piwik no script img

Coming-out im FußballErsehnte Normalität

Unzählige Vertreter des Fußballs sagen dem tschechischen Nationalspielers Jakub Jankto ihre Unterstützung zu. Warum gibt es dennoch ein Problem?

Jakub Jankto im Einsatz bei der EM 2021 im Spiel gegen England Foto: Carl Recine/reuters

Bei der Pride Parade durch die sozialen Netzwerke waren zahllose Profifußballvereine dabei. Nachdem am Montag der tschechische Nationalspieler Jakub Jankto via Instagram und Twitter ein Video verbreitete mit der Kernbotschaft „Ich bin homosexuell – und ich möchte mich nicht länger verstecken“, reihten sich gerade auch die Vertreter der deutschen Fußballprofivereine mit ihren Bekenntnissen zur Vielfalt in der Liebe in den virtuellen bunten Umzug mit ein.

Neben der Erstligaprominenz nahezu auch sämliche unterklassigen Profiklubs wie der 1. FC Kaiserslautern („We’re with you“), Hannover 96 („Ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung“), Erzgebirge Aue („Love is for everyone“) oder der 1. FC Magdeburg („You’ve got our support“).

Diese freundlichen, einmütigen Reaktionen werfen die Frage auf, weshalb schwule Fußballer dennoch nach wie vor die Widrigkeiten und Vorbehalte in ihrem Berufsumfeld so hoch einschätzen, dass sie lieber ein Geheimnis aus ihrer Gefühlswelt machen. Zumal doch auch die aktive Fanszene sich in den deutschen Stadien schon seit vielen Jahren lange vor den Funktionären gegen die Diskriminierung von Homosexualität eingesetzt hat.

Im konkreten Fall von Jakub Jankto reagierte sein Verein Sparta Prag, an den er vom spanischen Erstligisten FC Getafe ausgeliehen ist, ebenfalls positiv: „Du hast unsere Unterstützung. Lebe dein Leben, Jakub.“ Dieser hatte zuvor erklärt, er wolle sein Leben in Freiheit führen, „ohne Angst, ohne Vorurteile, ohne Gewalt, aber mit Liebe“.

Blick bleibt auf den einzelnen

Die vielfachen Zusagen der anderen Vereine auf Social Media, Jankto zu „unterstützen“, „solidarisch“ mit ihm zu sein, weisen indes bereits abstrakt auf eine Drohkulisse hin. Für potenzielle Nachahmer kann das beruhigend und abschreckend zugleich wirken. Bayern Münchens Trainer Julian Nagelsmann erklärte auf Nachfrage zur Entscheidung von Jankto: „Ich erachte es als mutig, aber es sollte Normalität sein.“

Das fasst ganz gut die derzeitige Crux der so heteronormativen Fußballwelt zusammen. Das menschlich Normale bleibt immer noch das Besondere, das Mutige. Der 27-jährige Jakub Jankto, heißt es, ist erst der dritte Fußballprofi, der zu seiner aktiven Zeit seine Homosexualität öffentlich gemacht hat.

Nach dem Australier Josh Cavallo (2021) und dem englischen Juniorenspieler Jake Daniels ist es nun der erste Nationalspieler, der sich zu diesem Schritt entschlossen hat. Irgendwann wird es gewiss auch den ersten deutschen Profi, den ersten deutschen Nationalspieler geben.

Eine kollektive Aktion wäre wünschenswert

Wünschenswerter wäre eine große konzertierte kollektive Aktion homosexueller Fußballer. Ansonsten bleibt die Perspektive auf Homosexualität im Fußball immer eine individuelle, besondere. Das wird sich auch nach dem 15. oder 30. Coming-out und den damit einhergehenden Bekenntnissen der Vereine, dass das alles ganz normal sei, kaum ändern.

Der ehemalige deutsche Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, der nach dem Karriereende als erster prominenter deutscher Fußballer erklärt hat, dass er schwul ist, schrieb über Jankto: „Was für ein Spieler! Was für eine Persönlichkeit!“ Wer die scheinbar reine Heterowelt des Fußballs demaskiert, wird nicht zu Unrecht wie ein Freiheitskämpfer gefeiert. Dass dieser Heroismus aber nicht massentauglich ist, verwundert wenig.

Zu bedenken ist, dass die veröffentlichte Meinung von Fußballklubs und ihren Medienabteilungen sowie die Statements engagierter Fangruppierungen nicht deckungsgleich sind mit den Denkweisen, die im Alltag in den Vereinen und in der Kurve wiederzufinden sind.

Der Weltfußballverband hat übrigens ebenfalls recht prompt reagiert. Die Fifa erklärte auf Twitter: „Wir sind alle bei dir, Jakub. Fußball ist für alle da.“ Dazu gab es ein Herz sowie eine Regenbogen-Flagge. Bei der Weltmeisterschaft in Katar hatte die Fifa noch vor wenigen Wochen dem Gastgeber zuliebe derartige Bekenntnisse untersagt. Auch das ist ein Zeichen gewesen, das schwule Fußballer gewiss nicht so schnell vergessen werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Eigentlich ist mir das völlig wurscht, mit wem der Typ ins Bett geht und eigentlich geht das ja auch niemanden was an.

    Schade, das man aus politischen Gründen doch eine Nachricht draus machen muss.

  • Saudi-Arabien ist das neue Katar im Männerfußball.



    Dort findet statt: Club-WM 2023 (Champions-League-Gewinner und sechs weitere Clubs aus aller Welt), wahrscheinlich auch die "richtige" WM im Jahr 2030.

    FIFA, herzlichen Dank. Bitte die Regenbogenflagge draußenlassen.