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Corona-Lockerungen in SachsenFreundschaftsdienst für die Polizei

Rieke Wiemann
Kommentar von Rieke Wiemann

Sachsen will bei Kundgebungen wieder mehr Menschen erlauben. So richtig die Lockerung ist – den rechten Querdenkern dürfte sie Rückenwind geben.

Polizei in Sachsen: Bei Demonstrationen gegen Coronamaßnahmen oft überfordert Foto: imago-images

D ie sächsische Landesregierung will die Zahl der erlaubten Ver­samm­lungs­teil­neh­me­r*in­nen deutlich ausweiten. Seit dem 22. November sind in Sachsen wegen der Pandemie nur ortsfeste Kundgebungen mit zehn Personen zulässig. Ab Freitag sollen wieder 1.500 Menschen demonstrieren dürfen – sofern der kritische Wert von 1.300 Covid-Patient*innen auf der Normalstation oder 420 auf der Intensivstation nicht überschritten wird. Andernfalls sollen ortsfeste Kundgebungen mit 200 Personen stattfinden dürfen.

Dass die Landesregierung die Beschränkungen des Versammlungsrechtes lockert, ist gut und folgerichtig, denn die Sieben-Tage-Inzidenz, die in Sachsen vor einem Monat noch bei über 1.000 lag, ist auf 303 gesunken; auch die Zahl der Covid-19-Patient*innen in den Krankenhäusern geht zurück. Das Recht zu demonstrieren ist für eine Demokratie zu wichtig, als dass man es trotz geringerem Infektionsgeschehen weiterhin so stark einschränken könnte.

Nicht nachvollziehbar wiederum ist, dass sich künftig 200 Personen versammeln dürfen, wenn in den Kliniken die Überlastungsstufe gilt. Diese 200er-Grenze hat keinen medizinischen Grund, denn warum sollten in Sachsen, dem Bundesland mit der mit Abstand niedrigsten Impfquote Deutschlands, plötzlich Kundgebungen mit 200 statt mit zehn Personen vertretbar sein – und das bei der sich rasant ausbreitenden Omikron-Variante?

Weniger Potenzial zum Scheitern

Die 200er-Grenze wirkt wie ein Freundschaftsdienst für die sächsische Polizei, die es seit Wochen nicht hinkriegt, die Zehn-Personen-Grenze durchzusetzen. Bei 200 erlaubten Teil­neh­me­r*in­nen muss die Polizei nicht versuchen, jede noch so kleine Querdenkerdemo aufzulösen. Das bedeutet: Entlastung der Einsatzkräfte und weniger Potenzial zum Scheitern.

Allerdings werden die Querdenkerproteste nicht aufhören, nur weil die Regierung die Einschränkungen lockert. Im Gegenteil. Die rechtsextremen „Freien Sachsen“, die zu zahlreichen Coronademos in Sachsen aufrufen, feiern die Erhöhung der erlaubten Personenanzahl als Erfolg ihres Protests. „Kretschmer-Regierung beugt sich dem Druck der Straße, das kann nur der Anfang sein“, schreibt die Kleinstpartei etwa in ihrem Telegram-Kanal.

Statt willkürlich die Anzahl der Ver­samm­lungs­teil­neh­me­r*in­nen auf 200 zu erhöhen, sollte sich die Landesregierung lieber überlegen, warum es der sächsischen Polizei nicht gelingt, die Coronaverordnung durchzusetzen und einen Plan erarbeiten, wie sie die fortschreitende Radikalisierung von Geg­ne­r*in­nen der Coronamaßnahmen stoppen will.

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Rieke Wiemann
Korrespondentin
Jahrgang 1994, ist Korrespondentin in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, hat ihr Volontariat bei der taz absolviert.
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4 Kommentare

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  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Vor allem weil zu erwarten ist, dass die Initiatoren natürlich auch die 200er-Grenze deutlich und mit Absicht reissen werden, denn nur in dem Konflikt mit der Polizei erreichen sie die Aufmerksamkeit, die sie suchen und brauchen.

    Keine Sau interessiert sich für 50 oder 100 Deppen, die nächtens durch sächsische Kleinstädte schleichen. Sie werden also - da sind sie schlau und haben die Aufmerksamkeitsökonomie der kapitalistischen Gesellschaften komplett verinnerlicht - alles tun, damit die erhoffte Entlastung nicht eintritt.

    Insofern passt diese Maßnahme perfekt zu der Hilf-, Ahnungs- und Rückgratlosigkeit, die man von der Ost-CDU im Besonderen gewohnt ist.

  • Warum Proteste auf der Straße überhaupt eine zahlenmäßige Obergrenze haben soll, kann wohl nur eine Deutsche erklären. Gilt dies auch in Kasachstan oder Beloruss oder Hongkong?

    Abgesehen davon, dass eine Infektion auf der Straße ziemlich unwahrscheinlich, so ist das Demonstrationsverbot etwas zutiefst undemokratisches. Nicht umsonst fühlen sich in Sachsen manche an den Herbst 1989 erinnert.

    • @TazTiz:

      Mit dem Herbst 89 hat das alles nichts zu tun.



      ...Corona-SkeptikerInnen in Leipzig bauen auf die Symbolik der friedlichen Revolution – und stufen damit den Geist von 1989 auf Ramschwert herab....



      taz.de/Corona-Demo-in-Leipzig/!5724035/

    • @TazTiz:

      "Ziemlich unwahrscheinlich" ist eine Infektion auf einer öffentlichen Großkundgebung seit langem nicht mehr. Zumal wenn man aus brüllend und singend was die Lungen hergeben durch enge Gassen, Einkaufsstraßen zwischen hohen Häusern, oder Unterführungen (weil es da so schön schallt) marschiert.

      Die Covidioten sind die geistigen Erben der Flagellantensekte. Die waren auch sehr unangenehme ZeitgenossInnen, die in ihrem kultischen Fanatismus zahllosen Menschen den Seuchentod gebracht und die Schuld auf irgendwelche harmlosen "Juden" geschoben haben. Aber am Ende waren sie selbstlimitierend.