Corona-Einreiseregeln in Europa: Quarantänepflicht wackelt
Ein niedersächsisches Gericht kassiert die Regel, nach der sich Einreisende selbst isolieren müssen. Und auch Armin Laschet kritisiert die Quarantänepflicht.

Am Montag setzte der Senat des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen einen Paragrafen der Landesverordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus vom 8. Mai einstweilig außer Vollzug. Der Paragraf unterwirft aus dem Ausland Einreisende grundsätzlich einer Quarantänepflicht. Der Beschluss vom 11. Mai ist unanfechtbar, wie es hieß.
Ein Argument der Richter: Das Infektionsschutzgesetz lasse eine Regelung durch Rechtsverordnung nur zu, wenn bestimmte Voraussetzungen vorlägen. Dieses Gesetz sehe Quarantäne nur für bestimmte Personen vor – etwa Kranke oder Krankheitsverdächtige. Im Hinblick auf die weltweiten Fallzahlen, die in Relation zur Weltbevölkerung zu setzen seien, könne auch bei Berücksichtigung einer hohen Dunkelziffer ein aus dem Ausland Einreisender aber nicht pauschal als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtiger angesehen werden.
Die Freiheit von Menschen, die unter Quarantäne gestellt würden, werde in erheblichem Maße beschränkt. Es sei aber möglich, durch Rechtsverordnungen Risikogebiete auszuweisen, die die Verhängung einer Quarantäne rechtfertigten, argumentierten die Richter. Alternativ könne der Staat Menschen, die aus dem Ausland einreisen, verpflichten, sich unverzüglich bei den jeweils zuständigen Infektionsschutzbehörden zu melden. Diese könnten dann – etwa durch Befragungen und/oder Tests – Maßnahmen ergreifen.
Ansteckungsrate weiterhin zu hoch
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) dringt derweil auf ein bundesweites Ende der Quarantänepflicht in ihrer aktuellen Form. In der Düsseldorfer Rheinischen Post (Dienstagsausgabe) sprach sich der CDU-Politiker dafür aus, die Quarantäne-Regeln für Rückkehrer aus europäischen Ländern zu lockern. Zur Begründung verwies er auf das Ende des Lockdowns in Frankreich. Er sei in diesem Punkt mit den Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz und im Saarland einer Meinung, sagte er der Zeitung.
Zudem forderte er erneut eine rasche Öffnung der Grenzen. Ohne den Binnenmarkt mit offenen Grenzen könne auch Deutschland die Krise nicht überwinden, erklärte Laschet.
Die Coronakrise hält die Welt seit Monaten in Atem und hat zu einer globalen Wirtschaftskrise geführt. Die Zahl der bestätigten Coronavirus-Fälle in Deutschland stieg am Montag um 933 auf 170.508, wie Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) für Infektionskrankheiten zeigen. Die Zahl der Todesopfer stieg binnen 24 Stunden um 116 auf 7.533.
Die Virus-Ansteckungsrate in Deutschland liegt damit nach Angaben des RKI weiter über dem kritischen Wert von 1. Das RKI teilt in seinem aktuellen Lagebericht mit, die Reproduktionsrate (R) werde aktuell auf 1,07 geschätzt nach 1,13 am Sonntag. Jeder Infizierte steckt damit statistisch mehr als eine weitere Person an, die Fallzahlen würden damit wieder steigen. RKI-Chef Lothar Wieler hat wiederholt erklärt, eine Rate unter 1,0 sei sehr wichtig.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen