Computerspielmesse Gamescom: Immer neue Endgegner
Die wollen ja nur spielen, heißt es oft abschätzig über die Besucher der digitalen Spielemesse Gamescom in Köln. Dazu müssen sie erstmal kommen.
Die wollen nur spielen – jedes Jahr wird Kritik an „vergnügungssüchtigen“, „entpolitisierten“ Jugendlichen laut, wenn hunderttausende junger Leute nach Köln zur weltgrößten Computerspielmesse Gamescom kommen und sich dort ein paar Tage lang mit digitalen Spielen und Geräten befassen wollen. Wenn es denn so einfach wäre.
Zuerst mal müssen sie sich mit fiesen Gestalten abgeben, die in vielen Computerspielen als Endgegner gelten würden – als Spielfiguren also, an denen man vorbei muss, um das nächste Level oder den Sieg zu erreichen. Da sind oft harte Kämpfe nötig, viel Geduld und Geschick. So ein Endgegner kann einen fertigmachen und einem jeden Spaß am Spiel nehmen.
Und die Gamescom ist voll von Endgegnern. Krassen Endgegnern. Den fiesesten Endgegner haben die Besucher zum Glück schon hinter sich: Andreas Scheuer (CSU), der ja nicht nur Verkehrsminister, sondern im Kabinett auch für digitale Infrastruktur zuständig ist, hat die Gamescom am Dienstag eröffnet – und ist nun wieder weg.
Aber nicht mal Geld hat er dagelassen. Statt Fördergeld vom Bund mussten sich die Spieleentwickler auf dem Kölner Messegelände mit einer vagen Absichtserklärung zufriedengeben. „In jeder meiner Prioritätenliste steht die Förderung der Games-Branche an erster Stelle“, sagte Scheuer. 50 Millionen Euro an Fördergeld sind im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Ausgezahlt wurden sie bislang nicht, konkrete Termine oder Pläne zur Ausschüttung wurden auch diesmal nicht bekannt.
„Prävention gegen Extremismus jeder Couleur“
Kann das Klischee der Massen an „selbst- und spielsüchtigen Jugendlichen“, erwartet werden bis einschließlich Samstag zwischen 300.000 und 400.000 Besucher, denn nun endlich bedient werden? Moment noch. Der nächste Endgegner trägt Helm und Waffe. Wie schon in den Jahren zuvor wirbt auch diesmal die Bundeswehr auf der Messe um neue Rekruten. 2018 stufte „das Informationstechnikbataillon 282 aus Kastellaun“ die eigene Präsenz als „vollen Erfolg“ ein.
Mit dabei sein wird in diesem Jahr auch der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. An einem Stand werde „Prävention gegen Extremismus jeder Couleur“ gezeigt, wie das NRW-Innenministerium nach anhaltender Kritik in Online-Netzwerken das Zurschaustellen von islamistisch-terroristischen und rechtsextremen Symbolen und Kennzeichen zu erklären versuchte.
Kann, wer die krassen Endgegner Scheuer, Bundeswehr und Verfassungsschutz denn mit Mühe und Not erledigt hat, nun aber endlich losspielen? Ein perfider Endgegner steht noch im Weg. Anders als Militär und Geheimdienst kommt er nicht martialisch-bedrohlich daher. Im Gegenteil. Anwesend sein werden auch „300 Ehrenamtliche der evangelischen Jugend“ sowie ein Stand der evangelischen Kirche , wo Jugendliche angesprochen werden sollen, „die wir sonst nicht mit unserem kirchlichen Angebot erreichen“, wie der evangelische Jugendreferent Daniel Drewes zum Beginn der Messe ausführte.
Und dann sind da ja auch noch tausende Stände und PR-Mitarbeiter von Spieleentwicklern, Konsolenherstellern, PC-Verkäufern, Software-Anbietern und und und.
Scheuer, Bundeswehr, Verfassungsschutz, Kirche, Unternehmens-PR – wer das alles überlebt hat, sollte nun endlich in Ruhe spielen können und von weiterer Kritik verschont bleiben. Viel Spaß in Köln.
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