Coronahilfe für Arme: Immerhin etwas mehr
Die Große Koalition beschließt Coronahilfen für Hartz IV-Empfänger und Familien. Die Kritik, dass das viel zu wenig sei, ist überzogen.
D ie Koalition hat am Mittwoch beschlossen, dass ärmere Familien mehr Coronahilfen bekommen. Und das ist nicht wenig. Es gibt 150 Euro mehr pro Erwachsenen im Hartz-IV-Bezug. Und 150 Euro an Kinderbonus pro Kind. Eine vierköpfige Familie im Hartz-IV-Bezug erhält damit 600 Euro als einmalige Coronahilfe. Kindern, die bisher noch kein Laptop haben, muss das Jobcenter ein digitales Endgerät finanzieren.
Jeder, der kein oder kaum Einkommen hat, kann Hartz IV beantragen, ohne dass für die ersten zwei Jahre enge Grenzen beim Vermögen und bei den Wohnkosten gelten. Diese Regelung wird bis Ende 2021 verlängert. Gut so.
Eine Gruppe von Sozialverbänden und die Linkspartei haben zwar recht, wenn sie bemängeln, dass es keine spürbare dauerhafte Erhöhung des Regelsatzes von Hartz IV im Monat geben wird und auch nicht für jeden Monat der Pandemie einen Zuschlag von 100 Euro. Trotzdem ist es nicht in Ordnung, die Hilfen als „beschämend“ und „armutspolitisches Trauerspiel“ zu geißeln, wie es der Paritätische Wohlfahrtsverband tut. Eine Krise, die, mit den Soloselbstständigen, mit den Kulturschaffenden, mit vielen privaten DienstleisterInnen neue Opfergruppen hervorgebracht hat, ist vielleicht kein guter Zeitpunkt, um eine nochmal milliardenschwere dauerhafte erhebliche Aufstockung der Grundsicherung durchzusetzen.
800 Millionen Euro kostet der Zuschlag für Hartz-IV-BezieherInnen, zwei Milliarden Euro der Kinderbonus für Familien. Eine Milliarde Euro kostet das verlängerte Förderprogramm für die Kulturbranche, 3,5 Milliarden die geringere Mehrwertsteuer in der Gastronomie – und das sind nur die am Mittwoch beschlossenen Programme der Coronahilfen.
Es kann einem schon bange werden, wenn man sich fragt, wer wie genau die milliardenschweren Hilfen bezahlt, was dafür an neuen Staatsausgaben vielleicht in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. In einer Zukunft, in der man dann womöglich auf die Vergangenheit der Pandemie und deren Zwänge verweist. Das muss man mitdenken.
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