piwik no script img

Cum-Ex-Schlüsselfigur festgenommenBerger will nicht nach Deutschland

Er gilt als geistiger Vater des Betrugssystems, mit dem der Staat um Milliarden geprellt wurde. Nun wurde der 70-Jährige in der Schweiz festgenommen.

Berger persönlich wird Steuerhinterziehung im dreistelligen Millionenvolumen zur Last gelegt Foto: Boris Rössler/picture alliance

Frankfurt/Zürich rtr | Eine der Schlüsselfiguren im Cum-Ex-Steuerskandal um betrügerische Geschäfte mit Dividendenpapieren ist in der Schweiz festgenommen worden. Der Steueranwalt und vormalige Finanzbeamte Hanno Berger sei nach Angaben der dortigen Behörden festgenommen worden, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft am Freitag und bestätigte damit einen Bericht des Handelsblatts.

Er hatte sich vor fast neun Jahren nach der Durchsuchung seiner Kanzlei in die Schweiz abgesetzt. Das Landgericht Bonn hatte Haftbefehl gegen den heute 70-Jährigen erlassen, nachdem er der Ladung zu einem Prozess dort nicht gefolgt war.

Die Schweizer Behörden bestätigten, dass Berger bereits am Mittwoch im Kanton Graubünden auf einen Auslieferungsantrag aus Deutschland hin festgenommen worden sei. Er wolle aber nicht nach Deutschland gebracht werden. „Das Auslieferungsverfahren ist nun beim Bundesamt für Justiz (BJ) hängig“, hieß es in der Mitteilung des Justizministeriums.

Berger gilt für die Generalstaatsanwaltschaft als geistiger Vater des Betrugssystems, mit dem sich Investoren eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden zweimal vom Finanzamt erstatten ließen. Dazu verschoben sie um den Stichtag für die Auszahlung der Dividende herum untereinander Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch.

Berger sieht ein „legales Steuersparmodell“

Der 70-Jährige hat die Vorwürfe stets bestritten und erklärt, das Vorgehen sei ein legales Steuersparmodell. Berger sollte eigentlich seit dem vergangenen Jahr selbst vor dem Landgericht Wiesbaden stehen, hatte sich aber krank gemeldet und wollte nicht nach Deutschland kommen. In der Vergangenheit hatte er erklärt, er werde an einem Verfahren persönlich teilnehmen und notfalls durch alle Instanzen gehen.

Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hatte bereits 2017 Anklage gegen Berger und fünf ehemalige Händler der UniCredit-Tochter Hypovereinsbank (HVB) wegen schwerer Steuerhinterziehung erhoben.

Im Januar ließ auch das Landgericht Bonn eine Anklage gegen den Steuerexperten zu und stellte einen internationalen Haftbefehl gegen ihn aus. In Bonn hatten 2020 zwei ehemalige Händler Bewährungsstrafen erhalten. Sie hatten in dem Cum-Ex-Prozess umfassend ausgesagt und nach Einschätzung des Gerichts zur Aufklärung beigetragen.

Steuerhinterziehung im dreistelligen Millionenvolumen

Durch die Geschäfte rund um den Stichtag für die Auszahlung von Dividenden soll dem deutschen Fiskus ein Milliardenschaden entstanden sein. Berger persönlich wird Steuerhinterziehung im dreistelligen Millionenvolumen zur Last gelegt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hatte im Frühjahr erklärt, bei den Geschäften könnte es sich auch um gewerbsmäßigen Bandenbetrug handeln und nicht nur um Steuerhinterziehung.

Für die „Cum-Ex“-Transaktionen seien Absprachen unter zahlreichen Beteiligten notwendig gewesen, um die Geschäfte aufeinander abzustimmen, hieß es in einem Beschluss zu einer Beschwerde Bergers gegen den Haftbefehl. Auf Bandenbetrug stehen bis zu zehn Jahre Haft. Das OLG hatte seinen Umzug in die Schweiz als Flucht ausgelegt, weil das Land wegen Steuerdelikten nicht nach Deutschland ausliefert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Berger soll ruhig kommen. Hier kann er noch Karriere machen - als Finanzminister und/oder als Bundestagspräsident. Er braucht nur das richtige Parteibuch.

    • @m.d.bichlmeier:

      Was wollen Sie uns damit sagen?

  • Das übliche Prozedere: Zeit schinden ohne Ende, teure Anwälte einschalten, wieder rauszögern was geht, das Verfahren an sich wird wieder mal sehr, sehr teuer werden, und dann?



    So einem tut's nur weh, wenn er selber am Schluß als staatlicher Hilfsempfänger sein restliches Dasein fristen darf und bei der Tafel ansteht.

    • @MahNaMahNa:

      wird er aber nicht - und seine Erben auch nicht.



      Und deren Erben auch nicht.

  • Dr. jur. Berger !

    Soviel Zeit muss sein!!!

    • @Bolzkopf:

      Sollte die Information richtig sein, dann zeigt sich wieder wie recht Ludwig Thoma hatte. (Jurist und auch sonst von mäßigem ...)

  • Derselbe Lebenslauf wie Wolfgang Schäuble: Steueranwalt und vormaliger Finanzbeamter.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Rosmarin:

      Vor Jahren hat man Schäuble auf die Cum-Ex-Geschichte angesprochen. Alles was er dazu zu sagen hatte war: "Des isch schwierig!"



      Das war`s.

  • Ein Mensch und "Steuerhinterziehung im dreistelligen Millionenvolumen!!!"



    Unfassbare Vorstellung! Unglaublich wenn das noch stimmt! Macht erstmal Sinn, dass der Mann seine Sache vor Gericht erklären muss.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Nilsson Samuelsson:

      In Kuba hätte man dem Beschuldigten sein gesamtes Vermögen konfiziert.



      Aber hier, in dem so hochgelobten Rechtsstaat, ist durch Winkeladvokaten jede Sauereri, außer Mord, möglich. In der Regel kommen die ganz großen Verbrecher ohne Strafe davon. Daran hat sich in den letzten 100 Jahren nicht viel geändert, scheint mir.