Corona-Krise in Berlin: Stille in der Stadt

In Berlin hat der Frühling begonnen. Aber dieses Jahr ist er anders als sonst, obwohl manche Straßen fast genauso gefüllt sind wie sonst.

Eine leere Straße mit großen Gebäuden im Hintergrund.

Die Straßen werden leerer – auch in Berlin Foto: Fabrizio Bensch/Reuters

Berlin taz | Im Berliner Morgengrauen liegt etwas Friedliches. Es ist die Zeit der Läuferinnen und der keuchenden Müllwagen. Auf den Wegen sind kaum Menschen zu sehen. Da sind nur Männer in Bauarbeiterhosen in weiß, in grau, dunkelblau oder rot. Sie haben weiße Farbspritzer auf den Lätzen oder braunen Staub an den Knien und tragen ihr Frühstück in Papiertüten bei sich.

Dieser Dienstagmorgen könnte der Anfang eines wunderschönen Tages sein. Er ist kühl, aber sonnig, verspricht Frühjahrswärme. Auf der Warschauer Brücke im früheren Ost-Berlin vermischen sich an so einem Morgen die Bauarbeiter für gewöhnlich mit durchzechten Tourist:innen und Studierenden. Heute nicht.

Seit Sonntag sind die Kneipen und Clubs in Berlin geschlossen. Das öffentliche Leben in Deutschland wird wegen des Coronavirus Stück für Stück heruntergefahren. Die derzeitige Lagen in Italien und Österreich lassen erahnen, was uns vielleicht bevorsteht: Der völlige Shutdown. Am Montagabend kam auch hier die Meldung, dass Geschäfte, die nicht lebensnotwendig seien, zukünftig geschlossen bleiben sollten.Die Woche, in der relevante und irrelevante Berufe voneinander getrennt werden

Und doch sind die Straßen an diesem frühen Morgen kaum leerer als sonst. Die Fußwege und S-Bahnen jedoch schon. In der Bahn Richtung Westberlin sitzen die Menschen versetzt auf Vierersitzen. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz: Einer am Gang, die andere gegenüber am Fenster. Wer sich nicht an diese Regel halten kann, bleibt an eine Glaswand gelehnt stehen. Um diese Zeit vor einer Woche gab es keine Sitzplätze mehr in der Bahn und die Stehenden verteilten sich dicht im Gang. Schon vor einer Woche schienen die Menschen verunsichert, jetzt blicken sie ertappt.

Die Woche, in der relevante und irrelevante Berufe voneinander getrennt werden

Die Kirschblüten öffnen sich langsam, die Birkenknospen bleiben noch verschlossen. Eigentlich ist es die Woche des Frühjahrs, die alle hinausziehen sollte. In diesem Jahr ist es die Woche, in der relevante und irrelevante Berufe voneinander getrennt werden. Viele Arbeitnehmer:innen sind inzwischen im Homeoffice. Wie viele zu Hause bleiben, fällt erst ab kurz vor neun auf, denn das ist die Zeit der Büro­menschen.

Zwei Frauen in Ordnungsamtsuniformen schlendern am Rande des ruhigen Alexanderplatzes. Während die halbe Stadt lahmgelegt ist, müssen sie noch Knöllchen verteilen. Eine der beiden Frauen telefoniert, die andere erzählt: „Ich würde auch gern sinnvollere Dinge machen. Das Gesundheitsamt unterstützen oder für alte Leute da sein.“ Aber Ordnung müsse schließlich auch sein.

Der Himmel hat sich verdichtet, der Straßenverkehr ausgedünnt. Auf dem Alexanderplatz kriechen Menschen vereinzelt von A nach B, wie Schlangen durch die Wüste. Leere Straßenbahnen rattern durch ihre Wege hindurch. Die Geschäfte sind entgegen der Meldungen vom Vortag noch geöffnet, doch sie sind leer. Nur die Drogerie ist noch immer gut besucht. Die Menschen kaufen ausnahmslos Toilettenpapier.

Hinter der Weltzeituhr dekoriert eine junge Frau ein Schaufenster um. Ob das überhaupt noch nötig sei? „Ich weiß nicht, ich muss es halt machen“, antwortet sie gleichgültig. Neu im Angebot sind Kindersachen unter dem Slogan „The Future starts now“.

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