Coronaproteste in Berlin: Der rechte Virus

Am Montag demonstrierten wieder Coronaleugner, auch in Berlin. Eine rechtsextreme Gruppierung profitiert von den Protesten.

Demonstranten mit Schild "Stoppt den Impfwahnsinn"

Der Wahnsinn marschiert – auch durch Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Eine Frau in gelber Regenjacke und mit Silvesterböllern auf der Maske steht vor der Polizeistation am Alexanderplatz. In der Hand hält sie ein kleines Schild: „Ich hatte Covid 19 und mache mir Sorgen um Euch.“ Ihr gegenüber haben sich gegen 18.30 Uhr ungefähr 250 De­mons­tran­t:in­nen um die Weltzeituhr versammelt. Sie wollen mit einer Demo gegen die Coronamaßnahmen bis vor das Hauptstadtstudio des ZDF ziehen. Angemeldet ist der Aufzug von Eric Graziani von der rechtsextremen Organisation Patriotic Opposition Europe (POE), einer Gruppierung um ehemalige Pegida-Aktivist:innen und Reichsbürger:innen.

Ein paar sportlich aussehende Kerle mit Bomberjacke laufen neben älteren Damen mit Teelicht in der Hand. Ein junger Mann macht Fratzen vor einem der zahlreichen Polizeiautos. Maskenpflicht und Abstandsgebote werden trotz Ansagen der Polizei kaum eingehalten. Es gibt weder Schilder noch eine Mikrofonanlage.

Die Abschlussrede muss der Pegida-Vertreter ohne technische Unterstützung in die eisige Nacht brüllen. Das Netzwerk Berlin gegen Nazis schreibt, POE gelinge es „nach jahrelangen gescheiterten Versuchen“ erstmals, mit einer dreistelligen Personenanzahl zu demonstrieren. Die „verschwörungsideologischen Mobilisierungen“ machten es möglich.

Neben dem explizit rechtsextremen Aufmarsch in Mitte haben sich am Montag in zehn weiteren Berliner Bezirken Demonstrierende zu zumeist nicht angemeldeten Versammlungen versammelt. Die antifaschistische Beobachtungsseite Stadtrand Aktion geht von insgesamt 1.200 Teil­neh­me­r:in­nen aus – und damit von einem erneut höheren Zulauf im Vergleich zu den vergangenen Montagen. Dreistellige Zahlen werden aus Spandau, Pankow und Schöneberg vermeldet.

„Spaziergang“ in Neukölln

Am Rathaus Neukölln sind es etwa 30 vor allem ältere Menschen. Einige haben Windlichter mitgebracht, andere sind mit ihren Kindern gekommen. Als eine erste Polizeistreife auftaucht, setzt sich die Gruppe auf dem Bürgersteig in Bewegung. „Oma, warum wollen die uns das verbieten?“, fragt ein Mädchen im Grundschulalter. Die Oma antwortet: „Die wollen nicht, dass wir gegen die Maßnahmen demonstrieren.“

Auf zwei Wegen, durch die Karl-Marx- und Richardstraße, ziehen die letztlich etwa 50 Menschen zum Richardplatz. Eine Teilnehmerin in gelber Weste erzählt, dass sie bereits seit den ersten Hygienedemos am Rosa-Luxemburg-Platz im März 2020 auf die Straße geht. Sie sieht die „Meinungsfreiheit eingeschränkt“, nennt die Impfstoffe „experimentelle Medikamente“ und wirft Regierung und Medien „Angstmache“ vor. Geimpft ist sie nicht. Der Tod eines Freundes durch Corona hat an ihrer Haltung nichts geändert, schließlich sei der „sogar geboostert“ gewesen.

Rechtsextreme seien höchstens vereinzelt auf den Demos, sagt sie, die Medien würden das „aufbauschen“, außerdem sei die „AfD eine legale Partei“. Das Problem sei dagegen „die Antifa“, die sei „aggressiv und gewalttätig“. Auch für Ausschreitungen bei Coronademos sei diese verantwortlich. Ohne Antifa, begleitet von schlussendlich vier Polizeiwannen, bleibt der Umzug ohne besondere Vorkommnisse. Die Polizei lässt die Menschen gewähren.

Viel los in Brandenburg

In Brandenburg versammelten sich Impf­geg­ne­r:in­nen und Co­ro­nal­eu­gner:­in­nen am Montag in mehr als 60 Orten. Bei der größten Demo in Cottbus, organisiert von der rechtsextremen Struktur „Zukunft Heimat“, beteiligten sich etwa 3.000 Menschen. 300 kamen in Potsdam zusammen; ebenso viele beteiligten sich aber an Gegenprotesten vom Bündnis „Potsdam bekennt Farbe“

In Berlin mobilisieren Verschwörungsgläubige von der Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand, der Partei Die Basis und der Freedom Parade derweil für eine Demonstration an Silvester. Der Ort der Versammlung unter dem Motto „Wir sind viele“ soll erst am 31. Dezember um 12 Uhr bekannt gegeben werden, zwei Stunden vor dem Start. Damit soll ein Verbot oder ein großes polizeiliches Aufgebot umgangen werden.

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