piwik no script img

Corona in VietnamRückschlag im Musterland

Drei Monate meldete Vietnam keine neuen Corona-Infektionen. Nun traten gleich 15 Fälle innerhalb von wenigen Tagen auf.

In Vietnam haben viele Bewohner Angst vor dem Ausbruch einer neuen Infektionswelle Foto: Kham/reuters

Berlin taz | In Vietnam herrscht nach mehr als drei Monaten ohne Coronaneuinfektionen plötzlich Angst vor einer neuen Welle. Die Gesundheitsbehörden des Landes haben am Wochenende vier neue Infizierte und am Montag weitere elf registriert.

Alle 15 Fälle gehen mutmaßlich auf Ansteckungen im Inland zurück, 14 davon in der zentralvietnamesischen Millionenstadt Da Nang und eine in der südlich davon gelegenen Provinz Quang Ngai, wie das vietnamesische Onlineportal VNExpress am Montagabend Ortszeit berichtete. Zuvor waren seit 99 Tagen überhaupt keine neuen Fälle mehr festgestellt worden.

Es ist bisher unklar, wie sich die ersten vier Betroffenen infiziert haben. Bei sieben weiteren Fällen handelt es sich um Patienten eines Krankenhauses und bei vier Personen um dortiges Gesundheitspersonal in Kliniken. Zwei der zuerst Infizierten, bei ihnen handelt es sich um ältere Männer, sind in kritischem Zustand und müssen künstlich beatmet werden.

Die Stadt Da Nang ist mit ihrem langen Sandstrand ein Zentrum des nationalen wie internationalen Tourismus. In normalen Zeiten wird die Stadt von vielen Kreuzfahrtschiffen angelaufen. Im Norden liegt die alte Kaiserstadt Hue, im Süden der Touristenort Hoi An sowie die Weltkulturerbestätte My Son.

Einheimische Urlauber werden ausgeflogen

Da Vietnams Grenzen für Besucher schon seit Ende März dicht sind und der Flugverkehr außer für Rückkehrer ausgesetzt ist, machen in Da Nang derzeit fast nur Einheimische Urlaub. Die Regierung hat nun damit begonnen, von dort 80.000 vietnamesische Urlauber in elf vietnamesische Städte auszufliegen. In Da Nang wurden alle kulturellen, sportlichen und religiösen Veranstaltungen verboten. In der Öffentlichkeit herrscht Maskenpflicht.

Von den vier zuerst bekanntgewordenen neuen Infizierten wurden bereits 900 Kontaktpersonen auf Corona getestet und trotz negativer Testergebnisse unter staatliche Quarantäne gestellt. 10.000 weitere Personen sollen jetzt noch getestet werden.

Bisher kein Todesfall

Vietnam hat als direktes Nachbarland zu China, dem Ursprungsort des Coronavirus, schon früh seine Grenzen geschlossen und wegen seines entschlossenen Handelns bisher nur insgesamt 431 Infizierte registriert. Vor allem hat das Land mit 97 Millionen Einwohnern noch keinen Todesfall durch die Pandemie gehabt.

Die Regierung in Hanoi hatte nach nur wenigen Infektionsfällen im Februar ein Dorf mit 10.000 Einwohnern vor den Toren der Hauptstadt strikt abgeriegelt und unter Quarantäne gestellt.

Der autoritären sozialistischen Regierung gelang es, die Bevölkerung zur Bekämpfung der Pandemie hinter sich zu vereinen und zugleich ein nationales Verantwortungs- und Gemeinschaftsgefühl, wie es zum Teil während des Vietnamkriegs herrschte, aufleben zu lassen. Gleichzeitig gingen die Behörden massiv selbst zum Beispiel gegen Spekulanten vor, die etwa in der Anfangszeit die Knappheit von Masken ausnutzen und die Mundschutze zu Wucherpreisen verkaufen wollten.

Die bisher letzten Infektionen waren alle auf Rückkehrer aus dem Ausland zurückgegangen, weshalb alle Rückkehrenden daraufhin für 14 Tage unter obligatorische kostenlose staatliche Quarantäne gestellt wurden. Mit großem Aufwand werden stets die Kontaktpersonen ermittelt, um sie auch unter Quarantäne zu stellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Sorry, aber ganz schön viel Aufwand für 14 Infizierte. Da kann von Verhältnismäßigkeit keine Rede mehr sein.

    • @Aymen:

      In einem Artikel Anfang Februar schrieb die TAZ (taz.de/Coronavirus...le2=1594080000000), daß es in Vietnam eine hohe Dunkelziffer an Infizierten gäbe. diese gab es nicht. Es wurde geschrieben, daß sich der Virus in Vietnams Großsstädten rasant ausbreiten würde, das hat er nicht. Es wurde hinterfragt, wie gut Vietnam auf die Pandemie vorbereitet wäre, ganz offensichlich besser als Deutschland.

      Dabei kann man Deutschland und Vietnam durchaus miteinander vergleichen, annähernd dieselbe Einwohnerzahl, annähernd dieselbe Fläche und etwa zur selben Zeit die ersten Infizierten. Einen Unterschied gibt es jedoch, Vietnam ist ein Schwellenland und Deutschland eine der größten Industrienationen der Welt.

      Vietnam hatte 3 Monate lang keine Neuinfizierte zu verzeichnen. Davon kann Deutschland nur träumen. Dazu kommt Deutschland vielleicht in 5 oder 10 Jahren. Die derzeitigen Neuinfektionen sind im Übrigen auf illegal Eingereiste zurückzuführen, welche sich der 14tägigen staatlichen Quarantäne entziehen wollten. Diese Quarantäne wird übrigens vom vietnamesischen Staat bezahlt und kann bei Zuzahlung sogar in einem 3* Hotel verbracht werden.

      Ich persönlich ziehe es jeder Zeit vor, freiwillig wegen einem Infizierten für 14 Tage in Quarantäne zu gehen, um dann anschließend mein Leben wieder unbeschwert genießen zu können anstatt dies nicht zu tun und dafür mein Leben lang Geisel eines Virus zu sein und auf jeden Spaß verzichten zu müssen.

      Mit besten Grüßen aus dem Coronafreien Saigon, wo ich am Fluss einen Café genieße, keinen Mundschutz tragen und auch keine Mindestabstände zu meinen Freunden einhalten muss. Wäre es möglich, so würde ich die vietnamesische Staatsbürgerschaft beantragen, auch wenn ich nicht in jeder Hinsicht ein Fan der vietnamesischen Regierung bin, aber dass ist es leider nicht. Von daher kann ich nur hoffen, das Vietnam seine Grenzen noch sehr lange geschlossen hält, so dass ich nicht raus und der Virus nicht herein kommt.

    • @Aymen:

      Unverhältnismäßig?



      Ich würde es wohl eher als clever und vorausschauend bezeichnen.

      Ganz sicherlich ist es eine drastische Maßnahme, eine Millionenstadt wie Danang wegen 14 Nueinfizierten 2 Wochen lang unter Quarantäne zu stellen und 80.000 vietnamesische Touristen auszufliegen, also zurück in ihre Heimatprovinzen zu bringen. Doch in 14 Tage wird das Leben in Danang, wie in ganz Vietnam wieder ganz normal ablaufen.

      Drastisch war vielleicht auch der Bau 2 neuer Krankenhäuser für zigmillionen USD in Vorbereitung auf eine eventuelle Krise, im Februar diesen Jahres. Doch sind zigmillionen USD an Steuergeldern für 2 Krankenhäuser nicht besser angelegt, als allein 9 Milliarden Euro für die Rettung der Lufthansa? Im Übrigen hat Vietnam diese Krankenhäuser gebaut, da hat man in Deutschland noch nicht einmal daran gedacht, die bestehenden Krankenhäuser mit zusätzlicher Schutzkleidung auszustatten.

      Drastisch war es wohl auch, als Vietnam Anfang Februar eine ganze Provinz, mit 10.000 Menschen, wegen 16 bestätigter Corona-Fälle in Quarantäne schickte. Doch der Erfolg gibt diesem Land recht. Seit Januar 2020, also in den vergangenen 7 Monaten gab es in Vietnam gerade einmal 431 bestätigte Infektionen mit Corona und nicht einen einzigen Toten. In Deutschland gab es allein am gestrigen 28.07.2020, 595 Neuinfektionen und insgesam 9.131 mit oder an Corona Verstorbene.

      Unverhältnismäßig?



      Ganz sicherlich nicht. Hätten Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Großbritanien, die USA und viele weitere Staaten weltweit so "unverhältnismäßig" wie Vietnam auf die Virusinfektionen reagiert, dann gäbe es heute weder eine Corona-Pandemie, noch eine Weltwirtschaftskrise.

      ... weiter mit nächstem Post

    • @Aymen:

      Es geht nicht um 14 Infizierte, sondern um 95 Millionen Gesunde. Wir haben weniger Einwohner und einen Riesenaufwand getrieben, mit weit weniger Erfolg. Ich sehe einen Unterschied in keinem einzigen Toten und über 9000. Wir waren Corona-Trottel, wie die meisten westlichen Länder.

    • @Aymen:

      Bis wie viel sollen wir warten? Mit 140, 1400 oder 14.000 Infizierten ist dann die Maßnahmen Ihrer Meinung verhältnismäßig? Fast halbes Jahr ist vergangen, Europa und Amerika haben dank eure Verhältnismäßigkeit diese Krise immer noch nicht im Griff. Nur wegen unsere strenge Maßnahmen von Anfang an, ist unsere gesamte Infizierten ist nicht mal ein Bruchteil von Todesfall wegen Corona in Deutschland und wir hatten normales Leben seit mehr als 3 Monate. Weil es um Menschenleben geht, lassen wir uns nicht von falschen Leuten belehren.

    • @Aymen:

      Ich weiß nicht, solange die Chance besteht, ein Land wieder 100% virenfrei zu bekommen, ist m.E. ein sehr, sehr hoher Einsatz kurzfristig gerechtfertigt.

      An der Wurzel des exponentiellen Wachstums ist Prävention unendlich viel billiger, als wenn die Lawine erstmal zu wandern angefangen hat.

      Davon, diese Frage diskutieren zu müssen, sind andere Länder leider weit entfernt. Wir können nur staunend(!) zusehen.

      • @Stephan Herrmann:

        Absolut richtig, was sie geschrieben haben.