Corona und die Verschwörermythen: Stinklangweilige Fakten, bitte!

Alu ist ausverkauft, also gibt’s Hüte aus Klopapier. Und die Influencer vom Robert-Koch-Institut schleichen sich im falschen Moment davon.

RKI-Präsident Lothar Wieler vor blauer Wand

Die Langeweile, die wir brauchen, aber nicht verdienen: Pressekonferenz des Robert-Koch-Institut Foto: John Macdougall/afp

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Deutsche haben keinen Humor, können aber gute Autos bauen.

Und was wird besser in dieser?

Seit dem Autogipfel wissen wir über die Firmenbosse: Umgekehrt!

In Berlin war der 8. Mai einmalig Feiertag. Sollte er das deutschlandweit und alle Jahre wieder sein?

Ein Brückentag. Gewinnen will jeder, wir dagegen müssen eine Niederlage erkämpfen. Wir können natürlich auch noch mal 75 Jahre Hitlerdokus bingen und hoffen, dass mal eine Folge anders ausgeht. Das ist die Niederlage-Fraktion, unausrottbar, Gauland ist 1941 geboren. Für die Befreiungs-Fraktion spricht Bundespräsident Steinmeier: „Damals wurden wir befreit. Heute müssen wir uns selbst befreien!“ Lehre aus der Niederlage, dass wir uns nicht selbst befreit haben.

Dann die Migranten: Deutsche ohne Nazi-Vergangenheit. Was haben die damit am Basecap? Schließlich – deshalb scheitert der Feiertags-Antrag regelmäßig in der Union: die Kommunistenfresser. Auch Steinmeier unterläuft, in seiner Ansprache den „Neubeginn im Westteil … durch die Großzügigkeit, Weitsicht und Versöhnungsbereitschaft“ der „Alliierten“ zu loben – Auschwitz erwähnt er, doch wer Auschwitz befreite, nicht. Viele in der Union stört, dass der 8. 5. zeitweise Feiertag in der DDR war. Kurz: Eben dass die Vergangenheit konfus scheint, spricht für einen obligaten Brückentag zur besseren Zukunft.

Das RKI stellt die regelmäßige Corona-Pressekonferenz ein. Werden Sie sie vermissen?

„Eine Leitwährung vom Markt zu nehmen, die der aufwallenden Konfusion stinklangweilige Fakten entgegensetzt, ist zu vornehm“

Bibis Beauty Palace wird mir die Influenza-Influencer nicht ersetzen können. Viele Leute machen sich schon Hüte aus Klopapier, weil Alu ausverkauft ist. Und jeder hantiert mit frei zusammengelöteten Fallzahlen. Just da eine Leitwährung vom Markt zu nehmen, die der aufwallenden Konfusion stinklangweilige Fakten entgegensetzt, ist zu vornehm.

Kitas in Berlin bieten für alle Kinder nun maximal einen vierstündigen Halbtagsplatz. Nur in Einzelfällen kann längere Betreuung vereinbart werden. Wäre das ein Modell für die Bundesliga – halbe Mannschaft, ein Spiel dauert 45 Minuten?

Könnte allein beim BVB zwei, drei Abwehrspieler nennen, die ich seit Jahren der Kurzarbeit verdächtige. Immerhin: Wenn es so schiefgeht, wie es losgeht, kann das Feuilleton inspirierte Essays über solche und solche Fleischfabriken schreiben.

Relativ lockerer Lockdown, vergleichsweise wenig Tote, finanzielle Hilfe, die zum Teil sogar ankam: Ist Deutschland wieder mal Musterschüler – und Gewinner der Krise?

„Ich bete jeden Abend, dass sich Widerstand 2020 als PR-Idee für Jan Böhmermanns Start im ZDF-Hauptprogramm im Herbst entpuppt“

NZZ, New York Times und CNBC stellen Deutschland als Vorbild heraus. Genug Intensivbetten, öffentliches Gesundheitswesen, „Regierung von ruhiger Hand“. In Frankreich wird gar der deutsche Föderalismus gelobt, über den wir uns hier täglich beömmeln. 70 Prozent der Italiener dagegen hatten Anfang April „ein schlechtes Bild von Deutschland“, 45 Prozent nannten uns geradeaus „Feind“. Alle sehr interessant, wenn man selbst keine Meinung hat.

Reden wir eigentlich zu viel oder zu wenig über Verschwörungstheorien und ihre Verbreiter?

Ich bete jeden Abend, dass sich „Widerstand 2020“ und „Nicht mit uns“ als PR-Ideen für Jan Böhmermanns Start im ZDF-Hauptprogramm im Herbst entpuppen. Und grüble über die Not so vieler Menschen, sich einen Distinktionsgewinn zu verschaffen: „Ich sehe was, was du nicht siehst“, und zwar trüb.

Bis zum 15. Mai will Innenminister Seehofer die Grenzkontrollen in der EU aufrechterhalten. Daran gibt es Kritik. Teilen Sie die?

Ein offener Brief von Ex-Fraktionschef Kauder bis Vize-Fraktionschef Jung liefert erstklassige Leihlyrik aus dem Flüchtlingsdebatten-Fundus: „Es muss Schluss sein mit Gitterzäunen und Schlagbäumen im Herzen Europas … Familien werden zerschnitten … Kinder dürfen ihre Eltern nicht sehen … Geschwister bleiben auf zwei Seiten eines Grenzzaunes.“ Ein Anfang, mit dem man arbeiten kann.

Frankreich Präsident Ma­cron hat am 7. Mai sein dreijähriges Amtsjubiläum gefeiert. Schafft er die restlichen zwei Jahre auch noch?

Der Aus-dem-Nichts-Liberale, ist, bei allem irrlichternden Aktionismus, das – was Le Pen verhindert hat. Ringsum in Europa geschaut ist es in unserem Interesse, dass er es schafft. Wobei unklar ist, ob „den mögen sogar die Deutschen“ in Frankreich ein Wahlkrampfkracher würde.

Und was machen die Borussen?

Dortmund – Schalke als Geisterspiel und mit allen Gefahren für die Beteiligten. Würdeloser kann man Wiglaf Drostes Todestag nicht begehen.

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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