Commerzbank und Wirecard: Analystin jubelte die Aktie hoch
Waren die Banken ahnungslos oder korrupt? Am Donnerstag mussten sich Deutschlands Top-Banker im U-Ausschuss zu Wirecard rechtfertigen.
![Karl-Theodor zu Guttenberg beim Wirecard-Untersuchungsausschuss Karl-Theodor zu Guttenberg beim Wirecard-Untersuchungsausschuss](https://taz.de/picture/4621931/14/Guttenberg-1.jpeg)
Der Wirecard-Ausschuss des Bundestags fördert immer neue Überraschungen aus Wirtschaft und Politik zutage. Bei der Sitzung am Donnerstag mussten sich Deutschlands Top-Banker dafür rechtfertigen, das Unternehmen und seine Manager nicht nur bis zum Schluss mit üppigen Krediten versorgt, sondern wohl teils auch Privatanleger in öffentlichen Einschätzungen getäuscht zu haben.
Vor allem die Commerzbank steht nun im Kreuzfeuer. Als eine Bank, die zu 15 Prozent dem Staat gehört, lässt sich von ihr besondere Verantwortung für eine korrekte Unternehmensführung erwarten. Doch am Donnerstag wurden Vorwürfe gegen eine Analystin des Hauses laut: Die Marktexpertin soll die Probleme von Wirecard bis kurz vor der Insolvenz im Juni 2020 systematisch kleingeredet und die Aktien zum Kauf empfohlen haben. Das hatte zuerst Der Spiegel berichtet.
Die Empfehlung der Aktie wirkt umso fragwürdiger, als die Risikoabteilung des Unternehmens intern schon im Mai 2019 wegen „kritischer Transaktionen“ die Kreditwürdigkeit von Wirecard infrage gestellt hat, wie das Magazin Capital aufgedeckt hat. Die Commerzbank hatte Wirecard in den Jahren zuvor rund 175 Millionen Euro geliehen, verteidigte die Existenz der Parallelwelten jedoch am Donnerstag als sinnvoll, beabsichtigt und sogar erforderlich.
„Um potenzielle Interessenkonflikte zwischen dem Kundengeschäft und dem Aktienresearch auszuschließen, existieren strikte Informationsbarrieren“, sagte ein Sprecher. Die Teams seien räumlich getrennt. Warum die Analystin Wirecard anscheinend auch aktiv über kritische Stimmen von Investoren informiert hat, bleibt damit jedoch ungeklärt.
Riesiger Skandal
Um das ehemalige DAX-Unternehmen Wirecard rankt sich der größte Wirtschaftsskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Mit seinen Zahlungsdiensten wollte es im vergangenen Jahr noch eine Viertelmillion Euro Gewinn gemacht haben. Es stellte sich heraus: Der Umsatz war durch Kreisgeschäfte aufgebläht, der vorgebliche Gewinn erfunden, das Kapital weg.
Die deutsche Finanzaufsicht konzentrierte sich darauf, Journalisten zu diskreditieren – statt die Machenschaften aufzuklären. Marcus Kramer, Mitglied des Vorstands der BayernLB, gab am Donnerstag zudem an, dass auch er als Banker die Herkunft der besonders hohen Gewinne nie ganz verstanden habe. Die staatliche BayernLB hat die Beziehung zu Wirecard daher 2018 auslaufen lassen.
Umso erstaunlicher, dass sich das Kanzleramt noch im Herbst 2019 für Wirecard einsetzte. Angela Merkel setzte sich auf Besuch in Peking persönlich bei der dortigen Staats- und Parteiführung für einen Markteintritt Wirecards ein. Das war nach den Erkenntnissen des Ausschusses auch die Frucht einer Lobby-Offensive durch mehrere Ex-Politiker. Gleich drei bekannte Persönlichkeiten der CDU/CSU, die heute ihr Geld mit Beratung aller Art verdienen, nahmen im Laufe der Zeit mit dem Kanzleramt Kontakt auf, um die Anliegen Wirecards voranzutreiben.
Neben Karl-Theodor zu Guttenberg waren das Ole von Beust, ehemals Bürgermeister von Hamburg, und Klaus-Dieter Fritsche, ehemals Staatssekretär und Geheimdienstexperte im Kanzleramt. Alle drei nahmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit Lars-Hendrik Röller Kontakt auf, dem heutigen Leiter der Wirtschaftsabteilung des Kanzleramts. Das sagte Röller vor dem Ausschuss aus.
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