Spielzeitbeginn Deutsches Theater Berlin: Von Osten wirkt das Universum öde

Das DT Berlin zeigt „Weltall Erde Mensch“ von Alexander Eisenach. Damit setzt die neue Intendantin, Iris Laufenberg, ganz unprätentiös auf Bewährtes.

Eine Gruppe Frauen im weißen Anzug steht auf der Bühne, im Hintergrund ein Verdutzer mit Helm

Science-Fiction auf der Bühne: Darstellerinnen mit futuristischen Anzügen in „Weltall Erde Mensch“ Foto: Thomas Aurin

„Ein wenig Pathos gehört zu einem Neuanfang dazu. „Leute, die ihr geboren wurdet, aber noch nicht gestorben seid. Eilt und macht euch auf in das Schauspielhaus!“, ruft der Schauspieler Felix Goeser aufgeregt dem Publikum zu und wirbt einmal mehr dafür, sich selbst zu erkennen. „Die Dramen der Vergangenheit erzählen euch, wer ihr wart. Die Dramen außerhalb der Zeit erzählen, wer ihr seid, die des Gegenwärtigen, wer ihr sein könntet!“ Es waltet mithin keine falsche Bescheidenheit. Theater, wie hier gepriesen, ist eine Zeitmaschine, konstruiert, um Auskunft zu geben über die Potenziale der Leute, die da unten im Zuschauerraum sitzen, wie die der Gattung schlechthin.

„Weltall Erde Mensch“ heißt die Stückentwicklung, mit der Regisseur Alexander Eisenach die neue Intendanz von Iris Laufenberg am Deutschen Theater einläutet. Der Titel referiert auf ein Buch, das die DDR viele Jahre lang zur Jugendweihe verschenkte. Zu Beginn begrüßt das Ensemble die jungen Genossen im Saal und preist die Segnungen der letzten 1.000 Jahre Sozialismus.

Denn in dieser Zukunftserzählung haben Lenins Erben gesiegt. Die Produktionsmittel sind fest in den Händen der Arbeiterschaft, die Gesellschaft kennt keine Klassen mehr und die Wirtschaft ist potent genug, um sogar ferne Planeten zu besiedeln. Es scheint, als wäre die Geschichte an ihrem seligen Ende angekommen, aber weit gefehlt. Ein Nebenwiderspruch ist weiterhin unaufgelöst, das Patriarchat hat die Revolution bestens überstanden, weswegen die Frauenfiguren weiterhin sexuell, emotional und wirtschaftlich ausgebeutet werden.

In den Genuss, sich eigenen Interessen zu widmen, kommen in diesem Kommunismus nur die Männer. Zum Beispiel Felix Goeser und Florian Köhler, die sich, von einer Livekamera aufgenommen, in einer Miniaturkulisse des Cafés Moskau in eine Diskussion über den Zusammenhang von Parallelwelten und orthodoxem Marxismus hineinsteigern.

Ein Hauch von Volksbühne

Ein Hauch von Volksbühne weht da durch das Deutsche Theater. So ähnlich hätte auch eine Szene bei René Pollesch oder Frank Castorf verlaufen können. Man kennt diese Anleihen schon von Alexander Eisenach. Zwar nicht am Rosa-Luxemburg-Platz, aber am Berliner Ensemble hat er in den letzten Jahren gearbeitet.

Es überrascht, dass ausgerechnet er die große Eröffnungsinszenierung der neuen Intendanz verantwortet. Während andere Leitungen, sobald sie ein Haus übernehmen, gerne alles neu und anders machen wollen, die meisten Schau­spie­le­r:In­nen austauschen, Logo und Corporate Design überarbeiten, mitunter sogar den Namen des Theaters ändern, setzt Iris Laufenberg ganz unprätentiös auf Bewährtes oder zumindest Bekanntes.

Durchaus ähnlich verhält es sich mit dieser Inszenierung, die zwar mit großem Ehrgeiz antritt, die Volksbühnenästhetik mit einer Stückentwicklung, Science-Fiction mit den Einschränkungen der Bühne und Ideengeschichte mit Albernheit zu versöhnen, dabei jedoch nicht wirklich etwas Neues entstehen lässt, sich vielmehr in der Wiederholung einrichtet.

Lang und länglich sind die Szenen, in denen Anja Schneider als unglückliche Ehefrau ihr Leid klagt, Lorena Handschin sich als Opfer des Penisneids outet und Julischka Eichel zum Krieg gegen Männer aufruft. Das wirkt theaterästhetisch auch ein wenig angestaubt. Feministische Bühnenkunst setzt dieser Tage zumeist auf Autofiktion oder körperliche Grenzerfahrungen. Die Darstellerinnen stehen mit ihren eigenen Geschichten und Körpern für die Forderung nach gesellschaftlichen Veränderungen ein.

Ein paar Jahrzehnte politischer Kampf

Recht konventionell wirken dagegen Eisenachs Figuren, deren Agitation den realen Unrechtsverhältnissen zumal hinterherhinken, weil das Fremdmaterial in dieser Stückentwicklung schon ein paar Jahrzehnte politischen Kampf hinter sich hat. Er bedient sich unter anderem bei Joanna Russ’ Roman „Planet der Frauen“ aus dem Jahr 1975.

Auf eben diesen reist nach der Pause das Ensemble. In einer plüschigen Comicwelt werden Männer hier zu fernsteuerbaren Maschinen umoperiert oder gleich gemeuchelt, um eine nun aber wirklich herrschaftsfreie Gesellschaft von Frauen zu garantieren. Problem gelöst? Jedenfalls fasert die ohnehin äußerst bruchstückhafte Handlung schnell aus. Zum Schluss fordert Sarah Franke unter Rückgriff auf Ursula K. Le Guins Essay „Am Anfang war der Beutel“, die Menschheitsgeschichte noch einmal anders zu erzählen, also nicht mit Fokus auf männliche Gewalt, auf Helden und Krieg. Eine vortreffliche Idee! Allerdings verfinge sie sicher stärker, wären die vier Stunden zuvor erzählerisch und intellektuell zwingender gewesen. Wie war’s also im Weltraum? Öde, Genossen.

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