutrifft.
Vergangene Woche gab die US-amerikanische Polizeibehörde FBI an, dass sie Beweise für iranische Hacks im US-Wahlkampf gefunden habe. Das iranische Regime habe die Präsidentschaftskampagne des republikanischen Kandidaten Donald Trump gehackt und sensible Informationen aus Mails und Strategiepapieren dem Team von Joe Biden angeboten. Zum Zeitpunkt der Hacks war Joe Biden noch Präsidentschaftskandidat der Demokraten.
Mitte August, einen Monat vor der FBI-Erklärung, hatte bereits das Technologieunternehmen Microsoft einen Bericht veröffentlicht, in dem es ausführlich darlegte, mit welchen Methoden das iranische Regime versuche, Chaos im US-amerikanischen Wahlkampf zu stiften. Man habe verschiedene Methoden entdeckt, durch die mit dem iranischen Regime verbundene Cybergruppen Einfluss auf die Innenpolitik in den USA zu nehmen versuchten, so Microsoft.
Eine Methode der staatlichen Einmischung sind Desinformationskampagnen: Mit dem iranischen Regime assoziierte Gruppen erstellen Webseiten, die echte Nachrichtenseiten imitieren, und spicken diese mit Propaganda. Eine dieser vom iranischen Regime installierten Fake-Webseiten hieß Nio Thinker. Sie wurde im Oktober 2023 gelauncht und schrieb beleidigende Texte über Trump, der unter anderem als „opioid-gefüllter Elefant im MAGA-Porzellanladen“ beleidigt wurde. Dieses Vorgehen erinnert an russische Cyberkampagnen, bei denen unter anderem deutsche Nachrichtenseiten nachgeahmt und mit russischer und antiukrainischer Propaganda gefüllt wurden.
Angriffe auf beide Lager
Auch Hacks gehören zum Repertoire der Cyberstrategie des iranischen Regimes, die in den Händen der Revolutionsgarden (IRGC) liegt. Die New York Times zitiert anonym ein Mitglied der IRGC, das preisgibt, dass das Regime beträchtliche Ressourcen in die Cybereinheit der Revolutionsgarden fließen lasse. Seit den feministischen „Frau, Leben, Freiheit“-Protesten im Jahr 2022 habe das noch zugenommen. Tatsächlich sehen die iranischen Machthaber die Cybereinheit der IRGC als eine der mächtigsten Waffen ihrer innen- und außenpolitischen Strategie.
So will die iranische Führung durch Hacks und andere Manipulationen in erster Linie Unsicherheit in den US-Wahlkampf bringen. Die Hacks gegen Donald Trumps Kampagne, die vergangene Woche öffentlich wurden, stehen in einer Reihe von Cyber-Angriffen der IRGC auf beide politischen Lager. Auch die Kampagne von Kamala Harris war von Hacks und Phishing-Mails durch iranische Stellen betroffen.
Unterschied zu Russland
Hier scheint es einen Unterschied zu russischen Cyber-Angriffen zu geben. Diese sind darauf gerichtet, Donald Trump einen Vorteil zu verschaffen. Dass Trump, der regelmäßig den Sinn der Nato infrage stellt und droht, die Ukraine und die europäischen Verbündeten im Stich zu lassen, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin weitaus genehmer wäre, ist ein offenes Geheimnis. Die Islamische Republik zielt hingegen in erster Linie darauf hin, die USA insgesamt politisch zu schwächen. Wahlen als eine der wichtigsten Säulen der demokratischen Struktur sind dabei ein logisches Ziel. Laut Microsoft-Bericht erwarten die Analyst:innen, dass Iran „bestehende spaltende Themen in den USA wie ethnische Spannungen, wirtschaftliche Ungleichheiten und Gender-Themen“ weiter anfachen werde.
Das wichtigste Ziel der Machthaber: Die USA aus der Region des Nahen Ostens zu vertreiben oder zumindest ihren Einfluss zu mindern. Jegliche innenpolitischen Spannungen in den USA empfindet das iranische Regime als strategischen Vorteil. Regelmäßig verweisen iranische Führungsfiguren auf den „moralischen Verfall“ des Westens, allen voran der USA. Dieses Narrativ streut das iranische Regime intensiv in der muslimischen Welt, um sich als Hegemon zu beweisen und Hass auf die USA zu schüren. Damit will es seine Stellung in der Region festigen und sich Macht sichern. Außerdem: Je beschäftigter die USA mit sich selbst seien, umso weniger, so das Kalkül, würden sie sich außenpolitisch im Nahen Osten einmischen.
„Zunehmend aggressiv“
In einem gemeinsamen Statement der US-amerikanischen Geheimdienste Mitte August sprechen die Behörden von „zunehmend aggressiven iranischen Aktivitäten“ in diesem Wahlkampf. Im bereits erwähnten Microsoft-Bericht ist die Rede davon, dass diese Aktivitäten noch „extremer“ werden könnten, „einschließlich Einschüchterung oder Aufstachelung zu Gewalt gegen politische Persönlichkeiten oder Gruppen mit dem Ziel, Chaos zu stiften, den Staat zu untergraben und Zweifel an der Integrität der Wahlen zu säen.“
Wie erfolgreich die iranischen Machthaber dabei sind, ist schwer zu sagen. Aus der Demokratischen Partei soll es keine Reaktion auf die sensiblen Informationen aus den Hacks gegen Trump gegeben haben. Man wisse nichts von Material, das direkt an die Kampagne geschickt worden sei, sagte ein Sprecher von Kamala Harris gegenüber dem Nachrichtensender CBS. Man habe sofort mit den polizeilichen Behörden kooperiert, als man davon erfahren habe. Von Trumps Kampagne hieß es, dass die FBI-Veröffentlichung nur ein „weiterer Beweis“ dafür sei, dass „die Iraner aktiv in den Wahlkampf eingreifen, um Kamala Harris und Joe Biden zu helfen“.
Eines scheint also zu gelingen: Streit und Misstrauen anzufachen. Das ist im bereits aufgeheizten US-Wahlkampf aber wohl nicht besonders schwer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“