Corona-Erkrankung des britischen Premier: Boris Johnson auf Intensivstation
Der Gesundheitszustand des britischen Premierministers Boris Johnson hat sich verschlechtert. Außenminister Dominic Raab übernimmt die Geschäfte.
Der Premier sei bei Bewusstsein, hieß es aus Regierungskreisen. Er sei „vorsichtshalber“ auf die Intensivstation verlegt worden – für den Fall, dass er ein Beatmungsgerät benötigen sollte. Königin Elizabeth II. werde laufend über Johnsons Zustand unterrichtet, teilte der Buckingham-Palast mit. Johnson ist weltweit der ranghöchste amtierende Politiker, bei dem eine Corona-Infektion nachgewiesen wurde.
In Johnsons Umfeld waren zuvor Befürchtungen geäußert worden, dessen Erkrankung könnte sich unter seiner hohen Arbeitsbelastung verschlimmert haben. Viele der an der vom Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 leidenden Patienten zeigten Fieber- und Erschöpfungssymptome und nutzten die „Isolation, um zu schlafen und sich zu erholen“, erklärte Gesundheitsstaatssekretärin Nadine Dorries, die selbst eine Corona-Infektion überwunden hat.
Noch am Montagnachmittag hatte sich Johnson über den Kurzbotschaftendienst Twitter aus dem Krankenhaus gemeldet und erklärt, er sei „guter Stimmung“. Er stehe weiterhin in Kontakt mit seinem Team, mit dem er an der Eindämmung der Pandemie arbeite. Der Premier dankte zudem den „brillanten Mitarbeitern“ des britischen Gesundheitssystems, „die sich in dieser schwierigen Zeit um mich und andere kümmern“.
Trump will Johnsons Ärzten helfen
Johnson hatte seine Corona-Infektion Ende März öffentlich gemacht. Nach gut einer Woche in Quarantäne in seiner Dienstwohnung wurde der Premier dann am Sonntagabend in ein Krankenhaus eingeliefert, da er weiterhin Symptome von Covid-19 zeigte.
Wünsche für die rasche Genesung Johnsons kamen unter anderen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump. Die Kanzlerin wünsche dem britischen Premier „viel Kraft und gute Besserung“ und hoffe, dass er das Krankenhaus bald verlassen könne, twitterte Regierungssprecher Steffen Seibert.
US-Präsident Donald Trump zeigte sich bestürzt über die Nachrichten aus London. „Es war einfach so schockierend zu sehen“, sagte Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. „Sie wissen, was das bedeutet, Intensivpflege ist eine große Sache in Bezug auf das, worüber wir sprechen. Das ist eine sehr große Sache, eine sehr beängstigende Sache.“
Trump sagte auch, man habe Johnsons Ärzten Unterstützung angeboten. „Wir werden sehen, ob wir helfen können.“ Er deutete an, dass es um die Behandlung mit Medikamenten geht, die noch nicht für die Behandlung einer Erkrankung mit dem Coronavirus zugelassen sind. Trump propagiert seit Tagen die Verwendung des Malaria-Medikaments Hydroxy-Cloroquin zur Behandlung von Covid-19-Erkrankten, obwohl noch keine gesicherten Erkenntnisse über dessen Wirksamkeit vorliegen – wohl aber über eine ganze Reihe an Nebenwirkungen.
Außenminister Raab ist „de-facto-Premierminister“
Der neue Chef der britischen Labour-Partei, Keir Starmer, sprach von „sehr traurigen Neuigkeiten“. Seine Gedanken seien bei Johnson und dessen Familie. Außenminister Raab kündigte im Sender BBC an, er werde als Vertreter des Premiers dessen Kurs im Kampf gegen das Coronavirus fortsetzen.
Raabs erste Amtshandlung als Premier-Vertreter wird am Dienstag die Leitung der täglichen Corona-Videokonferenz des „Kriegs-Kabinetts“ sein, berichtete die Agentur PA. Bei der Bekämpfung des Virus wolle er sich an die von Johnson vorgegebene Linie halten, hieß es. Raabs Ambitionen, das Land zu regieren, dürfte am Dienstag in Erfüllung gehen, „vorübergehend und nicht unter den Umständen, die er erhofft hat“, schrieb PA. Die Times bezeichnete Raab als „de facto-Premierminister“ seit Montagabend.
Da es keinen festen Stellvertreter für den britischen Premier gibt, entscheidet dieser selbst, wer ihn vertritt.
Johnson war zu Beginn der Corona-Krise in die Kritik geraten, weil er restriktive Maßnahmen abgelehnt hatte. Inzwischen gilt im ganzen Vereinigten Königreich eine Ausgangssperre. Bis Montag wurden in Großbritannien mehr 50.000 Corona-Infektionen nachgewiesen, fast 5.400 Menschen starben. Auch Gesundheitsminister Matt Hancock und Thronfolger Prinz Charles hatten sich mit dem Erreger Sars-Cov-2 infiziert. Beide sind aber inzwischen wieder genesen.
Elizabeth II. hatte sich am Sonntag wegen der Corona-Krise in einer Fernsehansprache an die Briten gewandt. Sie appellierte an das Durchhaltevermögen ihrer Landsleute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen