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Corona in ItalienTrauriger Weltrekord

In Italien steigen die Zahlen der Infizierten und der am Virus Verstorbenen rasant. Doch es gibt Zweifel, ob die staatlich erhobenen Daten zuverlässig sind.

Wie viele Menschen haben sich wirklich in Italien infiziert? Intensivbett in einem Hospital in Rom Foto: Alessandra Tarantino/ap

Rom taz | Erschütternd war die Zahl, die Italiens Zivilschutzchef Angelo Borrelli am Mittwochabend bei seinem täglichen Pressebriefing mitteilte: An nur einem Tag waren in Italien 475 Menschen der Coronaepidemie erlegen, damit stieg die Gesamtzahl der Toten auf fast 3.000.

Es war nicht nur die höchste Opferzahl seit Ausbruch der Seuche, es war zugleich ein trauriger Weltrekord: Nicht einmal China hatte, selbst auf dem Höhepunkt der Epidemie, in nur 24 Stunden eine so hohe Zahl an Toten zu beklagen.

Zugleich erklärte Borrelli, die Zahl der Neuinfizierten habe 2.648 betragen, damit haben sich nunmehr 35.713 Menschen in Italien mit Sars-CoV-2 angesteckt. Italien ist damit das in Europa am stärksten und weltweit am zweitstärksten betroffene Land. Vor allem aber droht es bei der absoluten Anzahl der Toten nun noch vor China den ersten Platz einzunehmen.

Zudem weisen wenigstens die offiziellen Zahlen in Italien eine enorm hohe Sterblichkeitsrate aus. National machen die Toten mittlerweile 8 Prozent der Gesamtfälle aus, während diese in China bei 4 Prozent lag. Am schlimmsten trifft es die beiden am stärksten betroffenen Regionen, die Lombardei, wo der Anteil der Toten bei offiziell 11 Prozent liegt, und die Emilia Romagna mit 10 Prozent.

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„Völlig verrückt“

Dies wirft vor allem die Frage nach der Zuverlässigkeit der staatlich erhobenen Daten auf. Denn im Veneto, der östlich an die Lombardei angrenzenden Nachbarregion, kommen auf 3.214 Infizierte nur 94 Verstorbene und damit 2,9 Prozent. In der mittelitalienischen Toskana machen die Opfer nur 1,65 Prozent, in Sizilien gar nur 1 Prozent aus.

„Völlig verrückt“ seien mittlerweile die Zahlen vor allem aus der Lombardei, erklärt vor diesem Hintergrund der Biologe und Epidemieexperte Enrico Bucci in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung La Repubblica. Vorne und hinten könnten die mitgeteilten Daten über die Infizierten nicht stimmen, sie seien viel zu niedrig gegenüber dem tatsächlichen Verlauf.

In der Tat werden in der Lombardei Abstriche nur bei Personen vorgenommen, die schon klare Krankheitssymptome entwickelt haben. Vor allem unter jungen Menschen entwickeln jedoch viele Infizierte gar keine oder nur geringe Symptome. Gerade diese asymptomatischen Virusträger stellen jedoch für andere das Hauptinfektionsrisiko dar.

Bucci zieht daraus den Schluss, dass als einzig belastbare Angabe die Zahl der Toten bleibt. Sie wächst in diesen Tagen weiter an, lag am 13. März bei 250, am 15. März bei 368 und am 18. März bei 475.

Kollektiver Hausarrest

Diese Zahl bildet jedoch nicht den aktuellen Epidemieverlauf ab, sondern – darf man Bucci folgen – in etwa den von vor 14 Tagen. Dies heißt aber, dass es gegenwärtig keine zuverlässige Datenbasis gibt, die sagen könnte, ob der dem Land von der Regierung verordnete kollektive Hausarrest positive Folgen zeitigt.

Denn mittlerweile gibt es wenigstens in der Provinz Bergamo – sie ist innerhalb der Lombardei am härtesten getroffen – auch Zweifel an der Zuverlässigkeit der Todeszahlen.

