Computer-Hirn-Schnittstellen bei Lähmung: Wenn der Avatar sagt, was du denkst

Eine Verbindung zwischen Computer und Hirn, die Gedanken in Worte übersetzt? Was wie Science Fiction klingt, wurde in Einzelfallstudien getestet.

Hirnstrommessung, Kabel an einem Kopf

Ein guter Draht zum Computer: Hirnstrommessung Foto: Ute Grabowsky/photothek/imagi

Es gibt Krankheiten und Unfälle, infolge derer Pa­ti­en­t:in­nen Lähmungen erleiden, teilweise sogar nicht mehr sprechen können. Das kann etwa nach einem Schlaganfall der Fall sein oder bei Pa­ti­en­t:in­nen mit der unheilbaren Nervenerkankung ALS, die nach und nach den gesamten Körper betrifft.

Um den Betroffenen dennoch eine Kommunikation mittels Sprache zu ermöglichen, wird an Gehirn-Computer-Schnittstellen, kurz BCIs, geforscht. Mit denen lassen sich zum Beispiel im Kopf formulierte Worte auslesen und auf einem Bildschirm darstellen oder Prothesen steuern.

Die Studie

Die Ergebnisse zweier Studien wurden jüngst im Fachjournal Nature veröffentlicht. Die For­sche­r:in­nen haben hier untersucht, wie Menschen, die aufgrund einer Lähmung nicht mehr sprechen können, mit einer Gehirn-Computer-Schnittstelle wieder mittels Sprache kommunizieren können. In einem Fall ging es um eine Patientin, die einen Schlaganfall erlitten hatte. Im zweiten Fall ging es um einen Patienten mit ALS. Beide erhielten die Schnittstellen als Implantate im Gehirn.

Im Detail waren die Implantate unterschiedlich aufgebaut, doch im Ergebnis hatten sie eines gemeinsam: Die Betroffenen konnten nach Erhalt des Implantats mittels Sprache kommunizieren, indem die im Gehirn formulierten Wörter auf einem Bildschirm lesbar waren. In einem der beiden Fälle wurden parallel außerdem hörbare Sprache und ein auf dem Bildschirm sprechender Avatar erzeugt. Dieser konnte zusätzlich auch die gedachte Mimik der Patientin darstellen.

Neu ist außerdem die Geschwindigkeit: Die Kommunikation ging deutlich schneller, als das mit den bisher angewandten Methoden der Fall gewesen wäre. Bei dem ALS-Patienten waren es durchschnittlich 62 Wörter pro Minute, bei der Schlaganfall-Patientin im Schnitt 78 Wörter pro Minute. Ein übliches Konversationstempo liegt laut den For­sche­r:in­nen bei 160 Wörtern pro Minute.

Was bringt’s?

Schlaganfälle sind weltweit eine der häufigsten Ursachen dafür, dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen leben. In einer alternden Gesellschaft geht es zunehmend darum, wie Menschen lange gesund und auch bewegungsfähig bleiben können.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„Die erreichten Fortschritte können als Meilenstein in der Entwicklung von BCI-Systemen gesehen werden“, bewertet Surjo R. Soekadar, Oberarzt und Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Neurotechnologie an der Berliner Uniklinik Charité, die Ergebnisse der Studien gegenüber dem Science Media Center.

Thorsten Zander, Leiter des Fachgebiets Neuroadaptive Mensch-Technik-Interaktion an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg sagt dort: „Beide Ansätze sind im Moment patientenindividuell, da sie ein mehrwöchiges Training erfordern.“ Dennoch zeigten die Studien, dass es möglich wäre, diese Systeme auch auf andere Patienten auszuweiten. Einzelerfolge mit Perspektive also.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.