Coronamaßnahmen in den Niederlanden: Notbremse vor den Feiertagen
Lange hatten die Niederlande versucht, die Entscheidung aufzuschieben. Jetzt kommt der Lockdown doch – und zwar in Rekordtempo am Mittwoch.
Nach einem Treffen des Kabinetts waren die Maßnahmen bekannt geworden, mit denen die Regierung in Den Haag der sich rapide ausbreitenden zweiten Coronawelle begegnen will. Es sind die drastischsten seit Beginn der Pandemie. Am Abend bekräftigte Premier Mark Rutte in einer Fernsehansprache, was längst alle wussten: „Die Niederlande gehen für einen Zeitraum von fünf Wochen in den Lockdown.“
In seiner Rede ging Rutte detailliert auf die einzelnen Maßnahmen ein. Alle „nicht-essentiellen“ Geschäfte werden geschlossen, ebenso Museen, Theater, Zoos und Freizeitparks. Betroffen sind auch nicht-medizinische Kontaktberufe wie Friseure, Schönheitsspezialisten oder Sexarbeiter, ebenso wie Schwimmbäder, Saunen und Fitenssclubs. Diese Maßnahmen traten bereits in der Nacht auf Dienstag in Kraft, um einen befürchteten Ansturm auf Geschäfte zu vermeiden.
Diese Eile ist nicht nur dem dramatischen Anstieg der Neuinfektionen geschuldet – im Dezember sprang die wöchentliche Zahl von knapp 34.000 auf gut 43.000 Neuinfektionen, wobei der Tageswert am Wochenende knapp 10.000 erreichte – der höchste Stand seit Ende Oktober.
Ausschlaggebend war auch, dass Deutschland ab Mittwoch weitgehende Beschränkungen beschlossen hat. Das darauf abgestimmte Vorgehen soll nun verhindern, dass Grenzgänger sich Schlupflöcher suchen. Hubert Bruls, der Bürgermeister von Nijmegen nahe der deutschen Grenze, warnte am Wochenende: „Was, wenn in Deutschland die Läden schließen? Kommen unsere Nachbarn dann zum Shoppen über die Grenze? Das können wir nicht auch noch meistern.“
„Das Virus platt schlagen“
Ab Mittwoch schließen zudem sämtliche Schulen und Vorschulen bis zum 18. Januar – ein Schritt, den die Regierung eigentlich so lange wie möglich hinauszögern wollte. Offenbar hat sich, spätestens seit der Kabinetts-Beratung am Sonntag, die Überzeugung eingestellt, um drastische Schritte nicht mehr herumzukommen. Schon im Oktober hatte Rutte dafür die Worte gewählt: „Der Hammer, um das Virus platt zu schlagen, muss groß genug sein.“
Lange tat sich Den Haag genau damit schwer. Nun geht das Kabinett, getrieben von der Angst vor einem weiteren Ansteigen der Infektionszahlen während der Feiertage, diesen Weg. Mehrere Kritiker der Maßnahmen hatten während der Rede Ruttes ein Pfeifkonzert vor seinem Amtssitz in Den Haag veranstaltet. Mehrere Gewerkschaften äußerten am Montag zwar Verständnis, aber auch Sorge über die sozialen und ökonomischen Folgen des Lockdowns.
Für Dienstagnachmittag ist im Parlament eine Diskussion über die neuen Maßnahmen geplant. Kurz zuvor wurde das niederländische Wort des Jahres 2020 bekannt: „Anderthalb-Meter-Gesellschaft“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos