Corona und Korruption in Vietnam: Gute Geschäfte mit dubiosen Tests
Ein in Vietnam entwickelter Coronatest hat sich als Betrug entpuppt. Ausgerechnet der in einen anderen Skandal belastete Innenminister hat das aufgedeckt.
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Eine bis dahin unbekannte Firma namens Viet A aus dem Speckgürtel der südlichen Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) hatte schon im März 2020 verkündet, ein eigenes Corona-Testkit mit Unterstützung des Gesundheits-, Wissenschafts- und Verteidigungsministeriums entwickelt zu haben. Es galt zu Beginn der Pandemie als Teil des Nationalstolzes, dass Vietnam einen eigenen Coronatest entwickelt hat.
Er kam dann auch massenweise zum Einsatz. Zunächst war der Preis moderat. Doch mit steigender Nachfrage nach den Tests schoss er in die Höhe. Bald war der Preis höher als für andere Tests auf dem Weltmarkt. Die offizielle Parteizeitung Nhan Dan und andere staatliche Blätter behaupteten schon im April 2020 unter Berufung auf die genannten Ministerien, das Testkit sei von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugelassen.
Tatsächlich lief zu der Zeit noch das Zulassungsverfahren. Doch die Behauptung wurde auch noch aufrecht erhalten, als die WHO im Oktober 2020 die Zulassung des vietnamesischen Tests ablehnte.
Hohe Provisionen für dubiose Tests
Das Wissenschaftsministerium verkündete sogar die Falschmeldung, dass britische Behörden dem Testkit ein Zertifikat für die Erfüllung europäischer Standards ausgestellt hätten. Und Viet A verkündete, seine Produkt in großer Zahl nach Großbritannien, in die USA, nach Indien, Finnland und in 20 weitere Staaten zu exportieren.
Das Ziel war offenbar, den Absatz der teuren Tests im Inland zu fördern. Das wurde auch durch hohe Provisionen an Leiter von Gesundheitseinrichtungen erreicht, welche die Tests kauften. So wurden dem Direktor eines Gesundheitsamtes umgerechnet 1,3 Millionen US-Dollar gezahlt. Insgesamt flossen offiziellen Angaben zufolge 35 Millionen Dollar vom Hersteller an Beamte.
Auch als der mächtige KP-Chef Nguyen Phu Trong Anfang 2021 das Unternehmen Viet A auszeichnete und seinem Generaldirektor einen Orden überreichte, kurbelte er damit das Geschäft mit den Testkits noch weiter an.
Doch im Dezember nahmen auf Geheiß von Innenminister To Lam Ermittler das Führungspersonal von Viet A sowie mehrere Direktoren von Gesundheitsämtern fest und enthüllten damit den Korruptionsskandal.
Innenminister gibt sich als Saubermann
Nun mag es normal erscheinen, dass ein Innenministerium Korruption aufdeckt. Doch in Vietnam hatte das ein Geschmäckle: Denn die Festnahmen erfolgte just zu einer Zeit, als der Innenminister selbst unter Beschuss stand und der Parteichef schon dessen baldige Entlassung ins Spiel gebracht hatte.
To Lam hatte sich bei einem Besuch in Großbritannien dabei filmen lassen, wie er sich in einem sündhaft teuren Londoner Restaurant ein vergoldetes Steak zum Preis von mehr als eintausend Dollar servieren ließ. Das von der britischen BBC verbreitete Video ging in Vietnams sozialen Netzwerken viral und sorgte für Empörung.
Denn das offensichtliche Verprassen von Steuer- oder vielleicht sogar Korruptionsgeldern passt nicht in eine Zeit, in der die meisten Vietnamesen unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie leiden. Mit der Razzia gegen Viet A schlug To Lam zurück, als wollte er sagen: Andere einschließlich des Parteichefs sind doch in einen noch größeren Skandal verwickelt als ich.
Scheibchenweise halten seitdem immer neue Details Vietnams Öffentlichkeit in Atem. So wurde bekannt, dass Viet A seine Räume lediglich in einer dreißig Quadratmeter großen Garage hatte. Haben dort tatsächlich Wissenschaftler ein sensibles Medizinprodukt entwickelt und unter hygienischen Bedingungen produzieren können? Oder stammen die Testkits in Wirklichkeit aus China und wurden in der Garage nur umetikettiert?
Viet A hatte für die Entwicklung des Tests mehr als 800.000 Dollar Fördermittel erhalten und nach Erkenntnissen der Ermittler damit 175 Millionen Dollar Umsatz gemacht.
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