Bergamos Bürgermeister Giorgio Gori beklagte in den vergangenen Tagen wiederholt, dort würden viele alte Menschen, die keine Aufnahme mehr in den Krankenhäusern fänden und dann in ihrer Wohnung oder in Altersheimen sterben, gar nicht mehr als Corona-Tote registriert.

Gerade in der Lombardei ist das Gesundheitssystem schon am Limit, das etwa in Bergamo bereits überschritten ist. Die Regierung reagiert jetzt mit der Errichtung von drei Feldhospitälern durch die Armee.

Der Regionalpräsident der Lombardei, Attilio Fontana, fordert eine weitere Verschärfung der den Bürgern auferlegten Einschränkungen. Die Regierung in Rom denkt jetzt darüber nach, auch die bisher erlaubten sportlichen Aktivitäten im Freien – joggen oder Rad fahren – ebenso wie schlichte Erfrischungsspaziergänge generell zu untersagen.

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5 Kommentare

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    Die Moderation

  • Hallo Taz, was ist denn mit der Tabelle los?



    In meinem Browser wird dort Italien als Israel angegeben... Deutschland als Georgien, Iran als Indonesien, Frankreich als Finnland,...

  • Die chinesischen Zahlen sind sicher mit Vorsicht zu geniessen. Anfangs zu wenig Testkapazität jetzt sicher der politische Wille die Infektion im Griff zu haben, man wird sehen was passiert.



    Italien ist mit der Infektion schon viel weiter und hat sicher viele ungeteste postive Fälle. Dass in der Lombardei die Sterblichkeit so hoch ist könnte damit zu tun haben dass die Kliniken überlastet sind und nicht mehr alle Patienten versorgt werden können.



    Gleicher Effekt wie in Wuhan, die umgebenen Bereiche hatten auch eine deutlich niedrigere Sterblichkeit.



    Aber auch wir haben sicher viel mehr fälle als die 13000 suggerieren.



    Daher verstehe ich alle die in den Parks schlendern sich immer noch in die Cafes quetschen und von Bevormundung philosphieren gar nicht.



    Aus Kliniken kommt auch hier die klare Message es wird langsam bitterernst und dann sind wir auch bei italienischen Verhältnissen, vielleicht schneller als uns lieb ist.

  • "Nicht einmal China hatte, selbst auf dem Höhepunkt der Epidemie, in nur 24 Stunden eine so hohe Zahl an Toten zu beklagen."

    Wobei man nicht vergessen darf dass die Zahlen aus China von einer Diktatur zensiert und frisiert werden, ohne Pressefreiheit, in der keine unabhängigen Erhebungen möglich sind. Die massives Propaganda-Interesse daran hat das Problem als von der Partei gelöst darzustellen, und in der whistleblower sofort verschwinden.



    Allein in dem einem Wohnblock meiner Bekannten in Peking gab es 5 Infizierte mit Quarantäne für das ganze Haus, als die offiziellen Zahlen für die Stadt noch bei 0 lagen. Solche Zahlen kann man nicht einfach mit italienischen vergleichen.

  • Die Italien-Zahlen sind ja entscheidender Grund für die harten europäischen Maßnahmen und es ist sehr ärgerlich, dass die so unsicher sind.



    Auch für Corona insgesamt scheint die Datenlage übrigens noch nicht über alle Zweifel erhaben zu sein:



    www.statnews.com/2...out-reliable-data/



    Wenn dieser Artikel recht hat, so kann da noch immer fast alles dahinterstecken kann: von einer schlimmen Seuche bis zu einer etwas schwereren Erkältung.



    Angesichts der Situation in anderen Ländern sollte man trotz Zweifeln natürlich nicht die Hände in den Schoß legen, aber genaueres Wissen kann eben entscheidend sein, wie umfassend die Reaktion sein muss.



    Schließlich ist der Preis enorm hoch, wenn man einen Großteil der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens lahm legt!