Corona-Impfung in Israel: Dritte Dosis gegen vierte Welle
Während anderswo noch geprüft wird, hat Israel mit der dritten Impfung seiner Bürger*innen begonnen. Doch viele Menschen sind skeptisch.
Überall im Land werden derzeit heftige Konflikte zum Thema Maskenpflicht ausgetragen, die vor wenigen Wochen zumindest auf dem Papier wieder eingeführt wurde. In den letzten anderthalb Jahren wurde hier die Kunst perfektioniert, strenge Maßnahmen zu treffen, an die sich dann nur Wenige halten.
Als erstes Land hat Israel Anfang der Woche damit begonnen, Menschen ab 60 Jahren mit einer dritten Impfdosis gegen das Coronavirus zu impfen. Dies gilt für diejenigen, die vor mindestens fünf Monaten ihre zweite Impfdosis erhalten haben.
Obwohl die US-Arzneimittelbehörde FDA laut der New York Times erst im September grünes Licht für diesen Schritt geben will und sowohl Risiken als auch die Effizienz noch nicht genügend erforscht sind, war die Auffrischungsimpfung mit dem Biontech/Pfizer-Präparat von einem israelischen Expertenteam empfohlen worden.
Alter oder Delta?
Die Kampagne geht in rasantem Tempo voran: Rund 155.000 Israelis haben ihre Drittimpfung bereits erhalten, von insgesamt 1,2 Millionen Impfberechtigten haben 200.000 in den kommenden Tagen einen Termin.
Eldar Nir, 34, aus Tel Aviv
Derweil steigt die Zahl der Neuansteckungen an. Diesen Montag wurden fast 4.000 vermerkt, die Anzahl der ernsthaft Erkrankten verdoppelte sich innerhalb einer Woche auf 221. Es ist der höchste Wert seit März. Das Gesundheitsministerium berichtet, rund die Hälfte aller Neuerkrankungen betreffe Geimpfte.
„Die 1-Million-Dollar-Frage war für uns in den letzten Wochen: Sind ältere Menschen aufgrund eines schwächeren Immunsystems anfälliger für die aggressive Deltamutation oder schwindet der Impfeffekt, wenn die Impfung längere Zeit zurückliegt?“ Laut Sharon Alroy-Preis, der Direktorin des öffentlichen Gesundheitswesens in Israel, weisen Studien auf einen schwindenden Impfeffekt bei allen Altersgruppen hin, was eine Auffrischimpfung nötig macht.
Obwohl es weniger zu Schwererkrankungen kommt, liege der Impfschutz bei unter 40 Prozent – das bedeutet, man ist zwar vor schweren Erkrankungen geschützt, aber nicht unbedingt vor einer Infektion.
Israels Impfskeptiker
Beinahe 58 Prozent der 9,3 Millionen Israelis sind vollständig geimpft. Lange Zeit galt das Land als Impfweltmeister und verkündete stolz den Sieg über das Virus. In Großbritannien sind mittlerweile über 71 Prozent der Bevölkerung geimpft.
Die Impfbereitschaft in Israel geht derweil zurück. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie glaubt knapp ein Fünftel der israelischen Bevölkerung, Corona sei eine Verschwörung der Pharmaindustrie, ein weiteres Fünftel hält das Virus für ein Komplott der Regierung. Gegner:innen behaupten, statt auf eine Drittimpfung mit ungewissen Konsequenzen und spärlichen Forschungsergebnissen zu hoffen, wäre es sinnvoller, sich auf die über eine Million Menschen zu konzentrieren, die eine Erstimpfung verweigern.
Dies könnte allerdings schwierig werden. „Die Deltamutation bestätigt mich um so mehr darin, nicht auf die Effizienz der Impfung zu vertrauen. Wenn ich krank werden sollte, wird mich mein Immunsystem schützen und nicht die Impfung“, sagt der 34 Jahre alte Eldar Nir. Auch die meisten Menschen in seinem sozialen Umfeld seien ungeimpft. Seinem Vater würde er die Drittimpfung allerdings empfehlen.
Im Dezember 2020, als Israel seine Impfkampagne begann, unterstützten eine Reihe von Studien sowie Zulassungen aus EU und USA den Impfehrgeiz. Während große Teile der Weltbevölkerung heute noch auf ihre Erstimpfung warten, handelt das kleine Land vorerst im Alleingang: Dazu gehört auch die Entscheidung, gefährdete Kinder ab fünf Jahren erstmals zu impfen. Ab September wollen Großbritannien und Deutschland aber nachziehen und Risikogruppen zum dritten Mal impfen.
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