Corona und der Heizpilz: Flüge in den menschlichen Abgrund

Fluggesellschaften fliegen jetzt im Inland umher, Heizpilze retten die Gastronomie. Wie Corona erfinderisch macht und dabei die Realität verkennt.

Mann läuft, am Himmel fliegt ein Flugzeug

Anflug zum Korallenriff Foto: Dave Hunt/imago

Die australische Airline Qantas rettet sich selbst: Ab Oktober fliegt eine Boing 787, ein sogenannter Dreamliner mit den größten Fenstern überhaupt, von Sydney nach Sydney. In sieben Stunden raus aus der Krise. Mit Tiefflügen über Attraktionen wie dem Great Barrier Reef, um die derzeit im eigenen Land gefangenen Australier*innen zu unterhalten. Die todesbleichen Farben der Korallen sind von weit weg auch wirklich schwer zu erkennen. Der erste Flug ist bereits ausverkauft.

Auch taiwanesische und japanische Fluggesellschaften fliegen inzwischen in der eigenen Region umher, um Arbeitsplätze und die Lizenzen ihrer Pilot*innen zu sichern. Eine super Sache, diese Rettung der Flugindustrie. Hierzulande könnte damit sogar der Tourismus am Boden gerettet werden, dürften die Flieger auch Zwischenstopps einlegen.

Vielleicht ließe sich mit dem australischen Flugkonzept sogar weiteren Verlierer*innen der Krise unter die Arme greifen. Zum Beispiel der Kultur: Was spricht gegen Tiefflüge über Outdoor-Kunstausstellungen, gedruckt auf übergroße Leinwände?

Oder, im wahrsten Sinne des Wortes, Ausflüge für Familien, selbstverständlich staatlich finanziert? So kommen die Kinder zu ihren wohlverdienten Bespaßungen, und die gebeutelte Mutti ist dank Condor & Co. wieder rechtzeitig daheim, um das Abendessen vorzubereiten. Im Flieger kann sie sogar noch ihre Arbeitsmails beantworten. Alle gewinnen.

Wer an einen Wandel geglaubt hat, ist dumm

Den Klimakiller Heizpilz aus seinem vorzeitigen Ruhestand zurückzuholen, damit er die Gastronomie umsatzstark und ihre Gäste virusfrei und warm über den Winter bringt, ist ebenso ein Sieg über die momentane Realität. Restaurants und Cafés heizen sich so selbst ein und sind damit vorerst gerettet. Auch Autokinos sollten auf die glühenden Individualheizungen zurückgreifen – Clubs vielleicht lieber auf neue, stromfressende Luftfiltersysteme, die drinnen Feiern wieder möglich machen.

Wie naiv, geradezu dumm, die Hoffnung zu Beginn der Pandemie doch war, dass das Virus zum vermeintlichen Retter werden könnte; zum Ausweg aus der BIP-getriebenen Gesellschaft. Und wie blind jene sind, die noch immer glauben, dass wir Postwachstum brauchen, wenn wir stattdessen über sterbende Riffe, brennende Wälder oder Zeltlager fliegen können. Von weiter weg sieht alles so viel schöner aus.

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