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Copilot des Germanwings-FlugzeugsLufthansa wusste von Depression

Die Flugschule wusste, dass der Copilot der Maschine eine „depressive Episode“ hatte. Lufthansa-Chef Spohr will Angehörige in Frankreich treffen.

Am Mittwoch gedenkt Haltern der Opfer in einem ökumenischen Gottesdienst. Bild: dpa

FRANKFURT/HALTERN dpa | Der Copilot der abgestürzten Germanwings-Maschine hat Lufthansa schon während seiner Ausbildung über eine Depression informiert. In einer E-Mail habe der damalige Flugschüler 2009 die Verkehrsfliegerschule in Bremen unterrichtet, teilte die Lufthansa am Dienstag mit. „Die Unterlagen wurden erneut durchgesehen inklusive der E-Mails“, erläuterte eine Lufthansa-Sprecherin in Frankfurt am Main am Mittwoch. Diese „neue Erkenntnis“ sei vom Unternehmen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden.

Die Chefs von Lufthansa und Germanwings wollten am Mittwoch erneut in die Nähe der Absturzstelle nach Seyne-les-Alpes reisen. In den französischen Alpen war der Airbus am 24. März auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf an einer Felswand zerschellt. 150 Menschen starben. Lufthansa-Chef Carsten Spohr und Germanwings-Chef Thomas Winkelmann hätten außerdem geplant, in Marseille erneut mit Angehörigen zusammenzukommen, sagte ein Konzernsprecher. Germanwings ist eine Tochter der Lufthansa.

Gut eine Woche nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich wollen die Menschen der Stadt westfälischen Stadt Haltern zu einem öffentlichen Gottesdienst zusammenkommen. Die Pfarrer der katholischen und der evangelischen Kirche sowie der Halterner Bürgermeister Bodo Klimpel haben für 17 Uhr in die St.-Sixtus-Kirche eingeladen. Es werden viele Teilnehmer erwartet, deshalb wird der Gottesdienst über Lautsprecher auch nach draußen übertragen. Unter den Opfern der Tragödie sind 16 Schüler und zwei Lehrerinnen eines Halterner Gymnasiums.

An der Absturzstelle in den französischen Alpen soll am Mittwoch damit begonnen werden, persönliche Gegenstände der Toten zu sichern. Die Bergung der Opfer wurde nach Angaben der Gendarmerie am Dienstag abgeschlossen. Bis spätestens Ende der Woche sollen alle Opfer identifiziert sein. Außerdem geht die Suche nach dem Flugdatenschreiber weiter.

„Ärztliche Flugtauglichkeit bestätigt“

Der 27 Jahre alte Copilot Andreas Lubitz wird verdächtigt, seinen Kollegen aus dem Cockpit ausgesperrt und die Maschine mit Absicht in die Katastrophe gesteuert zu haben. Nach Erkenntnissen der Ermittler war er vor Jahren suizidgefährdet. Für den Unglückstag war er krankgeschrieben.

Bereits bekannt war, dass der Copilot des Germanwings-Flugs 4U9525 in seiner Ausbildung in der Verkehrsfliegerschule eine Unterbrechung von mehreren Monaten gehabt hatte. In einer E-Mail habe der damalige Flugschüler 2009 im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme seiner Ausbildung die Fliegerschule über eine „abgeklungene schwere depressive Episode“ informiert, hieß in der Mitteilung der Unternehmens am Dienstagabend. „Im Anschluss wurde dem Co-Piloten die erforderliche ärztliche Flugtauglichkeit bestätigt“, teilte Lufthansa weiter mit.

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4 Kommentare

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  • Die sogenannten Experten scheinen nicht sehr viel zu wissen über Depressionen. Mein Lexikon listet zum Beispiel 13 verschiedene, einander zum Teil widersprechende Theorien zur Depressionsentstehung auf. Mit ähnlichem Erfolg könnte man wahrscheinlich auch das Orakel von Delphi befragen.

     

    Es sind so viele unterschiedliche Formen der Depression bekannt, dass es beinah unmöglich zu sein scheint, eine Abgrenzung der Symptome vom "Normalzustand" vorzunehmen. Rücken- und Kopfschmerzen, Entscheidungsschwäche, Konzentrationsstörungen und Angst von Fehlern werden ebenso als Symptome angesehen wie Aggressivität und Reizbarkeit, allgemeine Unruhe und exzessives Sporttreiben. Auch eine "mangelnde Krankheitseinsicht" gehört dazu. Ob damit nun alle abhängig Beschäftigten oder doch eher alle erfolgreichen Profifußballer an Depressionen leiden, wird bislang noch verschwiegen von den Experten.

     

    Offiziellen Schätzungen zufolge (Genaues weiß man nicht) leiden derzeit drei bis vier Millionen Menschen an Depressionen. Die Störung ist damit, noch vor Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen, "die Volkskrankheit Nummer eins" (DPTV). Mehr Markt war selten. Und damit nicht genug. Von einer Dunkelziffer in Höhe von 10 bis 20 Millionen allein in Deutschland geht man aus. Das sind, vom Baby bis zum Greis, rund 12,5 bis 25 % aller Einwohner.

     

    Ich fürchte, die Luftfahrt-Industrie und andere wichtige Branchen werden sie demnächst entscheiden müssen: Wollen sie auch künftig Menschen einsetzen oder lassen sie Computer entscheiden? Wo jeder vierte eine Gefahr darstellt, deren Ursache nicht bekannt ist und also auch nicht bekämpft werden kann, könnte das Personal knapp werden. Auch in den Praxen übrigens. Ärzte sind schließlich auch nur Menschen - und als solche durchaus depressionsgefährdet. Wie gut, dass nie so klar erkennbar ist, wer nun betroffen ist und wer (noch) nicht.

  • Ich bezweifle die Selbstmordtheorie! Hat die TAZ schon einmal in Richtung giftige Gase im Cockpit recherchiert?

     

    Wie genau sollte der Pilot ausgesperrt werden? Anscheinend öffnet sich nach Eingabe des Zugangscodes die Tür ja automatisch.

     

    https://de-de.facebook.com/Anonymous.Kollektiv/posts/879199458793182:0

    • @ziporra:

      Fällt ihnen eigentlich auf, dass sie in ihrem kommentar die selbstmordtheorie als die wahrscheinlichere darstellen und ihr trotzdem nicht zustimmen?

       

      Ich zeigs ihnen: Wenn sich die Tür automatisch öffnet, sie das aber nicht tat, wurde sie wohl manipuliert/blockiert. Das spricht erheblich gegen die Idee, dass der Copilot bewußtlos war.

       

      Es wäre außerdem ein sehr großer Zufall, wenn ausgerechnet in den 10 Minuten, in denen der Pilot aufm Klo ist, die Gase ins Cockpit gelangen, in dem zufälliger Weise ein depressiver Co-Pilot sitzt.

       

      Manche sehen den Wald echt vor lauter Bäume nicht.

    • @ziporra:

      Ein Blick auf das Geschreibsel auf Facebook, und man merkt sofort, woher der Wind weht. Es lohnt nicht, sich damit auseinanderzusetzen.