Coronaproteste in Belgien: Ausschreitungen in Brüssel
Rund 50.000 Menschen haben in der belgischen Hauptstadt gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Im Anschluss kam es zu heftigen Auseinandersetzungen.
Nach Angaben der Polizei wurden drei Polizisten und 12 Demonstranten verletzt. 60 Personen wurden vorübergehend festgenommen, 12 müssen mit einem juristischen Nachspiel rechnen. Vor allem der „schwarze Block“ hatte sich mit der Polizei heftige Scharmützel geliefert. Die Vermummten warfen Steine und errichteten Barrikaden, die Polizei antwortete mit Wasserwerfern und Unmengen von Tränengas. Zeitweise geriet die Lage außer Kontrolle.
Die Mehrzahl der Demonstranten, die auch aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Polen angereist waren, verhielt sich jedoch friedlich. Organisiert wurde der Protest von „Europeans United for Freedom“. Sie stehen nach eigenen Angaben für Demokratie und Menschenrechte. „Es fühlt sich an, als ob das schlimmste Virus, das wir aus China importiert haben, der autoritäre Regierungsstil wäre“, heißt es auf der Homepage der Organisation.
Es gehe nicht darum, Gefahren für die Gesundheit zu leugnen, sagte der Flame Tom Meert, der die NGO leitet und dem rechten Lager zugerechnet wird. Doch genau wie bei einer Naturkatastrophe müsse auch für die Coronamaßnahmen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelten. Außerdem dürften Demokratie und Rechtsstaat nicht ausgehebelt werden. „Meinungsvielfalt, gemischt mit respektvollem Dialog, ist die ideale Impfung gegen Spaltung.“
In Belgien hat der Widerstand gegen als ungerecht empfundene Coronamaßnahmen schon Tradition. Im Dezember hatte das höchste Gericht nach massiven Protesten einen kurzfristig angeordneten Lockdown für den Kultursektor gekippt. Seitdem verspürt die belgische Szene Aufwind. Politisch ist sie schwer einzuordnen. Rechte haben nicht so großen Einfluss wie in Deutschland, Kulturschaffende geben den Protesten einen anarchisch-fröhlichen Anstrich.
Neu ist, dass die EU zur Zielscheibe wird. Dabei glauben die EU-Politiker, alles richtig zu machen. Die umstrittenen Coronamaßnahmen seien Sache der nationalen Regierungen, heißt es in der EU-Kommission, damit habe man nichts zu tun. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bedankte sich noch am Sonntag bei der Brüsseler Polizei und verurteilte die „sinnlose Zerstörung“ seines Amtssitzes.
Entsetzt zeigten sich belgische Politiker. „Jeder ist frei, seine Meinung auszudrücken. Aber unsere Gesellschaft wird niemals die blinde Gewalt tolerieren“, sagte Premier Alexander De Croo. „Das Recht zu demonstrieren ist keine Entschuldigung, um unsere Stadt zu demolieren“, schimpfte der Chef der Region Brüssel, Rudi Vervoort. Auf die Forderungen der Demonstranten ging er nicht ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett