Chuck D von Public Enemy über neues Album: „Politikerinnen gehört die Zukunft“
Public Enemy hat ein neues Album veröffentlicht. Rapper Chuck D über 80er-Hip-Hop, Black Lives Matter, die Energie der Jungen – und Kamala Harris.
taz: Chuck D, Sie singen seit mehr als 30 Jahren über rassistische Polizeigewalt in den USA – auch in Ihren neuen Songs wie dem Remix „Fight the Power 2020“ und „Toxic“ („If a nigga die, they used to say / Try another one)“. Was gibt Ihnen heute mehr Hoffnung als in den Achtzigern?
Chuck D: Die Energie der Jüngeren. Wenn junge Leute sich in ihren Vierteln für Veränderung einsetzen, macht das immer Hoffnung. Ich spreche nicht von Jugendlichen, sondern von jungen Erwachsenen, die ihre Rechte einfordern. Sie erkennen, dass sie mehr Einfluss in der Gesellschaft bekommen.
Ist die Black-Lives-Matter-Bewegung, gegründet 2013, eine solch junge Bewegung?
Ich sehe das so: Antirassismus, wie ihn Black Lives Matter voranbringen, gab es im Grunde schon länger. Inzwischen sprechen wir von einer Organisation, aber als Statement gibt es das seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Und das Statement ist größer als die Bewegung. Sie können bis zur NAACP (National Association for the Advancement of Colored People, gegründet 1909) zurückverfolgen, wie Menschen sich für Bürgerrechte eingesetzt haben. Die NAACP kämpfte immer gegen White Supremacists, die auf die Idee kamen, schwarze Leben seien nichts wert.
Black Lives Matter macht das, was Sie mit Public Enemy schon lange vollführen: Geschichte neu zu schreiben …
… ich kann die Geschichte nicht umschreiben oder ändern …
… in dem Sinne, dass Black History mehr Raum einnimmt und das Gedenken an das Unrecht der Sklaverei wachgehalten wird.
Ja, wir wollen, dass die Leute verstehen, dass es immer mehr gibt als nur eine Seite der Geschichte.
In „Fight the Power 2020“ gibt es in einem Vers eine Anspielung auf Obamacare und seine beiden Amtszeiten: „The last one who cared was Obama care.“ Hat Trump es geschafft, Obamas Erbe in nur vier Jahren zu zerstören?
Ja, natürlich. Er hat versucht, so viel wie möglich von dem, was Obama an Veränderungen gebracht hat, wieder rückgängig zu machen.
Chuck D, bürgerlich Carlton Ridenhour, wurde 1960 in New York geboren. Er gründete 1985 Public Enemy, die mit den Alben „It Takes a Nation to Hold us Back“ (1988) und „Fear of a Black Planet“ (1990) Rap mit Ideen von Black Power zusammenbrachten. Zentral, die Selbstermächtigung der afroamerikanischen (Musik-) Kultur. „Fight the Power“ (1989) und das Video, inszeniert von Spike Lee, wurden zum wichtigen Protestsong. Vor Kurzem hat Public Enemy „What You Gonna Do When the Grid Goes Down?“ (DefJam/Universal) veröffentlicht. Das neue Album erscheint wieder beim Label DefJam, das sie 1999 verließen.
Wenn Sie Richtung Präsidentschaftswahl blicken: Was passiert, wenn Trump wiedergewählt wird?
So, wie es aussieht, stehen uns dann unruhige Zeiten bevor. Der Titel unseres Albums – „What You Gonna Do When the Grid Goes Down?“(etwa: „Was wirst du tun, wenn das Netz ausfällt?“) – bezieht sich auf das, was bald passieren könnte. Wir wollen den Leuten sagen: Bereitet euch vor auf die Tricks, die Trumps Regierung anwenden wird. Die Leute müssen wachsam sein, denn es kursieren viele Fehlinformationen und Dummheit da draußen. „The Grid Goes Down“ bedeutet so viel wie: Plötzlich könnten Netze zusammenbrechen, nun soll sogar verhindert werden, dass die Leute wählen gehen. Von Prince habe ich gelernt: „Du solltest lernen, deine Maschinen zu kennen, bevor sie beginnen, dich zu beherrschen.“
Was könnten die Black Community und die Linke im Fall einer Wiederwahl oder einer Nichtanerkennung der Wahl tun?
Dann braucht es eine entschlossene kollektive Bewegung. Ein Aufstand würde nicht helfen, er würde nur ein Hilferuf an die Welt sein. Die Weltgemeinschaft müsste intervenieren und sich mit den US-Krankheiten befassen. Wenn Joe Biden gewinnt, so wäre das ein Anfang. Kamala Harris ist die eigentliche Hoffnung für die Zukunft. Ich glaube, Politikerinnen in den Regierungen gehört ohnehin die Zukunft.
Für das neue Alben haben Sie mit Kollegen wie Nas, den Beastie Boys und Run DMC zusammengearbeitet. War das wie ein Familientreffen?
Das ist eher beiläufig passiert. Wir hatten schon Songs mit Musikern wie Ice-T und Daddy O gemacht. Diese Stücke gab es bereits, weitere Kollaborationen kamen dazu. Jetzt sieht es so aus, als sei es von vornherein als Feature-Album geplant gewesen. War es aber nicht.
Auch von Ihrem alten Hit „Public Enemy No. 1“ gibt es nun eine neue Fassung: „Public Enemy Number Won“.
Ich habe Ad Rock und Run DMC gefragt, ob sie Lust hätten, diesen Song noch mal mit mir aufzunehmen. Denn das war das Lied, das uns damals zu Def Jam gebracht hat, es ist auf unserem Debütalbum „Yo! Bum Rush the Show“ (1987). Ich bin froh, diesen Song mit DMC noch mal machen zu können. Ich habe mit DMC so oft zusammengearbeitet, er ist für mich wirklich der „King of Rock“. Alles, was er von mir will, bekommt er auch.
Das Album klingt für mich ziemlich nostalgisch, wollen Sie damit an die guten alten Neunziger erinnern …?
Es ist eher Hommage an die späten Achtziger, als wir die New School waren. Eine Erinnerung an die großen Zeiten von Musikern wie Ice-T und Produzenten wie Larry Smith. Wunderbare Leute, wunderbare Zeiten.
Stehen Sie mit der jüngeren Rap-Generation, Kendrick Lamar, Drake & Co in Kontakt?
Schauen Sie mal bei meiner Website rapstation rein. Für mich das beste Netzradio aller Zeiten. Immerhin, es läuft seit zwölf Jahren. Dadurch bleibe ich auf dem Laufenden und kann etwas für die Shorties tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen