piwik no script img

Corona und die fünfte JahreszeitWarum Karneval nie ausfallen darf

Der Gesundheitsminister will das närrische Treiben wegen Corona ausfallen lassen. 11 Gründe, warum wir vor dem 11.11. dringend einen Impfstoff brauchen.

Was von der Party übrig blieb: aus der Fotoarbeit „Spurensicherung nach Karneval“ Foto: Jörn Neumann

1. Weil nichts schöner ist, als mit fremden Menschen und vor Rührung feuchten Augen in der Kneipe zu den selben Liedern zu schunkeln. Ob Banker, Lehrer oder Bauarbeiter – vor den Höhnern sind alle gleich.

2. Weil es nach Karneval die besten Kontaktanzeigen gibt: „Hab’ dich (Pilotin) am Sonntagnachmittag auf dem Heumarkt gesehen. Ich (Tiger) hatte zwei Freunde (Mainzelmännchen & Hotdog) dabei. Melde dich.“

3. Weil Gruppenkostüme das Gemeinschaftsgefühl stärken. Ob Jahreszeiten, Promis mit Hund oder Britney-Spears-Outfits: Wochenlange Vorbereitung und jahrelange Erinnerung sind garantiert.

4. Weil Karneval die beste Therapie gegen Winterdepression ist.

5. Weil es ohne Karneval keine Fastenzeit gibt. Und die haben einige bitter nötig.

6. Weil es die einzige Zeit im Jahr ist, in der sich LehrerInnen unbeschwert, weil stark kostümiert, besaufen können, ohne Angst vor SchülerInnen haben zu müssen.

Was von der Party übrig blieb: aus der Fotoarbeit „Spurensicherung nach Karneval“ Foto: Jörn Neumann

7. Weil man nur an Karneval ohne schlechtes Gewissen schon um 10.30 Uhr den ersten Sekt kippen kann. Man feiert tagsüber und ist um 22 Uhr schon komplett bettreif. „Kumm lommer heimjon, bring mich noh Huus. Lommer endlich heimjon, un maach die Leechter us.“

8. Weil sonst diejenigen gewonnen haben, die sagen, man könne nicht von 0 auf 100 Spaß haben.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

9. Weil es ohne Karneval im Dezember kaum Geburten in Köln, Düsseldorf, Mainz oder Aachen gäbe.

10. Weil Kinder nie glücklicher sind, als zur Karnevalszeit. Mit nach unten gerichteten geöffneten Regenschirmen Kamelle von Karnevalswägen auffangen und sich danach hemmungslos die Bäuche mit Zucker vollhauen.

11. „Drink doch ene met, Stell disch net esu ann, Du steihst he die janze Zick eröm. Häste och kei Jeld, Dat es janz ejal, Drink doch met un kümmer disch net drüm.“

Paul Wrusch & seine Kölner Karnevalscrew

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Ist nicht schon einmal Karneval ausgefallen? Freiwillig zähneknirschend, wegen des Irakkriegs? Gut, die Stunksitzung in Köln hatte stattgefunden, aber sonst, war viel Pietät in der Luft. Also alles halb so wild und vor allem machbar.

    • @Stefan Muck:

      Pietät ? > dann darfste aber nie mehr feiern bei der Welt ;-)

  • Guter Artikel. Danke

    Warum ist vielen Linken die Tradition ein Balken im Auge?

    Chaostage in Hannover dürfen doch auch nicht ausfallen.

  • Bleibt aber schon die Frage: wieviel Lebenswirklichkeit lassen wir uns vom Neuen Normal wegfressen ?



    Stellt euch immer die Frage: Wieviel davon machen die Leute denn wirklich mit ? > das läuft nun schon ein halbes Jahr !

  • Die Argumentation hat das Niveau von Büttenreden, mit denen uns die ÖR-Medien in der sogenannten fünften Jahreszeit wieder in die Streaming-Dienste "zwingen".

  • Stimmt. Es muss eine gesellschaftlich akzeptierte Gelegenheit geben, sich den Verstand wegzutrinken 😀

  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Artikel die die Welt braucht.



    Danke Taz!

    • @91491 (Profil gelöscht):

      Als unterhalb des Weißwurst-Äquators lebend, würde ich sogar sagen, Veranstaltungen, die die Welt unbedingt braucht.



      Wobei, als Vorbild für Masken tragen ...

  • Passt irgendwie besser zur Wahrheit.

    • @Fezi:

      Is Wahrheit. Normal.

  • Danke taz! Endlich mal ein vorurteilsfreier, seriöser Text zum Thema Karneval in meiner liebsten, preussischen Benimmfibel!

    • @jan ü.:

      Der Preuße ist für seine Toleranz bekannt und ihm entgleitet sogar ein höfliches Lächeln angesichts der Albernheiten der Jecken.



      Is nooorrmmaaall.

    • @jan ü.:

      Ja. Und die Fastenzeit wird ja auch von so vielen ernst genommen. Und den Satz "Stell dich nicht so an" habe ich in meinem tatsächlich preußischen Umfeld bisher noch sowas von gar nicht zu hören bekommen - das glaubt mir niemand.

      • @Ewald der Etrusker:

        1. Die Fastenzeit wird von erstaunlich vielen ernst genommen, zumeist neuinterpretiert als alkoholfreie Zeit.



        2. Ist "Stell dich nicht so an" im Sinne von "Lass dir einen ausgegeben" wirklich typisch preussisch? Zugegebener Maßen ist diese Großzügigkeit auch in Köln nicht die Regel. Das Schöne an diesem und anderen Liedern der Bläckfööss ist aber die positiv identitätsbildende Kraft und das ist auch einer derwichtigsten Aspekte des kölschen Karnevals, vom Kindergarten bis zum Seniorenheim. Und davon solle man auch möglichst viel durch düstere Zeiten retten.