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Corona und Wirtschaftskrise in NordkoreaDiplomaten-Exodus aus Pjöngjang

Engpässe bei Medizin und Gütern: Die Beschränkungen in Nordkorea seien laut der russischen Botschaft „in ihrer Strenge beispiellos“.

Masken, obwohl Nordkorea angeblich coronafrei ist: Nordkoreaner bei einer Parade im Januar Foto: Jon Chol Jin/ap/dpa

Berlin taz | Immer mehr ausländische Diplomaten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben in den vergangenen Wochen Nordkorea verlassen. Dies meldete Russlands Botschaft in einem von der Nachrichtenagentur AP aufgegriffenen Facebook-Post aus Pjöngjang.

Demnach seien die Lebensumstände in dem nordostasiatischen Land auch für die privilegierten Ausländer immer schwieriger aufgrund von massiven Engpässen bei Medizin und Gütern des alltäglichen Bedarfs. Diese würden durch die harten Restriktionen verstärkt, die eine Ausbreitung von Covid-19 verhindern sollen.

Nordkorea sei nicht in der Lage, „Gesundheitsprobleme zu lösen“, hieß es in dem Post der Botschaft vom Donnerstag. Die russische Vertretung, eine der noch zahlenmäßig größten vor Ort, erwartet einen anhaltenden „Exodus“ von Ausländern.

Am 18. März hätten etwa 38 Ausländer Nordkorea verlassen. Sie haben nun eine zweiwöchige Quarantäne in der chinesischen Grenzstadt Dandong hinter sich. Aktuell hielten sich weniger als 290 Ausländer in Pjöngjang auf, so die Schätzung der Botschaft. Darunter seien nur noch insgesamt neun Botschafter und vier Geschäftsträger.

Keine UN-Mitarbeiter mehr im Land

Im März waren die letzten zwei internationalen UN-Mitarbeiter ausgereist. Internationale Hilfsorganisationen hätten jetzt keine ausländischen Mitarbeiter mehr in dem Land. Man habe Verständnis für jene, die die nordkoreanische Hauptstadt verließen, hieß es in dem Post. Nicht alle könnten die „totalen Beschränkungen überstehen, die in ihrer Strenge beispiellos“ seien.

Im Februar hatten russische Diplomatenfamilien international Aufsehen erregt, als sie auf einer mehr als 30-stündigen Flucht aus Nordkorea einen Schienentrolley mit Kindern und Gepäck über die Grenzbrücke schoben.

Die diktatorische Führung in Pjöngjang hat das ohnehin isolierte Land zwar für coronafrei erklärt und im Rahmen strikter Anti-Pandemie-Maßnahmen bereits vor einem Jahr die Grenzen abgeriegelt.

Informationen aus dem schon zuvor relativ abgeschotteten Land lassen sich fast nie verifizieren. Das Regime selbst nennt kaum und wenn, dann nur sehr selektiv Zahlen. So ist unklar, in welchem Ausmaß Nordkorea überhaupt von der Pandemie betroffen ist.

Verbreitung von Covid-19 in Nordkorea bleibt unklar

Die vom Regime behauptete Coronafreiheit gilt als unglaubwürdig. Denn vor der Abriegelung gab es einen überwiegend informellen Austausch mit China, von wo sich die Pandemie weltweit ausbreitete.

Der US-Sender Radio Free Asia (RFA) berichtete Ende März unter Berufung auf anonyme Quellen vor Ort von mehr als 100 Toten und 13.000 Covid-Verdachtsfällen allein in der Provinz Nord-Hamgyong.

Laut dem Portal Daily NK, das ehemalige nordkoreanische Flüchtlinge in Seoul betreiben, sind im Februar und März vier grenznahe Städte abgeriegelt worden. Denn offenbar konnten doch Personen aus China einreisen. Vor der Pandemie hatte Nordkorea einen florierenden Grenzschmuggel mit der benachbarten Volksrepublik.

Trotzdem dürfte Nordkoreas harter Lockdown, der die Wirtschafts- und Versorgungskrise verstärkte, zunächst größere Infektionszahlen verhindert haben. Doch fehlen auch Kapazitäten zum Testen. Infolge des Lockdowns sollen die Importe aus China um rund 80 Prozent zurückgegangen sein.

UN-Vertreter: Lockdown führt zu Hungersnot

Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Nordkorea, Tomás Ojea Quintana, warnte deshalb in einem Mitte März veröffentlichten Bericht vor einer weiteren Zunahme von Hunger und Armut. Es gebe bereits Fälle verhungerter Menschen.

Laut dem Covax-Programm der Weltgesundheitsorganisation WHO soll Nordkorea 1,7 Millionen Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca bekommen. Damit können knapp 900.000 der rund 25 Millionen Einwohner geimpft werden.

Nordkorea soll bei der Wahl des Impfstoffes Südkorea gefolgt sein, das sich dieses Vakzin zuerst sichern konnte, behauptet Daily NK. Doch während der Süden das Vakzin im Land in Lizenz produziert, soll Nordkorea seine Chargen aus einer Lizenz-Produktion des Serum Institute of India bekommen.

Laut Daily NK hat das nordkoreanische Regime von Machthaber Kim Jong Un im Rahmen seines Spionageapparates eine Hackergruppe – Büro 325 genannt – aufgestellt, um von ausländischen Institutionen, Forschungseinrichtungen, Firmen und Regierungen Informationen über Covid-19 sowie über Impfstoffe abzugreifen.

Diese Hackergruppe, die aus fünf Einheiten bestehen und zwei eigene Labore bestreiben soll, untersteht demnach direkt Kim Jong Un. Ihr soll es gelungen sein, Informationen von der US-Firma Phizer, die mit der Mainzer Firma Biontech zusammen einen Covid-19-Impfstoff entwickelte und produziert, abzuschöpfen. Wie relevant diese Informationen sind, ist unklar. Bereits im Januar soll Nordkorea mit Tests eines eigenen Impfstoffs begonnen haben.

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4 Kommentare

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  • Nana, der geliebte Führer Kim weis doch sonst alles in seiner unfehlbaren Weisheit. Da wird es doch für diese Weltmacht kein Problem sein ein wirksames Vaccine zusammen zu mischen und in rauen Mengen zu produzieren...

    • @danny schneider:

      Ich glaub, ihn geliebten Führer zu nennen, ist etwas unfair. Ich vermute nämlich, dass er außerhalb Nordkoreas deutlich mehr Fans hat als im eigenen Land.

  • Engpässe bei Medizin und anderen Gütern sind doch im kommunistischen Nordkorea nichts Neues und auch schon vor der Pandemie an der Tagesordnung.

  • NK ist ein Staat, den es nach menschlichem Ermessen eigentlich gar nicht geben dürfte. Das Land ist ein einziges Freiluftgefängnis in dem nur die Wärter gewisse Privilegien genießen. Vielleicht der totalitärste Staat den es jemals gegeben hat. Eine Privatsphäre gibt es so gut wie nicht, denn die Ideologie durchdringt und unterwirft sich praktisch alle Lebensbereiche. Dieser Staat ist ein einziger Schandfleck. Lieber lässt die Führung Millionen verhungern, als endlich zu kapitulieren.