Coronaproteste in Frankreich: Wider die Impfpass-„Diktatur“

So viele Menschen wie noch nie gehen gegen Präsident Macrons Gesundheitspass auf die Straße. Derweil verschärft sich auch die Pandemie wieder.

Marseille, Corona- und Protesthotspot, Samstag Foto: Daniel Cole dpa/ap

PARIS taz | Die Protestbewegung in Frankreich gegen die Impfpolitik von Präsident Emmanuel Macron gewinnt an Unterstützung. Am vierten Samstag in Folge demonstrierten laut Innenministerium 237.000 Menschen gegen den neu eingeführten Gesundheitspass – gut 30.000 mehr als eine Woche zuvor. Der „pass sanitaire“, der eine doppelte Impfung, einen negativen Covid-Test oder eine überstandene Erkrankung ausweist, ist ab diesen Montag für Café- und Restaurantbesuche sowie Reisen in Fernzügen und Fernbussen nötig.

Besonders viele Demonstrierende gab es im Süden des Landes, der aktuell am stärksten von der Pandemie betroffen ist: In Toulon waren es 19.000, in Nizza knapp 10.000 und in Marseille 6.000. Das Robert Koch-Institut hatte die Mittelmeerregion Provence-Alpes-Côte d’Azur am Freitag ebenso wie die benachbarte Region Okzitanien zum Hochrisikogebiet erklärt.

In Paris versammelten sich rund 17.000 Menschen, die immer wieder „Liberté“ riefen. Die größte Gruppe vereinte der Rechtspopulist Florian Philippot vor der École Militaire, wo rund 10.000 Demonstrierende Macrons Rücktritt forderten. „Ein wunderbarer Elan des Widerstands“, schrieb der einstige Vize von Marine Le Pen auf Twitter. Ein weiterer Demonstrationszug vereinte Gewerkschaften und Gruppen von „Gelbwesten“, die bereits 2018 gegen Macron protestiert hatten.

„Bei vielen der mobilisierten Personen wird der Widerstand von einer Ablehnung der politischen Institutionen begleitet“, sagte der Politologe Antoine Bristielle der Zeitung Libération. Der Inlandsgeheimdienst hatte bereits im Juli davor gewarnt, dass sich die Bewegung radikalisieren könnte.

Einer Umfrage des Instituts Elabe zufolge befürworten 37 Prozent der Französinnen und Franzosen die Proteste. 48 Prozent sind dagegen und 15 Prozent haben keine Meinung. Macron, dem die Demonstrierenden eine „Impfdiktatur“ vorwerfen, meldete sich in der vergangenen Woche aus dem Urlaub mit mehreren Kurzvideos zu Wort. Darin rief er seine Landsleute auf, sich immunisieren zu lassen. Knapp 66 Prozent der Französinnen und Franzosen haben bereits eine erste Impfung erhalten.

Der französische Verfassungsrat hatte am Donnerstag grünes Licht für die Maßnahmen gegeben, mit denen der Staatschef eine Teil-Impfpflicht durchsetzen will. So muss ab Mitte September das Gesundheitspersonal geimpft sein, ansonsten wird der Arbeitsvertrag suspendiert. Dasselbe gilt auch für Fah­re­r:in­nen von Krankenwagen und Feuerwehrleute. Seit Macrons Ankündigungen am 12. Juli vereinbarten rund vier Millionen Französinnen und Franzosen einen Impftermin.

Gleichzeitig stieg aber auch die Zahl der Erkrankten stark an. Diese Woche wurden laut der Website Covidtracker 146 Covid-Patient:innen durchschnittlich pro Tag in die Intensivstationen eingeliefert – ein Anstieg um 56 Prozent gegenüber der Vorwoche. In den Krankenhäusern in Korsika sowie den Regionen Provence-Alpes-Côte d’Azur und Okzitanien gilt ein Notfallplan, um die zahlreichen Kranken zu behandeln. Auf den zu Frankreich gehörenden Karibikinseln Martinique und Guadeloupe herrscht bereits wieder eine Ausgangssperre.

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