Coronaproteste in Berlin: Klare Kante zeigen
Die Proteste gegen die verschwurbelten Montagsspaziergänge kommen in Gang, doch es fehlt eine starke linke Gegenerzählung in der Pandemie.
E ndlich, nachdem in den letzten Wochen die Querdenken-Bewegung weitgehend ungestört von Polizei und leider auch Gegendemonstranten durch die deutschen Innenstädte „spazieren“ konnte, gab es am vergangenen Montag deutlich entschlossenere Gegenproteste, auch in Berlin. Auch wuchs die Zahl der Querdenker:innen nicht weiter an, wie in den vergangenen Wochen.
Diese Entwicklung gilt es nächsten Montag aufrecht zu erhalten, nutzen doch Rechtsextreme die Proteste, um ihre menschenfeindlich Ideologie in der bürgerlichen Mitte zu verankern und ungestört auf die Straße zu bringen. So hat auch die rechtsextreme Patriotic Opposition Europe Anschluss an die Querdenken-Bewegung gefunden und marschierte am Montag wieder durch Mitte.
Zwar sind nicht alle die bei den Protesten mitlaufen organisierte Nazis, doch die Präsenz der Rechtsextremen ist unübersehbar – wer da mitläuft, ist sich dieser Tatsache bewusst und stört sich nicht weiter daran.
Verwunderlich ist das nicht, trägt die Querdenken-Bewegung im Kern sozialdarwinistische Züge. Letztendlich gilt das Leben von Alten, Kranken und anderen Risikogruppen in den Weltbildern vieler Esoteriker:innen und Verschwörungsideolog:innen als entbehrlich, indem die Gefahr von Covid heruntergespielt wird.
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Grund genug also nächsten Montag wieder auf die Straße zu gehen und ein Zeichen für Solidarität zu setzen. Doch bei den ganzen unangemeldeten Protesten, die über ganz Berlin verteilt sind, ist es schwierig den Überblick zu behalten. Zum Glück bietet das Netzwerk “Berlin gegen Nazis“ wöchentlich eine gute Übersicht über die aktuellen Proteste und auch Gegendemos. Wer immer auf dem neusten Stand bleiben will, kann sich sogar eine App runterladen.
Regelmäßig Gegenproteste veranstalten zum Beispiel die Omas gegen Rechts oder das in der Clubszene verankerte Kollektiv Gerade.denken (Montag, 24. Januar, ab 17.00 Uhr).
Fehlende linke Erzählungen
Die angesichts der rechten Massenmobilisierung langsam erwachende Zivilgesellschaft tröstet immerhin ein bisschen darüber hinweg, dass in Deutschland auch im zweiten Pandemie Jahr immer noch keine starke linke Gegenerzählung zur staatlichen Pandemiepolitik Fuß fassen könnte.
Die #NoCovid-Kampagne im vergangenen Jahr warb immerhin für eine antikapitalistische Lösung der Krise. Doch durch hohe Impfquoten und neue Mutanten wie Delta und Omicron ist die NoCovid-Strategie mittlerweile weder verhältnismäßig noch realistisch umsetzbar.
Nicht wenige antiautoritäre und anarchistische Linke lehnten die Kampagne angesichts der staatlichen Zwangsmaßnahmen, die #NoCovid forderte, von Beginn ab. Doch eine starke, linke und antiautoritäre Gegenerzählung, die sich klar sowohl gegen Querdenker:innen als auch staatliche Zwangsmaßnahmen abgrenzt, gibt es bis heute nicht.
Dazu kommt, dass viele Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung, wie in etwa eine mögliche Impflicht, der Ausschluss von Ungeimpften und die digitale Kontrolle von Impfpässen, nur schwer mit anarchistischen Grundsätzen vereinbar sind.
Höchste Zeit also sich zusammen zu finden und zu diskutieren. Das Kollektiv Glitzerkatapult lädt daher zu einem offenen anarchistischen Diskussionsabend. Der Titel lautet „Wir Anarchist*innen und die Pandemie – Wie haben wir (nicht) auf Corona und die Maßnahmen reagiert?“ (Mittwoch 19. Januar, Mareschstraße 1, 18 Uhr).
Denn noch befriedigender als starke Gegenproteste, wäre es auch mal wieder eigene Inhalte auf die Straße zu tragen.
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